Leitsatz
- Lehnt das zunächst angerufene Gericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen örtlicher Unzuständigkeit ab und wird daraufhin die Klage vor dem zuständigen Gericht neu eingereicht, so ist nicht mehr dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 16 Nr. 2 RVG gegeben; vielmehr bildet das neue Verfahren vor dem zuständigen Gericht eine neue Angelegenheit. Eine Anrechnung der im PKH-Verfahren verdienten Gebühren kommt nicht in Betracht.
- Ein Prozessbevollmächtigter ist nicht verpflichtet, den Mandanten darauf hinzuweisen, dass es kostengünstiger sei, einen Terminsvertreter vor einem auswärtigen Gericht zu beauftragen, anstatt selbst als Prozessbevollmächtigter den Termin wahrzunehmen.
- Wird eine Klage oder ein Antrag unter der Bedingung der Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe eingereicht, so verdient der Anwalt des Antragsgegners nur eine 1,0-Verfahrensgebühr, solange die Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe nicht bewilligt worden ist.
- Hat der Anwalt zunächst nach einem zu geringen Gegenstandswert abgerechnet, kann er seine Rechnung später noch korrigieren. Eine Bindung an seine vorherige Wertannahme besteht nicht, da dem Anwalt insoweit – anders als bei Rahmengebühren – kein Ermessen zusteht.
- Der Geschäftswert einer Vereinbarung zur Gütertrennung ist gem. § 23 Abs. 3 S. 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 3 KostO nach dem Reinwert des Vermögens der Vertragschließenden zum Zeitpunkt der Beurkundung zu bestimmen.
- Der Anwalt ist gem. § 49b Abs. 5 BRAO lediglich verpflichtet, den Auftraggeber darauf hinzuweisen, dass sich seine Gebühren nach dem Gegenstandswert richten. Er muss dagegen grundsätzlich nicht auch auf die Höhe der Gebühren hinweisen. Eine Verpflichtung zum Hinweis auf die Höhe der Vergütung besteht nur, wenn für den Anwalt ein besonderer Aufklärungsbedarf des Mandanten zu erkennen ist.
- Es liegt keine anwaltliche Pflichtverletzung vor, wenn der Anwalt nach Einreichung des Scheidungsantrags im Rahmen einer Folgenvereinbarung auch zu einer Vereinbarung rät, mit der die Zugewinngemeinschaft aufgehoben und die Höhe des Zugewinnausgleichsanspruchs geregelt wird.
- Bei der Vertretung in einem Verfahren auf Abzweigung der Rente nach § 48 Abs. 1 SGB I handelt es sich um ein Verwaltungsverfahren und nicht um eine Angelegenheit der Zwangsvollstreckung, so dass der Anwalt die Gebühren nach Teil 2 Abschnitt 3 VV verdient.
OLG Bamberg, Urt. v. 5.2.2015 – 2 U 2/14
1 Aus den Gründen
Die Berufung des Klägers und Widerbeklagten ist nicht begründet. Die Berufung des Beklagten und Widerklägers ist überwiegend begründet.
Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Rechtsanwaltsvergütung aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB.
Der Beklagte hat gegen den Kläger Anspruch auf Zahlung weiterer Rechtsanwaltsvergütung aus § 612 Abs. 2 BGB i.V.m. dem RVG in Höhe von insgesamt 4.292,98 EUR.
Hinsichtlich der mit Rechnung Nr. 391 abgerechneten Vertretung im Termin vor dem AG Gronau am 9.7.2010 ergibt sich der Vergütungsanspruch aus der Vereinbarung der Parteien vom 9.7.2010.
Die Bestimmungen des RVG sind, da die Auftragserteilung jedenfalls vor dem 1.8.2013 erfolgte, in der vor dem Inkrafttreten des 2. KostRMoG geltenden Fassung anzuwenden (§ 60 Abs. 1 RVG).
Im Einzelnen sind die Forderungen aus den Rechnungen in folgender Höhe begründet:
1. Rechnung Nr. 272 vom 19.7.2010 (Vertretung im Verfahren vor dem AG Bamberg)
Die Vergütungsforderung als solche aus der Tätigkeit des Beklagten im Verfahren vor dem AG Bamberg ist zwischen den Parteien nicht im Streit.
Das LG hat, der Auffassung des Klägers folgend, auf die Vergütungsforderung gem. §§ 15, 16 RVG einen Betrag in Höhe von 697,34 EUR – die Verfahrensgebühr aus dem Verfahren vor dem AG Ahaus – angerechnet. Dies hat das LG damit begründet, dass es sich bei dem PKH-Verfahren Trennungsunterhalt vor dem AG Ahaus und dem letztendlich vor dem AG Bamberg durchgeführten Hauptsacheverfahren Trennungsunterhalt um dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 16 Nr. 2 RVG handele. Danach seien das Verfahren über die Prozesskostenhilfe und das Verfahren, für das Prozesskostenhilfe beantragt wurde, dieselbe Angelegenheit. Da der Beklagte bereits eine 1,0-Verfahrensgebühr für das PKH-Verfahren bei dem AG Ahaus abgerechnet habe, müsse sich der Beklagte diese für die vorliegende Rechnung mindernd anrechnen lassen. Jedenfalls liege ein Fall der Anrechnung nach § 16 Nr. 3 RVG vor.
Dem kann nicht gefolgt werden.
Gem. § 15 Abs. 2 RVG kann der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Dieselbe Angelegenheit sind das Verfahren über die Prozesskostenhilfe und das Verfahren, für das die Prozesskostenhilfe beantragt worden ist (§ 16 Nr. 2 RVG). Daher stellen das PKH-Verfahren und das dazugehörige Hauptsacheverfahren, also das Verfahren, für das die PKH beantragt worden ist, eine Angelegenheit i.S.d. § 16 Nr. 2 RVG dar (Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 20. Aufl., § 16 RVG Rn 7; Mayer/Kroiß, RVG, 5. Aufl., § 16 Rn 7).
Danach handelt es sich bei dem Verfahren auf Trennungsunterhalt bei de...