Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung eines Testaments
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Auslegung eines Testaments, durch die der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen ist (§ 133 BGB), obliegt den Richtern der Tatsacheninstanzen. Sie bindet das Rechtsbeschwerdegericht, sofern sie alle wesentlichen Umstände berücksichtigt, nach den Denkgesetzen und der Erfahrung möglich ist, mit den gesetzlichen Auslegungsregeln in Einklang steht und dem klaren Sinn und Wortlaut des Testaments nicht widerspricht.
2. Es entspricht allgemeiner Meinung, dass die Zuwendung eines einzelnen Vermögensgegenstandes dann als Erbeinsetzung auszulegen ist, wenn dieser die anderen, im Testament nicht erwähnten Gegenstände an Wert so sehr übertrifft, dass anzunehmen ist, der Erblasser habe diesen Gegenstand als seinen wesentlichen Nachlass angesehen.
Normenkette
BGB § 2087 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Deggendorf (Beschluss vom 01.12.1989; Aktenzeichen T 173/89) |
AG Deggendorf (Aktenzeichen VI 400/89) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Deggendorf vom 1. Dezember 1989 wird zurückgewiesen.
II. Der Beteiligte zu 1 hat die den Beteiligten zu 2, 3, 5 und 6 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 530.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die verwitwete Erblasserin ist am 11.7.1989 im Alter von 75 Jahren verstorben. Ihr einziger Sohn ist bereits 1959 verstorben. Die Beteiligten zu 2 und 3 sind Schwestern der Erblasserin, die Beteiligten zu 4, 5 und 6 Kinder zweier vorverstorbener Geschwister. Die Beteiligten zu 1 und 7 sind Kinder des Beteiligten zu 6; der Beteiligte zu 8 ist ein Sohn der Beteiligten zu 3.
Der Nachlaß besteht aus einem Zweifamilienhaus, dessen Wert nach den Angaben des Beteiligten zu 1 etwa 200.000 DM beträgt, sowie aus Sparguthaben in Höhe von insgesamt rund 600.000 DM.
Die Erblasserin hat am 15.7.1987 eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene, mit „Mein Testament” bezeichnete letztwillige Verfügung mit folgendem Wortlaut
errichtet:
Das Haus … mit Inhalt erhält mein Großneffe (= Bet. zu 1).
Das Sparbuch Nr. … erhält meine Großnichte (= Bet. zu 7).
Das Leibgeding von … (unleserlich) erhält mein Neffe (= Bet. zu 8).
Die Pflichtteile für alle haben sie sich selbst geholt von Mutters Erbe. Vor allem meine Schwester (= Bet. zu 2) hat sich gut selbst bedient.
Das in der Urkunde erwähnte Sparbuch wies nach Mitteilung der Bank am Todestag einen Kontostand von rund 51.000 DM auf.
Gestützt auf das Testament vom 15.7.1987 hat der Beteiligte zu 1 beim Nachlaßgericht einen Erbschein beantragt, der ihn als Alleinerben ausweisen sollte. Gegen diesen Antrag haben die Beteiligten zu 3, 4 und 5 „Einspruch” erhoben, ohne selbst einen Erbscheinsantrag zu stellen. Mit Beschluß vom 5.10.1989 kündigte das Nachlaßgericht an, daß es den beantragten Erbschein erteilen werde. Hiergegen legten die Beteiligten zu 2 bis 6 Beschwerde ein. Am 1.12.1989 hob das Landgericht die Entscheidung des Nachlaßgerichts auf. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1. Er beantragt, den Beschluß des Landgerichts aufzuheben. Die Beteiligten zu 2, 3, 5 und 6 treten dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige weitere Beschwerde ist nicht begründet.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Die Erblasserin habe den Beteiligten zu 1 nicht als Alleinerben eingesetzt. Mit Recht betrachteten die Beschwerdeführer die testamentarischen Zuwendungen an diesen sowie an die Beteiligten zu 7 und 8 lediglich als Vermächtnisanordnungen. Im übrigen sollte nach dem Willen der Erblasserin die gesetzliche Erbfolge eintreten. Diese Auslegung des Testaments stimme mit dem Inhalt der Urkunde überein. Der Beteiligte zu 1 sei nicht „positiv” als Erbe benannt. Ihm sei ebenso wie den Beteiligten zu 7 und 8 nur ein Vermögensgegenstand, nämlich das Haus „mit Inhalt”, zugewendet worden. Unter „Inhalt” sei nur die Einrichtung zu verstehen, nicht jedoch Geld, Wertpapiere und Schmuck. Bereits die Beschränkung auf einen Nachlaßgegenstand spreche für ein Vermächtnis zugunsten des Beteiligten zu 1. Entscheidend für die Testamentsauslegung sei eine Gegenüberstellung der einzelnen Nachlaßgegenstände mit dem Wert des Gesamtnachlasses. Dem Haus mit einem Wert von 200.000 DM und dem erwähnten Sparbuch mit einem Kontostand von rund 50.000 DM stünden weitere Spar- und Wertpapierguthaben in Höhe von rund 550.000 DM gegenüber. Daraus ergebe sich, daß die Erblasserin nur über 1/3 ihres Nachlasses verfügt und für den größeren Teil des Nachlasses keine Verfügung getroffen habe. Das spreche gegen eine Erbeinsetzung, vor allem gegen eine Alleinerbeinsetzung des Beteiligten zu 1. Einer solchen Testamentsauslegung stehe auch der letzte Absatz der Urkunde nicht entgegen. Dieser sei als Begründung dafür zu verstehen, daß einzelne Nachlaßgegenstände den gesetzlichen Erben vorenthalten werden. Die Erblasserin habe damit die Vermächtnisse gerechtfertig...