Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung bei Vervielfältigungsarbeiten

 

Leitsatz (redaktionell)

Eingruppierung von Vervielfältiger und Drucker; Arbeitsvorgang bei Arbeiter- und Angestelltentätigkeiten; vgl. auch BAG Urteil vom 20. September 1989 – 4 AZR 349/89

 

Normenkette

BAT 1975 §§ 22-23

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 22.12.1988; Aktenzeichen 4 Sa 1782/87)

ArbG Bochum (Urteil vom 30.06.1987; Aktenzeichen 3 Ca 2683/86)

 

Tenor

Auf die Revision des beklagten Landes werden die Urteile des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 22. Dezember 1988 – 4 Sa 1782/87 – und des Arbeitsgerichts Bochum vom 30. Juni 1987 – 3 Ca 2683/86 – aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger, der gelernter Schriftsetzer ist, wird seit dem 1. Juli 1982 bei der Bereitschaftspolizei des beklagten Landes beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung. Der Kläger bedient einen Offsetdrucker, verschiedene Kopiergeräte, einen Papierrüttler sowie einen Papierschneider. Er wurde zunächst als Vervielfältiger an Bürovervielfältigungsmaschinen in VergGr. IX b Fallgruppe 27 Teil I der Anlage 1 a zum BAT eingruppiert und mit Wirkung zum 1. Oktober 1985 nach VergGr. IX a Teil I der Anlage 1 a zum BAT höhergruppiert.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß seine Tätigkeit das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. VIII Fallgruppe 1 Teil II Abschnitt L (Angestellte in technischen Berufen) Unterabschnitt VIII (Reproduktionstechnische Angestellte) der Anlage 1 a zum BAT erfülle. 50 bis 60 v. H. seiner Arbeitszeit entfielen auf die Herstellung von Druckerzeugnissen, wie Formularen, Einsatzbefehlen, Rundverfügungen, Wochendienstplänen, Prüfungsaufgaben, das Abteilungsmagazin sowie Visitenkarten, Einladungen und Glückwunschkarten. 25 v. H. der Arbeitszeit nehme die Herstellung von Druckformen in Anspruch. Die übrige Arbeitszeit entfalle auf die Wartung der Maschinen sowie auf die Anfertigung von Einzelkopien an den Kopiermaschinen. Seine Tätigkeit entspreche damit derjenigen eines reproduktionstechnischen Angestellten im Vermessungs- und Kartenwesen im Sinne der VergGr. VIII Fallgruppe 1 Teil II Abschnitt L Unterabschnitt VIII der Anlage 1 a zum BAT. Er übe arbeitszeitlich überwiegend die Tätigkeit eines Offset-Vervielfältigers im Sinne der Protokollnotiz Nr. 3 zu dieser Vergütungsgruppe aus. Da er über gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen wie ein reproduktionstechnischer Angestellter verfüge, erfülle er als „sonstiger Angestellter” die zweite Alternative des Tätigkeitsmerkmals, die auch auf Angestellte außerhalb des Vermessungs- und Kartenwesens anzuwenden sei.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß er ab 4. Februar 1986 nach VergGr. VIII BAT eingruppiert wird.

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, daß dem Kläger der geltend gemachte Vergütungsanspruch nicht zustehe. Der Kläger, der aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung als Angestellter beschäftigt werde, übe die Tätigkeit eines Offset-Vervielfältigers aus und sei deshalb als Vervielfältiger an Bürovervielfältigungsmaschinen im Sinne der VergGr. IX b Fallgruppe 27 Teil I der Anlage 1 a zum BAT tarifgerecht eingruppiert und nach Ablauf der Bewährungszeit nach VergGr. IX a BAT höhergruppiert worden. Eine Eingruppierung nach VergGr. VIII Fallgruppe 1 des Teils II Abschnitt L. Unterabschnitt VIII der Anlage 1 a zum BAT scheide aus, da dieses Tätigkeitsmerkmal nur auf reproduktionstechnische Angestellte im Vermessungs- und Kartenwesen anzuwenden sei. Außerdem habe der Kläger keine nach der Protokollnotiz Nr. 3 erforderliche Abschlußprüfung.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile und zur Klageabweisung. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. VIII BAT unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

