Entscheidungsstichwort (Thema)

Testierfähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Feststellungslast für die behauptete Testierunfähigkeit bei Errichtung eines Testaments, bei dem die Zeitangabe unleserlich ist, und für die Behauptung, der Testierende habe Geschriebenes nicht mehr lesen können.

 

Normenkette

BGB § 2229 Abs. 4, § 2247 Abs. 4

 

Verfahrensgang

AG Rosenheim

LG Traunstein

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Traunstein vom 14. April 1994 wird zurückgewiesen.

II. Der Beteiligte zu 1 hat die der Beteiligten zu 2 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 180.000 DM festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die im Jahre 1990 im Alter von 85 Jahren verstorbene Erblasserin war verwitwet und hatte keine Kinder. Der Beteiligte zu 1 ist der Sohn eines vorverstorbenen Bruders, die Beteiligte zu 2 die Tochter einer vorverstorbenen Schwester. Der Wert des aus Bankguthaben und Wertpapieren bestehenden Reinnachlasses beläuft sich auf rund 180.000 DM.

Die früher in M. lebende Erblasserin wurde im November 1988 zur stationären psychiatrischen Behandlung im Bezirkskrankenhaus aufgenommen. Das Amtsgericht München ordnete am 22.11.1988 Gebrechlichkeitspflegschaft an; als Pflegerin wurde die Beteiligte zu 2 ausgewählt. Nach ihrer Entlassung am 30.11.1988 zog die Erblasserin in ein Alten- und Pflegeheim in E., wo sie – abgesehen von kurzzeitigen Aufenthalten im Bezirkskrankenhaus und im Kreiskrankenhaus im Mai und Juni 1990 – bis zu ihrem Tod lebte.

Am 15.11.1986 errichtete die Erblasserin eine eigenhändige letztwillige Verfügung, die wie folgt lautet:

Testamt

…. 15.11.1986

Brudersohn

F. (Beteiligter zu 1) ist Erbe.

….

Die Beteiligte zu 2 übergab dem Nachlaßgericht eine weitere handschriftliche letztwillige Verfügung, die sich in einem unverschlossenen Umschlag mit der handgeschriebenen Aufschrift „Elfriede M.” (Beteiligte zu 2) befand. Der nur teilweise lesbare Text lautet:

Testamt

E. (= Ortsname)

Schwester Eva

Tochter ist Erbin

Elfriede M. (Beteiligte zu 2)

Testamt

Schwester Eva

……. M.

ist Erbin

……. (= Unterschrift der Erblasserin)

… (= unleserliches Datum)

Gestützt auf die letztwillige Verfügung vom 15.11.1986 beantragte der Beteiligte zu 1 einen Erbschein, der ihn als Alleinerbe ausweisen sollte. Diesem Antrag trat die Beteiligte zu 2 entgegen und beantragte ihrerseits einen Alleinerbschein aufgrund der undatierten letztwilligen Verfügung. Sie behauptet, die Urkunde sei von der Erblasserin eigenhändig errichtet worden und zwar möglicherweise am 19.4.1990. Zu diesem Zeitpunkt sei die Erblasserin testierfähig gewesen. Der Beteiligte zu 1 bezweifelt, daß das Schriftstück von der Erblasserin stamme. Es lasse sich auch nicht feststellen, daß es nach Errichtung des Testaments vom 15.11.1986 geschrieben worden sei. Als Testament sei es jedenfalls wegen Testierunfähigkeit der Erblasserin unwirksam.

Das Nachlaßgericht hat ein psychiatrisches Gutachten des Leitenden Medizinaldirektors B. und ein schriftvergleichendes Gutachten des Sachverständigen W. eingeholt. Mit Beschluß vom 18.2.1993 hat es den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen und angekündigt, daß es den von der Beteiligten zu 2 beantragten Erbschein erteilen werde. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 hörte das Landgericht die beiden Beteiligten persönlich an, vernahm sechs Zeugen und holte schriftliche Stellungnahmen der Ärzte …, sowie ein ergänzendes Gutachten des Sachverständigen B. ein. Mit Beschluß vom 14.4.1994 wies es die Beschwerde des Beteiligten zu 1 zurück, ordnete an, daß dieser die im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten der Beteiligten zu 2 zu erstatten habe und setzte den Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens auf 180.000 DM fest.

Das Nachlaßgericht bewilligte am 2.5.1994 den angekündigten Erbschein; eine Ausfertigung wurde an die Beteiligte zu 2 hinausgegeben.

Gegen den Beschluß vom 14.4.1994 legte der Beteiligte zu 1 am 11.5.1994 weitere Beschwerde ein. Die Beteiligte zu 2 tritt dem Rechtsmittel entgegen.

II.

Die mit dem Ziel der Einziehung des nach Erlaß der Beschwerdeentscheidung erteilten Erbscheins zulässige weitere Beschwerde (vgl. BayObLGZ 1982, 236/239) ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat im wesentlichen folgendes ausgeführt:

Maßgebend für die Erbfolge sei die von der Beteiligten zu 2 vorgelegte letztwillige Verfügung. Die Urkunde genüge den an ein eigenhändiges Testament zu stellenden Anforderungen. Es handle sich um eine Verfügung erbrechtlichen Charakters, die auf einem ernstlichen Testierwillen beruhe. Die Beschwerdekammer sei der Überzeugung, daß sie von der Erblasserin geschrieben und unterschrieben worden sei. Das ergebe sich aus den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen W. Hiergegen habe im Beschwerdeverfahren auch der Beteiligte zu 1 nichts vorgebracht. Der Umstand, daß das Datum unter der Unterschrift nicht lesbar sei, berühre die Formgültigkeit des privatschriftlichen Testaments ebensowen...

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