Leitsatz
Wird der Rechtsanwalt ab einem Zeitpunkt nach Abschluss eines widerruflichen Vergleichs beigeordnet und erfüllt er vor Ablauf der Widerrufsfrist keinen der in Nr. 3100 Nr. 1 VV genannten Tatbestände, so kann als Verfahrensgebühr nur eine Gebühr in Höhe von 0,8 gem. Nr. 3101 VV festgesetzt werden. Dies gilt auch, wenn vor der Beiordnung eine 1,3-Verfahrensgebühr bereits angefallen war.
LAG Nürnberg, Beschl. v. 5.12.2014 – 2 Ta 155/14
1 Sachverhalt
Die Klägerin war bei der Beklagten zu einem Bruttomonatseinkommen von 430,00 EUR beschäftigt. Mit beim ArbG am 3.1.2014 eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin Kündigungsschutzklage verbunden mit weiteren Anträgen erhoben. Mit gesondertem Schriftsatz v. 3.1.2014 beantragte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin, der Klägerin Prozesskostenhilfe zu gewähren unter ihrer Beiordnung.
In der ersten Güteverhandlung am 4.2.2014 wurde der Klägerin aufgegeben, die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bis zum 28.2.2014 nachzureichen. In der zweiten Güteverhandlung beantragte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Erstreckung der beantragten Prozesskostenhilfe auf einen von den Parteien abzuschließenden Vergleich. Im Anschluss schlossen die Parteien einen zum 28.2.2014 widerruflichen Vergleich. Das ArbG setzte den Gegenstandswert für den Fall der Rechtswirksamkeit des Vergleichs für das Verfahren auf 1.462,00 EUR, für den Vergleich auf 2.154,00 EUR fest.
Mit Schriftsatz vom 28.2.2014 (Eingang am selben Tage) legte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie Belegkopien hierzu vor. Der Vergleich wurde nicht widerrufen und damit mit Ablauf des 28.2.2014 rechtswirksam.
Mit Beschluss v. 9.4.2014 bewilligte das ArbG der Klägerin für das Verfahren erster Instanz ab 28.2.2014 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung und ordnete ihr die Prozessbevollmächtigte der Klägerin bei.
Mit ihrem Antrag auf Vergütungsfestsetzung beantragten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin einen Erstattungsbetrag von insgesamt 806,46 EUR.
Der Urkundsbeamte setzte die der Prozessbevollmächtigten der Klägerin aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung auf lediglich 372,47 EUR fest, wobei sich der Betrag aus folgenden Einzelpositionen zusammensetzt:
0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 2 VV |
1.462,00 EUR |
92,00 EUR |
1,0-Einigungsgebühr nach Nrn. 1003, 1000 VV |
2.154,00 EUR |
201,00 EUR |
Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV |
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59,47 EUR |
Gesamt |
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372,47 EUR |
Gegen diesen Beschluss legten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin Erinnerung ein und beantragten den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass ein Betrag in Höhe von 550,38 EUR festgesetzt wird. Es sei eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV aus einem Streitwert von 1.462,00 EUR zusätzlich festzusetzen.
Der Urkundsbeamte half der Erinnerung nicht ab und legte sie dem zuständigen Richter vor, der die Erinnerung zurückwies, allerdings die sofortige Beschwerde zuließ, die die Prozessbevollmächtigen der Klägerin auch einlegten.
Das ArbG half der Beschwerde nicht ab und legte das Verfahren dem LAG zur Entscheidung vor.
2 Aus den Gründen
1. Die von den Klägerinvertretern eingelegte Beschwerde ist statthaft, § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 2 RVG, und auch im Übrigen zulässig.
2. Die Beschwerde ist jedoch sachlich nicht begründet.
Der Beschluss des ArbG ist rechtlich nicht zu beanstanden. Insoweit wird vollumfänglich auf die Gründe des Zurückweisungsbeschlusses des ArbG Bezug genommen und von einer rein wiederholenden Darstellung der Gründe abgesehen. Das Beschwerdegericht macht sich die vom ArbG dargelegten Gründe ausdrücklich zu Eigen. Die Klägerinvertreter haben in der Beschwerde auch keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen, sondern die bereits erstinstanzlich vorgebrachten Gründe im Wesentlichen wiederholt.
Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen sind daher lediglich noch folgende kurze Ausführungen veranlasst:
Nach § 48 Abs. 1 RVG bestimmt sich der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet oder bestellt worden ist. Dies bedeutet, dass nur Handlungen während der Beiordnung den Anspruch auf Vergütung gegen die Staatskasse begründen können (Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl. 2013, § 48 Rn 111). Sind die gleichen Gebühren schon vor dem Zeitpunkt der Beiordnung angefallen (z.B. weil der Rechtsanwalt zunächst als Wahlanwalt tätig gewesen war), so kann er die Gebühren, die nach der Wirksamkeit seiner Beiordnung noch einmal anfallen, nur noch gegenüber der Staatskasse geltend machen (Gerold/Schmidt a.a.O. Rn 112).Wird ein widerruflicher Vergleich geschlossen und Prozesskostenhilfe für einen Zeitpunkt zwischen dem Abschluss und dem Ablauf der Widerrufsfrist gewährt (so wie im vorliegenden Fall), so kommt es darauf an, ob der Rechtsanwalt vor dem Zeitpunkt der Beiordnung oder danach noch einmal tätig war, ob er also mit dem Mandanten erst nac...