Entscheidungsstichwort (Thema)
Testamentsauslegung
Leitsatz (redaktionell)
Die Auslegung eines Testaments darf im Verfahren der weiteren Beschwerde nur beschränkt dahingehend überprüft werden, ob sie nach den Denkgesetzen und der Erfahrung möglich ist, dem wahren Sinn und Wortlaut des Testaments nicht widerspricht und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt.
Normenkette
BGB § 2087 Abs. 2
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 21.08.1990; Aktenzeichen 16 T 12525/90) |
AG München (Aktenzeichen 93 VI 11368/88) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 21. August 1990 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligte zu 2 hat die dem Beteiligten zu 1 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 40.000 DM und der des Beschwerdeverfahrens auf insgesamt 43.000 DM festgesetzt; insoweit wird der Beschluß des Landgerichts in Nr. III abgeändert.
Tatbestand
I.
Die Erblasserin ist … 1988 im Alter von 70 Jahren verstorben. Sie war … verheiratet gewesen und seit 1977 geschieden. Der Beteiligte zu 1 ist der Sohn der Erblasserin, die Beteiligten zu 2 und 3 sind ihre Töchter. Der Nachlaß besteht im wesentlichen aus einem Grundstücksanteil, der mit einem Einfamilienhaus bebaut ist, sowie aus Schmuck und Hausrat. Die Erblasserin hat unter dem 22.3.1983 ein handgeschriebenes Testament errichtet und unterzeichnet, das folgenden Wortlaut hat:
„Mein letzter Wille!
Ich, … setze meine drei Kinder V. (Beteiligte zu 2), D. (Beteiligte zu 3) und A. (Beteiligter zu 1) zu meinen Erben ein. D. bekommt ihren Pflichtteil. Sonst nichts. A. soll das Haus übernehmen und dann V. vorerst ihren Pflichtteil auszahlen bis zum Nachweis, daß sie schulden- und lastenfrei ist. Dann muß er ihr in fünf bis zehn Jahren den zweiten Teil in Raten – wenn er kann auch sofort – abzahlen. V. bekommt das Wohnzimmer mit beige Sitzgarnitur. A. das Herrenzimmer. Meinen Schmuck bekommt V. mit der Auflage, ihn an … (Tochter des Beteiligten zu 1) weiterzuvererben, wenn sie keine eigenen Kinder hat. Silber bekommt V. …”
Beim Nachlaßgericht hat der Beteiligte zu 1 einen Erbschein als Alleinerbe beantragt. Die Beteiligten zu 2 und 3 haben die Ansicht vertreten, auch sie seien zu Erben eingesetzt worden, und haben Anträge auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins gestellt. Die Beteiligte zu 2 hat eine Erbquote von 2/6 oder 5/12 beansprucht, die Beteiligte zu 3 eine solche von 2/12. Das Nachlaßgericht hat mehrere Zeugen vernommen. Durch Beschluß vom 7.6.1990 hat es die Erbscheinsanträge der Beteiligten zu 2 und 3 abgelehnt. Hiergegen haben die Beteiligten zu 2 und 3 Beschwerde eingelegt. Die Beteiligte zu 2 hat geltend gemacht, nach dem Willen der Erblasserin habe sie insgesamt zweimal den Pflichtteil und damit ihren vollen gesetzlichen Erbteil erhalten sollen. Der Beteiligte zu 1 ist den Rechtsmitteln entgegengetreten. Durch Beschluß vom 21.8.1990 hat das Landgericht die Beschwerden zurückgewiesen und den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren auf 112.000 DM festgesetzt.
Am 18.9.1990 hat das Nachlaßgericht einen Erbschein bewilligt, wonach die Erblasserin von ihrem Sohn, dem Beteiligten zu 1, allein beerbt worden ist. Dieser Erbschein ist am 19.9.1990 hinausgegeben worden. Die Beteiligte zu 2 hat am 8.10.1990 weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts eingelegt. Sie beantragt die Einziehung des erteilten Erbscheins und verfolgt ihren Erbscheinsantrag mit der im Beschwerdeverfahren beanspruchten Erbquote weiter. Der Beteiligte zu 1 tritt dem Rechtsmittel entgegen. Die Beteiligte zu 3 vertritt nunmehr die Ansicht, ihr Bruder und ihre Schwester seien Miterben, sie selbst aber sei pflichtteilsberechtigt.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die weitere Beschwerde ist zulässig. Nach der Erteilung des Erbscheins durch Hinausgabe einer Ausfertigung an den Beteiligten zu 1 (Palandt/Edenhofer BGB 50. Aufl. § 2353 Rn. 28) ist das Rechtsmittel mit dem Ziel statthaft, diesen Erbschein gemäß § 2361 BGB einzuziehen (BayObLGZ 1982, 236/239 m.w.Nachw.). Die Einziehung dieses Erbscheins wäre die Voraussetzung für eine Erteilung des von der Beteiligten zu 2 erstrebten Erbscheins (BayObLG FamRZ 1989, 1348; Palandt/Edenhofer § 2361 Rn. 12).
2. Das Landgericht hat ausgeführt:
Das Nachlaßgericht habe mit zutreffender Begründung die Erbscheinsanträge der Beteiligten zu 2 und 3 abgelehnt. Die Erblasserin habe durch Testament den Erben bestimmt und damit die gesetzliche Erbfolge ausgeschlossen. Aus dem Testament ergebe sich zweifelsfrei, daß der Beteiligte zu 1 Erbe sei. Die Beteiligten zu 2 und 3 seien dagegen nicht als Erben eingesetzt. Der Beteiligten zu 3 sei ausschließlich der Pflichtteil zugewendet. Dies bedeute in der Regel keine Erbeinsetzung, ein Ausnahmefall liege hier nicht vor. Das Testament sei von der Erblasserin … verfaßt, die mit dem Begriff „Pflichtteil” habe umgehen können und dessen Bedeutung erkannt habe. Dies zeige der Inhalt d...