Leitsatz (amtlich)
Zuständigkeitsbestimmung, wenn zweifelhaft ist, ob ein gemeinsamer Gerichtsstand besteht (Schuldbeitritt in einem Teilzahlungsvergleich, wenn in dem ursprünglichen Vertrag ein ausschließlicher Gerichtsstand vereinbart ist).
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3, § 38
Verfahrensgang
AG München (Aktenzeichen 212 C 3800/03) |
Tenor
Als für die Klage zuständiges gemeinsames Gericht wird das LG München I bestimmt.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte zu 2), eine GmbH mit Sitz in K., und deren in D. wohnhaften Geschäftsführer, den Beklagten zu 1), als Gesamtschuldner auf Zahlung von 7.685,64 Euro in Anspruch. Die Klägerin hatte für die Beklagte zu 2) auf Grund deren Antrags vom 29.11.1999 ein Firmenkonto eröffnet. Dies ermöglichte es der Beklagten zu 2), gegen Rechnung mit einem Zahlungsziel von 30 Tagen in den Niederlassungen der Klägerin einzukaufen. Der Geschäftsbeziehung wurden die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin zugrunde gelegt. Nummer 16 lautet:
„Ist der Kontoinhaber Vollkaufmann, so wird München als ausschließlicher Gerichtsstand vereinbart.”
Die Beklagte zu 2) hat Waren im Werte von 14.274 DM gekauft. Als sie nicht in der Lage war, diese Summe zu begleichen, haben die Klägerin und beide Beklagte einen „Teilzahlungsvergleich” geschlossen. Die Beklagten erkannten an, der Klägerin als Gesamtschuldner gemäß einer beigefügten Forderungsaufstellung 15.359,59 DM nebst Kosten i.H.v. 1.447,10 DM zu schulden und verpflichteten sich zur Rückzahlung dieses Betrages in monatlichen Raten von 500 DM. Die Klägerin hat die nach Zahlung einiger Raten auf Grund der Verfallklausel fällig gewordene Restforderung von 7.685,64 Euro gegen die Beklagten als Gesamtschuldner zunächst im Mahnverfahren geltend gemacht, wobei sie als für ein streitiges Verfahren zuständiges Gericht das AG München benannt hat. Nach Widerspruch der Beklagten wurde der Rechtsstreit an dieses Gericht abgegeben. Das AG München hat darauf hingewiesen, dass es sachlich nicht zuständig sei, weil der Streitwert über 5.000 Euro liege, und dass eine Gerichtsstandsvereinbarung mit dem Beklagten zu 1) nicht vorgetragen sei.
Die Klägerin hat daraufhin ggü. dem AG München beantragt, den Rechtsstreit an das LG München I zu verweisen, und gleichzeitig gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO beim OLG München den Antrag gestellt, das LG München I als auch für den Beklagten zu 1) zuständiges Gericht zu bestimmen.
Das OLG München hat den Antrag nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zuständigkeitshalber an das BayObLG abgegeben.
II.1. Für die Entscheidung über den Bestimmungsantrag ist das BayObLG nach § 36 Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO zuständig.
2. Ein gemeinsamer Gerichtsstand ist zumindest nicht zuverlässig feststellbar:
a) Für die Beklagte zu 2) ist gem. Nr. 16 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin das LG München I ausschließlich zuständig (vgl. BGH NJW 1996, 3013 [3014]). Der „Teilzahlungsvergleich” hat nur Modalitäten der Erfüllung einer sich aus dem ursprünglichen Vertragsverhältnis ergebenden Forderung geregelt und deren Höhe festgestellt; die Gerichtsstandsvereinbarung, die sich sinngemäß auf alle Forderungen aus dem Vertrag über die Eröffnung eines Firmenkontos bezieht (vgl. § 40 Abs. 1 ZPO), gilt daher fort, auch wenn die Höhe der Klageforderung nunmehr allein durch den „Teilzahlungsvergleich” bestimmt wird.
b) Ob der Beklagte zu 1) dadurch, dass er die Verpflichtung der Beklagten zu 2) zur (ratenweisen) Zahlung des kreditierten Kaufpreises durch rechtsgeschäftlichen Schuldbeitritt mit übernahm (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., Überbl. v. § 414 Rz. 2), auch die Gerichtsstandsvereinbarung mit übernommen hat, ist, da in dem „Teilzahlungsvergleich” auf das ursprüngliche Vertragsverhältnis jedenfalls nicht ausdrücklich Bezug genommen wurde, zumindest zweifelhaft (vgl. BGH v. 20.6.1986 – II ZR 56/85, MDR 1986, 649 = NJW 1986, 1438 und dazu die Anmerkungen von Geimer, NJW 1986, 1439 und Roth, IPrax 1987, 141; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 21. Aufl., Rz. 48; Wieczorek/Schütze/Hausmann, ZPO, 3. Aufl., § 38 Rz. 94; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 38 Rz. 10); das AG ist offenbar davon ausgegangen, dass dies nicht der Fall sei. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist aber bereits dann gegeben, wenn ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand nicht zuverlässig festgestellt werden kann (BayObLG v. 10.9.1985 – AllgReg. 38/85, BayObLGZ 1985, 314 [317]; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 36 Rz. 18), zumal wenn das angerufene Gericht die Auffassung vertritt, ein gemeinsamer Gerichtsstand sei nicht gegeben, und als zu bestimmendes Gericht ohnehin nur das möglicherweise bereits zuständige Gericht in Betracht kommt (vgl. nachstehend unter 3.).
3. Im Regelfall kann nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nur ein Gericht bestimmt werden, bei dem einer der zu verklagenden oder bereits verklagten Streitgenossen seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Kommt hinsichtlich eines Streitgenossen eine Klage im allgemeinen Gerichtsstand wegen einer besonder...