RVG §§ 15 Abs. 1, 17 Nr. 9, 19 Abs. 1 Nr. 3 und 9 RVG VV Nr. 3500 ZPO §§ 42, 46 Abs. 2 BGB §§ 611, 675

Leitsatz

  1. Im Beschwerdeverfahren über die Ablehnung eines Sachverständigen entsteht die Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV für den Bevollmächtigten des Beschwerdegegners erst aufgrund einer Tätigkeit im Interesse des Mandanten, sei es, dass der Anwalt dessen ergänzende Informationen entgegen nimmt, oder dass er das Erfordernis einer Erwiderung auf das gegnerische Rechtsmittel prüft. Der Einreichung eines Schriftsatzes bedarf es nicht.
  2. Nimmt der Anwalt allerdings nur die Beschwerdeschrift entgegen und leitet sie an die eigene Partei weiter, handelt es sich um eine mit dem Hauptsacheverfahren zusammenhängende Tätigkeit, die durch die dortige Verfahrensgebühr abgegolten ist.

OLG Koblenz, Beschl. v. 6.11.2012 – 14 W 582/12

1 Sachverhalt

Im Hauptsacheverfahren hatte der Beklagte zu 1) den vom LG beauftragten Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das LG hat das Ablehnungsgesuch als unzulässig verworfen und der dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das OLG gleichfalls als unzulässig verworfen. Zugleich wurden dem Beklagten zu 1) im Beschwerdeverfahren die Kosten auferlegt. Die Klägerin hat keine Stellungnahme im Beschwerdeverfahren abgegeben.

Hiernach beantragte die Klägerin, die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten gegen den Beklagten zu 1) festzusetzen. Der Beklagte zu 1) ist dem Kostenfestsetzungsgesuch mit dem Einwand entgegengetreten, dass nicht ersichtlich sei, dass der Vertreter der Klägerin im Beschwerdeverfahren eine Prozesshandlung vorgenommen habe.

Das LG hat die Kosten wie beantragt festgesetzt. Die sofortige Beschwerde sei dem Bevollmächtigten der Klägerin mit der Nichtabhilfeentscheidung übersandt worden. Bei lebensnaher Betrachtung müsse unterstellt werden, dass er pflichtgemäß geprüft habe, ob Handlungsbedarf für die Klägerin besteht, was für das Auslösen der Verfahrensgebühr im Beschwerdeverfahren genüge.

Hiergegen wendet sich der Beklagte zu 1) mit seiner sofortigen Beschwerde, mit der er die Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses und die Zurückweisung des zugrunde liegenden Antrags begehrt. Eine konkrete Tätigkeit des Bevollmächtigten der Klägerin werde vom LG – unzulässig – lediglich vermutet, sei aber weder behauptet, noch nachgewiesen. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat hierauf erwidert, dass er zum Ablehnungsgesuch Stellung genommen habe. Die weiteren Schriftstücke seinen ihm zur Kenntnisnahme und Bearbeitung weitergeleitet worden. Mit dem erwähnten Schriftsatz habe er darauf hingewiesen, dass das gesamte Vorbringen des Beklagten zu 1) neben der Sache liege.

Das LG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt, der der sofortigen Beschwerde stattgegeben hat.

2 Aus den Gründen

Die sofortige Beschwerde ist begründet. Das LG hat dem Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin zu Unrecht entsprochen.

Die Gebühr nach Nr. 3500 VV setzt eine Tätigkeit im Interesse des Mandanten voraus. Sie kann in der Entgegennahme von Informationen des Mandanten liegen oder in der Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs. Nicht erforderlich ist die Einreichung eines Schriftsatzes (Senat v. 6.8.2007 – 14 W 578/07 = AGS 2008, 435; Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl. 2010, Nr. 3500 VV Rn 9 u. Nr. 3200 VV Rn 20). Zusätzlich ist eine auf das Verfahren bezogene Beauftragung erforderlich, die im Hinblick auf Nebenverfahren allerdings in der allgemeinen Beauftragung zur Prozessführung gesehen werden kann (BGH NJW 2005, 2233; a.A. allerdings N. Schneider, MDR 2001, 130, 132). Beschränkt sich die Tätigkeit des Anwalts dagegen auf die Entgegennahme und Weiterleitung der Beschwerdeschrift an die Partei, wird dadurch eine Gebühr nicht ausgelöst (BGH NJW 2005, 2233; OLG Köln JurBüro 1986, 1663; VGH Mannheim JurBüro 1999, 362; KG KGR 1995, 252; Mümmler, JurBüro 1991, 688).

Um einen Kostenansatz zu berücksichtigen, muss er nach § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO glaubhaft gemacht werden.

Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Klägerin und ihres Bevollmächtigten nicht. Die Darstellung und die Glaubhaftmachung einer beauftragten anwaltlichen Tätigkeit musste sich auf den Zeitraum vom 8.2.2012 bis zum 15.2.2012 beziehen. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 1) vom 8.2.2012 hat das LG nämlich noch am gleichen Tag über die Nichtabhilfe entschieden. Das OLG hat wiederum i.S.d. Klägerin im Hinblick auf den bereits bestimmten Verhandlungstermin zeitnah zum Akteneingang entschieden.

Es ist nicht glaubhaft gemacht, dass der Bevollmächtigte in diesem Zeitraum anwaltliche Tätigkeiten mit Bezug zum Beschwerdeverfahren entfaltet hat. Soweit er ausführt, bereits im Schriftsatz vom 2.2.2012 zu dem Ablehnungsbegehren Stellung genommen zu haben, betrifft dies noch das Ablehnungs- nicht aber das Beschwerdeverfahren. Gleiches gilt für den Schriftsatz vom 22.2.2012, der erst nach dem Abschluss des Beschwerdeverfahrens und im Hinblick auf das Haup...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?