Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachlaßsache

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zum Tätigwerden eines beauftragten Richters im Beschwerdeverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

2. Zum Umfang der Amtsermittlung und zur Hinweispflicht an die Beteiligten im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

3. Zum Nachweis von Existenz und Inhalt eines Testaments, dessen Urkunde nicht vorgelegt werden kann.

4. Die formgültige Errichtung eines privatschriftlichen Testaments setzt voraus, daß der niedergeschriebene Text, gegebenenfalls unter Heranziehung eines Sachverständigen, objektiv lesbar ist../.

5. Die Bestimmung des § 2302 BGB ist auf eine einseitige Verpflichtung des Erblassers zur Errichtung, Aufrechterhaltung oder Aufhebung einer Verfügung von Todes wegen entsprechend anzuwenden.

 

Normenkette

FGG §§ 12, 30; BGB §§ 2247, 2302, 2356

 

Verfahrensgang

LG Augsburg (Aktenzeichen 5 T 1832/99)

AG Augsburg (Aktenzeichen VI 1186/97)

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluß des Landgerichts Augsburg vom 20. Juni 2000 aufgehoben.

II. Die Sache wird zur neuen Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Augsburg zurückverwiesen

 

Gründe

I.

Die am 23.3.1997 verstorbene Erblasserin war ledig und kinderlos. Ihr Nachlaß besteht im wesentlichen aus einer Eigentumswohnung.

Die Beteiligten zu 1 und 2 – Nichte bzw. Neffe der Erblasserin – sind Geschwister. Sie machen geltend, die Erblasserin aufgrund letztwilliger Verfügung zur Hälfte bzw. allein beerbt zu haben.

Den Vorinstanzen lagen mehrere von der Erblasserin in bezug auf die Erbfolge eigenhändig geschriebene und unterschriebene Schriftstücke vor:

1. Ein von der Erblasserin beim Amtsgericht in amtliche Verwahrung gegebenes Testament vom 24.5.1990, in dem u. a. bestimmt ist, daß der Beteiligte zu 2 die Eigentumswohnung und die Beteiligte zu 1 DM 30.000,– erhalten sollen.

2. Ein vom Beteiligten zu 2 dem Nachlaßgericht übergebenes Schriftstück, welches das Datum „24.9.93” und die Überschrift „Nachlaß” trägt und folgenden Wortlaut hat:

Nach meinem Ableben soll mein Neffe … (Beteiligter zu 2) meinen gesamten Nachlaß übernehmen. Er hat sich auch um die Beerdigung zu kümmern.

Unter dieser letztwilligen Verfügung vom 24.9.1993 befindet sich ein handschriftlicher von der Erblasserin unterschriebener Vermerk, dessen Schlußzeile wie folgt lautet:

Augsburg 3.2.97

Vor dieser Schlußzeile stehen drei Wörter, deren Bedeutung zweifelhaft ist. Eine zunächst vom Amtsgericht eingeschaltete Schriftsachverständige hat mitgeteilt, sie könne die Textstelle nicht entziffern. Ein daraufhin vom Amtsgericht zur Lesbarkeit befragter weiterer Schriftsachverständiger hat sich dahingehend geäußert, er mutmaße, daß die ersten beiden Wörter „hat umgeändert” oder „hat ungeändert” lauteten. Das folgende dritte Wort könne er nicht entziffern.

Danach sind die Vorinstanzen zu der Auffassung gelangt, die fraglichen drei Wörter seien in der Wortbedeutung „hat ungeändert Gültigkeit” lesbar.

3. Ein von der Beteiligten zu 1 dem Nachlaßgericht übergebenes Schriftstück vom 21.7.1995 mit der Überschrift „Testament”, das auszugsweise wie folgt lautet:

Die Wohnung vermache im Falle meines Todes meiner Nichte … (Beteiligte zu 1) … die Einrichtung meines Zimmers im Altenheim gehört ebenfalls ihr, sowie mein Vermögen im Zeitpunkt meines Todes.

4. Ein von der Beteiligten zu 2 dem Nachlaßgericht übergebenes Schriftstück mit folgendem Wortlaut:

Mein Neffe … (Beteiligter zu 2) erhält unwiderruflich nach meinem Ableben meine Eigentumswohnung. Jedes Später anderslautende Schriftstück hat keine Gültigkeit.

15.1.1996

5. Ein von der Beteiligten zu 1 dem Nachlaßgericht übergebenes Schreiben oder Teilstück eines Schreibens an die Beteiligte zu 1, das kein Datum enthält, von der Erblasserin mit „Deine Dich liebende …!” unterschrieben ist und auszugsweise wie folgt lautet:

Meine liebste … (Beteiligte zu 1), es soll alles so bleiben wie es ausgemacht war. Du sollst alles haben von mir. Das Testament liegt bei der Frau Oberin, Möbel und Geld, wenn ich verstorben bin zum Abholen. Das Grab ist bezahlt.

Dieses Schreiben oder Teilstück eines Schreibens ist der Beteiligten zu 1 nach deren Angaben von der Erblasserin im Jahr 1996 übersandt worden.

Die Beteiligte zu 1 beantragte die Erteilung eines Erbscheins, wonach die Erblasserin von ihr und dem Beteiligten zu 2 je zur Hälfte beerbt worden ist. Sie leitet diese Erbfolge aus einem weiteren Testament her, das die Erblasserin ihr und ihrem Ehemann wiederholt gezeigt habe und nicht vor dem 26.2.1997 errichtet worden sei. Das einschlägige Schriftstück sei von der Erblasserin eigenhändig geschrieben und unterschrieben gewesen, habe die Überschrift „Testament” getragen und etwa folgenden Wortlaut gehabt:

Meinem Neffen … (Beteiligter zu 2) und meiner Nichte … (Beteiligte zu 1) vermache ich im Falle meines Todes die Eigentumswohnung zu gleichen Teilen.

Ein entsprechendes Testament wurde nicht aufgefunden.

Der Beteiligte zu 2 beantragte die Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben ausweisen sollte.

Mit B...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?