noch nicht rechtskräftig

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Vereinbarung eines Interessenausgleichs mit Namensliste macht die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG nicht automatisch überflüssig.

2. Der Arbeitgeber braucht dem Betriebsrat im Rahmen von § 102 BetrVG nur die ihm bekannten sozialen Daten mitzuteilen. Er hört den Betriebsrat aber nicht ordnungsgemäß an, wenn die von ihm mitgeteilten Daten rechtswidrig gewonnen und unzutreffend sind.

 

Tenor

1.) Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 30.01.1997 aufgelöst wird, sondern über den 31.01.1998 hinaus fortbesteht.

2.) Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3.) Der Streitwert beträgt DM 40.500,–

 

Tatbestand

Die Parteien verbindet ein Arbeitsverhältnis. Sie streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung.

Der 1944 geborene Kläger ist geschieden und gegenüber zwei Kindern, die sich in der Berufsausbildung befinden, unterhaltspflichtig. Seit 1.10.1970 ist er für die Beklagte tätig. Die Beklagte beschäftigt rund 7.000 Arbeitnehmer. Sie setzte den Kläger zuletzt als Gruppenleiter in der Gruppe IS International/Beteiligungen ein und zahlte ihm ein Gehalt in Höhe von DM 13.500,– brutto monatlich.

Die Beklagte legte ihre Abteilung Informationssysteme still. Davon waren ca. 70 Arbeitspersonen betroffen.

Zur Vereinbarung eines Interessenausgleichs und eines Sozialplans wurde eine Einigungsstelle gebildet. In der Sitzung der Eingungsstelle vom 22.1.1997 wurden ein Interessausgleich (Anlage B 1, Bl. 14 d.A.) und ein Sozialplan (Bl. 21 d.A.) vereinbart. Der Interessenausgleich ist für die „Arbeitgeberin”, für den „Betriebsrat” und durch den Vorsitzenden der Einigungsstelle unterschrieben worden.

Der Interessenausgleich beschreibt die Planungsabsicht des Arbeitgebers, referiert die Kenntnisnahme des Betriebsrats hiervon und enthält eine 58 Namen umfassende Liste zu entlassender Arbeitspersonen. Darin ist u.a. der Kläger aufgeführt

In dem Interessenausgleich heißt nach der Namensliste am Ende von Ziffer 4 des weiteren:

„Der Betriebsrat erteilt durch Abschluß dieses Interessenausgleichs seine Zustimmung zu den Kündigungen der genannten Beschäftigten.”

Die Beklagte kündigte dem Kläger am 31.1.1997 zum 31.1.1998.

Mit seiner am 19.2.1997 bei Gericht eingegangenen Klage macht der Kläger im wesentlichen geltend, daß die Kündigung sozialwidrig sei, da sein Arbeitsplatz gar nicht entfallen sei und die soziale Auswahl fehlerhaft wäre. Im übrigen sei auch der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden.

Der Kläger beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, daß die Kündigung aus betriebsbedingten Gründen sozialgerechtfertigt sei. Eine soziale Auswahl sei nicht möglich gewesen. Der Betriebsrat sei zur beabsichtigten Kündigung der Klägers angehört und über sämtliche sozialen Daten sowie die Kündigungsfrist unterrichtet worden. Denn in den Einigungsstellenverhandlungen hätten im Dezember 1996 und im Januar 1997 Listen mit allen Sozialdaten und den Kündigungsfristen auf dem Tisch gelegen.

Weitere Einzelheiten des Vorbringens der Parteien ergeben sich aus den gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie den mündlichen Erklärungen der Parteien. Darauf wird gem § 313 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG ergänzend verwiesen

Durch Vernehmung der Zeugen W., Dr. N., Dr. S. und L. ist Beweis erhoben worden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg.

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Kündigung der Beklagten vom 30.1.1997 ist rechtsunwirksam. Das Arbeitsverhältnis der Parteien besteht über den 31.1.1998 hinaus fort. Diese Entscheidung beruht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht kurz zusammengefaßt im wesentlichen auf folgenden Erwägungen:

1. Ob die Kündigung der Beklagten sozialwidrig i.S.v. § 1 KSchG ist, brauchte nicht entschieden zu werden. Die Unwirksamkeit der Kündigung ergibt sich bereits aus § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Denn die Beklagte hat den bei ihr gebildeten Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört.

2. Gem. § 102 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Kündigung anzuhören. Wird in einer Einigungsstelle ein Interessenausgleich mit Namensliste vereinbart, ersetzt dies nicht automatisch die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG.

Arbeitgeber und Betriebsrat können in einem Interessenausgleich nach § 111 BetrVG die Arbeitspersonen, denen gekündigt werden soll, namentlich bezeichnen. Wird dieser durch § 1 Abs. 5 KSchG neu eröffnete Weg gewählt, ist der Betriebsrat gleichwohl in Bezug auf jede einzelne zur Kündigung vorgesehene Arbeitsperson in einer Art und Weise zu unterrichten, die den Anforderungen des § 102 BetrVG entspricht.

Daß ein Arbeitgeber bei einer unternehmerischen Maßnahme zwei auf Arbeitnehmerseite bestehende Gremien beteiligen muß, ist nicht ungewöhnlich. Im Rahmen eine...

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