Entscheidungsstichwort (Thema)
Testierfähigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Die Frage, ob die Voraussetzungen der Testierunfähigkeit (§ 2229 Abs. 4 BGB) gegeben sind, liegt im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet; insoweit ist die Nachprüfung der Beschwerdeentscheidung auf Rechtsfehler beschränkt.
Normenkette
BGB § 2229 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Augsburg (Beschluss vom 02.09.1996; Aktenzeichen 5 T 3335/96) |
AG Augsburg (Aktenzeichen VI 2344/95) |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3 wird der Beschluß des Landgerichts Augsburg vom 2. September 1996 aufgehoben; die Sache wird zu anderer Behandlung und neuer Entscheidung an das Landgericht Augsburg zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Der geschiedene Erblasser ist im Jahr 1995 im Alter von 83 Jahren verstorben. Der Beteiligte zu 2 ist sein einziger Abkömmling; die Beteiligte zu 3 ist seine Schwester. Er wurde zuletzt von der Beteiligten zu 1 betreut.
In einem privatschriftlichen Testament vom 4.6.1984 hat der Erblasser unter Aufhebung aller früheren letztwilligen Verfügungen seinen Sohn und seine Schwester als Erben zu gleichen Teilen eingesetzt. Mit einem eigenhändig geschriebenen und von ihm unterzeichneten Schriftstück vom 29.4.1987 hat er bestimmt, daß das Geld auf seinem Konto in der Schweiz nicht sein Sohn, sondern Frau R., seine damalige Lebensgefährtin, bekommen solle. Mit notariellem Testament vom 14.7.1987 hob der Erblasser bisher errichtete letztwillige Verfügungen auf und setzte Frau R. als seine alleinige und ausschließliche Erbin ein. Dem Beteiligten zu 2 wendete er vermächtnisweise sein Anwesen zu. Mit einem weiteren notariellen Testament vom 15.12.1992 setzte er unter Aufhebung bisher errichteter letztwilliger Verfügungen erneut Frau R. als Alleinerbin ein und entzog dem Beteiligten zu 2 den Pflichtteil.
Nachdem Frau R. im Jahr 1994 verstorben war und der Erblasser am 22.7.1994 sein Haus verkauft hatte, errichtete er am 12.8.1994 folgende eigenhändig geschriebene und unterschriebene letztwillige Verfügung:
Mein Testament
…
Meinen gesamten Nachlass erbt Frau … (Beteiligte zu 1) Haus Grundstück Inventar
Das Schriftstück wurde von den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 mit der Bemerkung „bei der Schrift muß man wissen, daß Herr … fast blind war” dem Nachlaßgericht vorgelegt.
Am 30.10.1995 bewilligte das Nachlaßgericht einen Erbschein, demzufolge der Erblasser aufgrund privatschriftlichen Testaments vom 12.8.1994 von der Beteiligten zu 1 allein beerbt wurde. Nachdem dem Nachlaßgericht ein Gutachten des Gesundheitsamts vom 19.8.1994 bekannt geworden war, demzufolge der Erblasser zum Zeitpunkt des Hausverkaufs geschäftsunfähig gewesen sei, teilte es den Beteiligten zu 1 und 2 mit, es beabsichtige, den Erbschein einzuziehen, weil der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung „wohl geschäftsunfähig” gewesen sei. Mit Schriftsätzen ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 10.5. und 3.6.1996 beantragte die Beteiligte zu 3, den Erbschein vom 30.10.1995 einzuziehen und ihr einen Erbschein zu erteilen, der sie als Alleinerbin aufgrund Gesetzes ausweisen sollte. Diese Anträge lehnte das Nachlaßgericht mit Beschluß vom 11.6.1996 ab. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Beteiligten zu 3 wies das Landgericht am 2.9.1996 zurück. Die Erbfolge beurteile sich nach dem Testament vom 12.8.1994. Die Beschwerdekammer sei aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen davon überzeugt, daß der Erblasser im Zeitpunkt der Errichtung dieser letztwilligen Verfügung testierfähig gewesen sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3. Die Beteiligten zu 1 und 2 treten dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige weitere Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Ohne Rechtsfehler haben die Vorinstanzen das die Beteiligte zu 1 begünstigende und frühere letztwillige Verfügungen aufhebende (§ 2258 Abs. 1 BGB) Testament vom 12.8.1994 nicht deshalb für unwirksam angesehen, weil der Erblasser in diesem Zeitpunkt testierunfähig gewesen sei. Die Frage, ob die Voraussetzungen der Testierunfähigkeit (§ 2229 Abs. 4 BGB) gegeben sind, liegt im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet; insoweit ist die Nachprüfung der Beschwerdeentscheidung auf Rechtsfehler beschränkt (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zu allem BayObLGZ 1995, 383/388 m.w.N.). Solche sind dem Landgericht nicht unterlaufen. Es hat seine Überzeugung, der Erblasser sei im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung testierfähig gewesen, im wesentlichen auf ein psychiatrisches Sachverständigengutachten gestützt. Insoweit ist ein Rechtsfehler nicht ersichtlich.
2. Gleichwohl hält die Beschwerdeentscheidung der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nicht stand, weil sie keine Feststellungen zu der Frage enthält, ob der Erblasser im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments vom 12.8.1994 lesefähig im Sinn von § 2247 Abs. 4 BGB war.
a) Das Landgerich...