Auf das Arbeitsverhältnis findet nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit unmittelbar und zwingend Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Damit hängt die Entscheidung des Rechtsstreits davon ab, ob die Hälfte der Gesamtarbeitszeit des Klägers ausfüllende Arbeitsvorgänge einem Tätigkeitsmerkmal der von ihm in Anspruch genommenen VergGr. VIII BAT entsprechen (§ 22 Abs. 1, Abs. 2 Unterabs. 1 und Unterabs. 2 Satz 1 BAT). Dabei ist von dem von der Senatsrechtsprechung entwickelten Begriff des Arbeitsvorganges auszugehen, wonach darunter eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen ist (BAGE 51, 59, 65; 282, 287; 356, 360 = AP Nrn. 115, 116 und 120 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Das Landesarbeitsgericht nimmt an, daß die gesamte Tätigkeit des Klägers als ein Arbeitsvorgang im Tarifsinne anzusehen sei. Arbeitsergebnis sei die Erledigung aller Druck- und Vervielfältigungsarbeiten bei der Bereitschaftspolizei in B. Diesem Arbeitsergebnis dienten alle ihm übertragenen Aufgaben.

Diese Beurteilung hält der bei der Bildung von Arbeitsvorgängen gebotenen uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung (BAGE 51, 59 = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975) nicht stand. Das Landesarbeitsgericht übersieht, daß tariflich verschieden zu bewertende Aufgaben nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefaßt werden dürfen (vgl. BAG Urteil vom 19. März 1980 – 4 AZR 300/78 – AP Nr. 32 zu §§ 22, 23 BAT 1975 m.w.N.). Unstreitig stellt der Kläger Druckerzeugnisse her und erledigt Vervielfältigungsarbeiten an Kopiergeräten. Da beide Tätigkeiten tariflich verschieden zu bewerten sind, können sie nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefaßt werden.

Tätigkeiten eines Druckers sind Arbeitertätigkeiten, für die die Anlage 1 a zum BAT – wie der Senat im Urteil vom 20. September 1989 – 4 AZR 349/89 – (nicht zur Veröffentlichung vorgesehen) im einzelnen ausgeführt hat – keine Tätigkeitsmerkmale enthält. Druckereiarbeiter sind vielmehr, wenn sie bei einem Bundesland beschäftigt sind, nach dem Lohngruppenverzeichnis zum Manteltarifvertrag für die Arbeiter der Länder (MTL II) einzureihen (Lohngruppe IV Fallgruppe 1.8, Lohngruppe V Fallgruppe 2 und 4.13 und Lohngruppe VI Fallgruppe 5.7). Demgegenüber ist zwar auch die Tätigkeit eines Vervielfältigers an Bürovervielfältigungsmaschinen eine Arbeitertätigkeit, für die der MTL II Tätigkeitsmerkmale enthält (Lohngruppe IV Fallgruppe 1.1, Lohngruppe V Fallgruppe 4.2), jedoch sieht die Anlage 1 a zum BAT für derartige Tätigkeiten in den Vergütungsgruppen IX b Fallgruppe 27 und X Fallgruppe 17 in Verbindung mit der Protokollnotiz Nr. 28 Tätigkeitsmerkmale vor, wenn eine Beschäftigung als Angestellter nach § 1 Abs. 2 BAT vereinbart ist. Die Anfertigung von Lichtpausen kann außerdem unter die Tätigkeitsmerkmale der VergGrn. VIII Fallgruppe 2, IX b Fallgruppe 1 und X Fallgruppe 1 des Teils II Abschnitt L Unterabschnitt VIII der Anlage 1 a zum BAT fallen. Daraus folgt, daß für die Tätigkeit des Klägers, soweit er Druckerzeugnisse herstellt, eine tarifliche Bewertung nach der Anlage 1 a zum BAT ausscheidet. Diese Tätigkeit durfte das Landesarbeitsgericht daher mit seiner Tätigkeit als Vervielfältiger, für die eine tarifliche Bewertung nach der Anlage 1 a in Betracht kommt, weil der Kläger vereinbarungsgemäß als Angestellter beschäftigt wird, nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammenfassen.

Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Der Senat kann in der Sache auch abschließend entscheiden, da die Klage unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt unbegründet ist.

Zwar sind die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts hinsichtlich der zeitlichen Anteile der Herstellung von Druckerzeugnissen und der Erledigung von Vervielfältigungsarbeiten an den verschiedenen Kopiergeräten an der Gesamtarbeitszeit des Klägers widersprüchlich. Einerseits geht das Landesarbeitsgericht nämlich davon aus, daß der Kläger bis zu 60 v. H. seiner Gesamtarbeitszeit Druckerzeugnisse fertigt und zu 25 v. H. seiner Gesamtarbeitszeit die Druckformen herstellt und damit überwiegend eine Druckertätigkeit ausübt. Andererseits weist das Landesarbeitsgericht ausdrücklich darauf hin, daß die Parteien in der mündlichen Verhandlung unstreitig gestellt haben, daß der Kläger arbeitszeitlich überwiegend als „Offset-Vervielfältiger” arbeitet. Dies steht jedoch einer abschließenden Entscheidung nicht entgegen, weil sich in keinem Falle ein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. VIII BAT ergibt.

