Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbscheinsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine zur Einziehung verpflichtende Unrichtigkeit des Erbscheins im Sinn von § 2361 Abs. 1 Satz 1 BGB liegt insbesondere dann vor, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Erbscheins dieses Inhalts schon ursprünglich nicht gegeben waren oder nachträglich nicht mehr vorhanden sind.
2. Zur Frage des Widerrufs zwei sich nicht widersprechender Testamente, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten errichtet wurden.
Normenkette
BGB §§ 2359, 2361
Verfahrensgang
LG Landshut (Beschluss vom 06.07.1988; Aktenzeichen 3 T 487/88) |
AG Landshut (Beschluss vom 13.03.1988; Aktenzeichen VI 900/86) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluß des Landgerichts Landshut vom 6. Juli 1988 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts Landshut vom 13. März 1988 nicht verworfen, sondern zurückgewiesen wird.
II. Der Beteiligte zu 2 hat die dem Beteiligten zu 1 im Verfahren der weiteren Beschwerde erwachsenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 70.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Beteiligte zu 1 ist der Ehemann der Erblasserin, der Beteiligte zu 2 ihr Sohn aus erster Ehe. Auf Antrag beider Beteiligter erteilte das Amtsgericht am 17.9.1986 einen gemeinschaftlichen Erbschein, in dem die Beteiligten zu 1 und 2 als Miterben zu je 1/2 ausgewiesen waren. An den Beteiligten zu 1 wurde am 18.9.1986 eine Ausfertigung, an den Beteiligten zu 2 eine beglaubigte Kopie des Erbscheins hinausgegeben. Mit Anwaltsschriftsatz vom 21.10.1987 legte der Beteiligte zu 1 dem Amtsgericht ein von der Erblasserin hinterlassenes handgeschriebenes Schriftstück mit folgendem Wortlaut vor:
Leztwillige Verfügung:
Ich … (= Mädchenname der Erbl.)
setze zu meinem Alleinerben ein
Herrn … (= Bet. zu 1).
Nachdem die Erblasserin am 30.7.1980 mit dem Beteiligten zu 1 die Ehe geschlossen hatte, errichteten die Eheleute am 1.12.1980 vor einem Münchner Notar ein gemeinschaftliches Testament mit unter anderem folgenden Wortlaut:
I.
Wir … sind in der Verfügung über unseren dereinstigen Nachlaß weder durch ein gemeinschaftliches Testament noch durch einen Erbvertrag beschränkt.
II.
Wir setzen uns gegenseitig zu unseren alleinigen Erben ein. Beim Ableben des Zuerstversterbenden bleiben mithin andere Personen als der Überlebende, die pflichtteilsberechtigt sind oder noch werden, auf ihr gesetzliches Pflichtteilsrecht beschränkt.
III.
Für den Fall unseres gleichzeitigen Ablebens setzen wir beide zum jeweiligen Erben ein das Bayerische Rote Kreuz, Körperschaft des öffentlichen Rechts, ich die Ehefrau … setze das Bayerische Rote Kreuz auch für den Fall zum Erben ein, daß ich der Längerlebende bin, jedoch sind die Erbeinsetzungen in dieser Ziffer im Verhältnis zu der gegenseitigen Erbeinsetzung in Ziffer II nicht wechselbezüglich.
Ich der Ehemann … setze das Bayerische Rote Kreuz ebenfalls für den Fall, daß ich der Längerlebende bin, zum alleinigen Erben ein, aber auch diese Erbeinsetzung ist nicht wechselbezüglich im Verhältnis zu den sonstigen Verfügungen.
IV.
Wir tragen die Kosten und ersuchen um Fertigung einer gemeinschaftlichen Beglaubigten Abschrift und um Zurückbehaltung einer weiteren beglaubigten Abschrift bei der Urkundensammlung des Notars, die nicht verschlossen zu werden braucht.
Den Reinwert unseres Vermögens beziffern wir auf 260.000 DM.
V.
Die Befugnis eines jeden von uns abweichend von Ziffer III von Todes wegen zu verfügen, ist in keiner Weise beschränkt. ….
Dieses Testament nahmen die Eheleute am 11.7.1985 aus der amtlichen Verwahrung zurück.
Mit Beschluß vom 17.3.1988 zog das Amtsgericht den am 17.9.1986 erteilten gemeinschaftlichen Erbschein als unrichtig ein. Maßgeblich für die Erbfolge sei das nachträglich vorgelegte, undatierte handschriftliche Testament, in dem der Beteiligte zu 1 als Alleinerbe bestimmt werde. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 2 hat das Landgericht mit Beschluß vom 6.7.1988 „verworfen”. Das für die Erbfolge maßgebliche undatierte handschriftliche Testament sei durch die spätere Errichtung des gemeinschaftlichen notariellen Testaments nicht widerrufen und durch die Entnahme dieses Testaments aus der amtlichen Verwahrung auch nicht unwirksam geworden.
Gegen diese Entscheidung hat der Beteiligte zu 2 mit Anwaltschriftsatz vom 28.7.1988 weitere Beschwerde eingelegt. Das Landgericht habe nicht berücksichtigt, daß die Erblasserin eine ausschließliche und alleinige Geltung des gemeinschaftlichen notariellen Testaments gewollt habe und daher ihr früheres handschriftliches Testament zu diesem in Widerruf stehe. Der Beteiligte zu 1 tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Die ihm erteilte Ausfertigung des Erbscheins vom 19.9.1986 hatte der Beteiligte zu 1 am 5.11.1987 an das Nachlaßgericht zurückgegeben. Gemäß seinem Antrag vom 20.10.1987 hatte ihm das Nachlaßgericht am 20.7.1988 einen Erbschein als Alleinerbe erteilt. Eine Ausfertigung w...