Entscheidungsstichwort (Thema)
Formerfordernis
Leitsatz (amtlich)
Beim Vorliegen eines äußerlich formgerechten Testaments spricht eine widerlegbare tatsächliche Vermutung dafür, dass der Erblasser das Schriftstück als Testament angesehen hat, dies kann aber durch die Umstände des Einzelfalls in Frage gestellt sein.
Normenkette
BGB § 2247
Verfahrensgang
LG Ansbach (Beschluss vom 12.01.1999; Aktenzeichen 4 T 1174/98) |
AG Ansbach (Beschluss vom 24.09.1998; Aktenzeichen VI 751/97) |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Ansbach vom 24. September 1998 und des Landgerichts Ansbach vom 12. Januar 1999 aufgehoben.
Tatbestand
I.
Die am 23. Juli 1997 im Alter von 74 Jahren verstorbene Erblasserin war verwitwet und kinderlos. Der Nachlaß besteht aus einer Eigentumswohnung und beträchtlichen Bankguthaben.
Das Nachlaßgericht hat insgesamt 20 letztwillige Verfügungen der Erblasserin eröffnet. Die Beteiligten gehören zu dem Kreis der durch diese Testamente – als Erben oder Vermächtnisnehmer – bedachten Personen. Bei dem Beteiligten zu 1 handelt es sich um den Stiefsohn der Erblasserin, den Sohn ihres letzten Ehemannes aus dessen erster Ehe. Die Beteiligten zu 5 bis 7 sind die Kinder des Beteiligten zu 1. Bei der Beteiligten zu 2 handelt es sich um die Nichte (Tochter des noch lebenden Bruders), bei dem Beteiligten zu 3 um den Neffen (Sohn der vorverstorbenen Schwester) der Erblasserin. Der Beteiligte zu 4 ist der Sohn der Beteiligten zu 2.
Die Erblasserin hatte in den Jahren 1972 bis 1987 vier notariell beurkundete Testamente errichtet, die in die besondere amtliche Verwahrung gegeben worden waren. In den Jahren 1989 bis 1994 hatte sie 15 privatschriftliche Testamente verfaßt, die sie teilweise (Testamente vom 28.6.1989, 30.9.1991, 22. und 23.9.1994) in die amtliche Verwahrung gegeben hatte. Zwei Vermächtnisse anordnende letztwillige Verfügungen vom 1. und 2.1.1989 hatte sie offenbar der Vermächtnisnehmerin ausgehändigt; sie wurden von dieser abgeliefert. Die übrigen wurden offenbar im Nachlaß gefunden und von den Beteiligten zu 1, 3 oder 7 abgeliefert. Am 21.5.1997 hatte die Erblasserin noch mit einem auf einen Briefumschlag gesetzten Testament dem Beteiligten zu 1 „die Wohnung seines Vaters”, d.h. die Eigentumswohnung, die sie von ihrem vorverstorbenen Ehemann geerbt hatte, „vererbt”. Dieses Testament hatte der Beteiligte zu 1 in Besitz und am 25.9.1997 abgeliefert.
Aufgrund dieses Testaments und eines im Nachlaß gefundenen undatierten, den Umständen nach aus der Zeit September/Oktober 1994 stammenden Testaments, das nach der Unterschrift der Erblasserin die Worte „Otto ist Erbe” enthält, hatte der Beteiligte zu 1 einen Erbschein als Alleinerbe beantragt. Die Beteiligten zu 2 und 4 hatten einen Erbschein beantragt, der sie als Erben je zur Hälfte ausweisen solle. Sie hatten sich dabei auf das Testament vom 30.9.1991 berufen, mit dem sie – und die durch Testamente vom 22. und 23.9.1994 wieder „enterbten” Beteiligten zu 3, 5, 6 und 7 – als Erben zu gleichen Teilen eingesetzt worden waren.
Das Nachlaßgericht hatte am 9.3.1998 einen Vorbescheid zugunsten der Beteiligten zu 2 und 4 erlassen, das Landgericht die Beschwerde des Beteiligten zu 1 dagegen mit Beschluß vom 8.4.1998 zurückgewiesen. Am 30.6.1998 hat das Nachlaßgericht der Beteiligten zu 2 einen Erbschein erteilt, der sie und den Beteiligten zu 4 als Erben je zur Hälfte ausweist.
Nachdem am 14.7.1998 das in einem Notizbuch niedergelegte, am 4.5.1998 vom Beteiligten zu 1 abgelieferte Schriftstück vom 6.9.1994 eröffnet worden war, hat das Nachlaßgericht diesen Erbschein durch Beschluß vom 24.9.1998 von Amts wegen wieder eingezogen. Es entnahm den Erklärungen in dem Notizbuch, daß die Erblasserin damit die Stiftung E zum Alleinerben eingesetzt habe, und sah keinen Grund zur Annahme, daß es sich nur um einen Testamentsentwurf handle.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 wies das Landgericht mit Beschluß vom 12.1.1999 zurück.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die durch Anwaltsschriftsatz eingelegte weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2.
Sie beantragt, die Beschlüsse des Landgerichts und des Nachlaßgerichts aufzuheben.
Entscheidungsgründe
II.
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 ist zulässig und auch begründet. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 550 ZPO) insofern nicht stand, als das Landgericht annahm, durch die schriftlichen Erklärungen in dem blauen Notizbuch habe die Erblasserin eine schon mit der vollendeten Niederschrift gültige letztwillige Verfügung treffen wollen.
1. Die nicht fristgebundene weitere Beschwerde ist statthaft (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG) und in der nach § 29 Abs. 1 Satz 2 FGG zulässigen Form bei einem der nach § 29 Abs. 1 Satz 1 FGG zuständigen Gerichte eingelegt worden. Das Beschwerderecht der Beteiligten zu 2 ergibt sich aus der Zurückweisung ihrer Erstbeschwerde (§ 29 Abs. 4 i.V.m. § 20 Abs. 1 FGG; Bassenge/ Herbst FGG/RPflG 8. Aufl. § 27 FGG Rn. 7).