Ist der Kläger arbeitszeitlich überwiegend als Drucker tätig, kommt ein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. VIII BAT schon deshalb nicht in Betracht, weil die Vergütungsordnung zum BAT für Drucker keine Tätigkeitsmerkmale enthält. Ist der Kläger arbeitszeitlich überwiegend als Offset-Vervielfältiger tätig, so sieht die Anlage 1 a zum BAT, da eine Vereinbarung über die Beschäftigung als Angestellter vorliegt, nur die Tätigkeitsmerkmale der VergGrn. IX b Fallgruppe 27 und X Fallgruppe 17 im Teil I vor, wobei bei Vorliegen der tariflichen Voraussetzungen nur ein Bewährungsaufstieg nach VergGr. IX a BAT, aber keine darüber hinausgehende Vergütung in Betracht kommt. Eine Eingruppierung nach den allgemeinen Fallgruppen des Teils I der Anlage 1 a zum BAT scheidet aus, da es sich bei der Tätigkeit eines Offset-Vervielfältigers nicht um eine Verwaltungs-, sondern um eine handwerklich-technische Tätigkeit handelt.

Soweit Teil II Abschnitt L Unterabschnitt VIII der Anlage 1 a zum BAT in VergGr. VIII Fallgruppe 2 ein Tätigkeitsmerkmal für Angestellte enthält, die bei selbständiger Verfahrenswahl Lichtpausen verschiedenster Art herstellen und drei Jahre in dieser Tätigkeit beschäftigt sind, fehlt jeder Sachvortrag des Klägers für eine Erfüllung dieser tariflichen Anforderungen.

Ein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. VIII ergibt sich auch nicht aus Fallgruppe 1 dieser Vergütungsgruppe in Teil II Abschnitt L Unterabschnitt VIII der Anlage 1 a zum BAT. Dieses Tätigkeitsmerkmal hat folgenden Wortlaut:

Vergütungsgruppe VIII

Ferner, wenn sie als Angestellte beschäftigt sind (§ 1 Abs. 2):

1. Reproduktionstechnische Angestellte im Vermessungs- und Kartenwesen mit einschlägiger Abschlußprüfung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.

Die Protokollnotiz Nr. 3 lautet:

3. Die Tätigkeit eines reproduktionstechnischen Angestellten im Sinne dieses Tätigkeitsmerkmals ist die Tätigkeit eines

Fotografen, Reproduktionsfotografen, Reprographen, Schriftlithographen, Farbenlithographen

mit Abschlußprüfung

sowie die Tätigkeit als Kopierer eines

Flachdruckers, Offsetvervielfältigers, Siebdruckers

mit Abschlußprüfung.

Zutreffend führt das Landesarbeitsgericht aus, daß der Kläger die Anforderungen dieses Tätigkeitsmerkmals schon deshalb nicht erfüllt, weil er nicht im Vermessungs- und Kartenwesen beschäftigt ist. Diese tarifliche Anforderung gilt entgegen der Auffassung des Klägers sowohl für reproduktionstechnische Angestellte mit einschlägiger Abschlußprüfung (erste Alternative in Verbindung mit der Protokollnotiz Nr. 3), die der Kläger unstreitig nicht hat, als auch für „sonstige Angestellte” (zweite Alternative). Dies ergibt sich schon daraus, daß die Tarifvertragsparteien in beiden Fällen eine „entsprechende Tätigkeit” und damit eine Tätigkeit im „Vermessungs- und Kartenwesen” fordern. Daraus entsteht aber entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts keine Tariflücke. Vielmehr sind Vervielfältiger an Bürovervielfältigungsmaschinen mit abgeschlossener Ausbildung in einem einschlägigen Lehrberuf in VergGr. IX b Fallgruppe 27 Teil I der Anlage 1 a zum BAT einzugruppieren, wobei in diesem Tätigkeitsmerkmal als Beispiel für einen einschlägigen Lehrberuf gerade derjenige des „Offset-Vervielfältigers” ausdrücklich genannt ist. Die Klage konnte damit keinen Erfolg haben.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits nach § 91 ZPO zu tragen.

 

Unterschriften

Dr. Neumann, Dr. Etzel, Dr. Freitag, Polcyn, Dr. Reinfeld

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1081197

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