Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbschaftsannahme
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Zuwendung eines einzelnen Vermögensgegenstands ist im Zweifel keine Erbeinsetzung (§ 2087 Abs. 2 BGB), es sei denn, der Erblasser wollte damit über sein Vermögen als ganzes verfügen. Dies ist im Zweifel anzunehmen, wenn der zugewendete Gegenstand die anderen Vermögensgegenstände an Wert so sehr übersteigt, daß anzunehmen ist, der Erblasser habe im wesentlichen in diesem Gegenstand seinen Nachlaß erblickt.
2. Mit der vor dem Nachlaßgericht abgegebenen Erklärung, die Erbschaft werde angenommen, kann nichts anderes erstrebt und gewollt sein, als endgültig Erbe zu sein und zu bleiben. Eine fehlende Kenntnis des Ausschlagungsrechts stellt sich daher als bloßer Rechtsirrtum dar, der nach allgemeiner Ansicht unbeachtlich ist und nicht zur Anfechtung berechtigt.
3. Der nicht erkannte Eintritt einer zusätzlichen Rechtswirkung, z.B. pflichtteilsrechtlicher Folgen der Erbschaftsannahme, ist als Motivirrtum anzusehen und daher unbeachtlich.
Normenkette
BGB § 119 Abs. 1, § 1957
Verfahrensgang
LG Deggendorf (Beschluss vom 20.04.1994; Aktenzeichen T 28/94) |
AG Deggendorf (Aktenzeichen VI 672/92) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Deggendorf vom 20. April 1994 wird zurückgewiesen.
II. Der Beteiligte zu 1 hat dem Beteiligten zu 3 die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 63 000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten zu 1 bis 3 sind die Kinder des im Jahr 1992 im Alter von 82 Jahren verstorbenen Erblassers und seiner im Jahr 1984 vorverstorbenen Ehefrau. Die Ehegatten haben im Jahr 1973 mit dem Beteiligten zu 3 einen Erbvertrag geschlossen. In Nr. I der notariellen Urkunde erklärten sie, sie hätten ihr landwirtschaftliches Anwesen an ihren Sohn A.
(Beteiligter zu 3) übergeben, mit Ausnahme des Grundstücks FlSt. 1463 und einer amtlich erst zu vermessenden Grundstücksfläche aus FlSt. 1455. In Nr. II vereinbarten sie im Weg des Erbvertrags:
Der Längstlebende von uns … vermacht hiermit
das Grundstück FlSt. 1463 … und die aus FlSt. 1455 … nicht mitübergebene Grundstücksfläche unserem Sohn A. (Beteiligter zu 3).
Die Kosten der Vermächtniserfüllung und eine etwa anfallende Steuer hat der Vermächtnisnehmer selbst zu tragen. Einen Ersatzvermächtnisnehmer bestimmen wir nicht.
Der Beteiligte zu 3 nahm diese Bestimmungen vertraglich an.
Am 15.12.1986 vereinbarte der Erblasser mit seinem Kreditinstitut durch Vertrag zugunsten Dritter, daß alle Rechte aus den dort geführten Konten mit seinem Tod auf seine drei Kinder zu gleichen Teilen übergehen sollten, ohne in den Nachlaß zu fallen. Nach dem Tod des Erblassers wurden aufgrund dieser Vereinbarung an jeden der Beteiligten rund 7 900 DM ausgezahlt. Weiteres Vermögen hatte der Erblasser nicht.
In der Nachlaßverhandlung vom 12.1.1993 waren die drei Beteiligten persönlich anwesend. Der Erbvertrag von 1973 wurde durch Verkündung eröffnet und zur Einsicht vorgelegt. Die Beteiligten erklärten zur Niederschrift des Rechtspflegers, der Erbvertrag enthalte lediglich die Anordnung eines Vermächtnisses zugunsten des Beteiligten zu 3, nicht eine Erbeinsetzung. Aufgrund gesetzlicher Erbfolge werde der Erblasser daher von den Beteiligten zu je 1/3 beerbt. Ferner erklärten sie, die Erbschaft werde angenommen, und stellten Erbscheinsantrag. Das Nachlaßgericht bewilligte am 12.1.1993 einen Erbschein, der die Beteiligten zu 1 bis 3 als Miterben zu je 1/3 ausweist, und gab diesen anschließend hinaus.
Mit Schreiben vom 2.8.1993 wandten sich die Beteiligten zu 1 und 2 an das Nachlaßgericht. Sie erklärten, sie hätten erst durch das Schreiben eines Rechtsanwalts vom 2.7.1993 von der Möglichkeit erfahren, den mit einem Vermächtnis beschwerten Erbteil auszuschlagen und den Pflichtteil zu verlangen. Die erbvertraglich dem Beteiligten zu 3 zugewendeten Grundstücke seien entgegen dessen Angaben vor dem Nachlaßgericht nicht nur Ackerland im Wert von 15 000 DM, sondern wertvolles Baugelände. Der Rechtspfleger des Nachlaßgerichts wies die Beteiligten zu 1 und 2 mit Schreiben vom 6.8.1993 auf die Möglichkeit einer Anfechtung der Erbschaftsannahme und deren Voraussetzungen hin. Mit Erklärungen vom 13.8.1993, beim Nachlaßgericht eingegangen am 16.8.1993, fochten die Beteiligten zu 1 und 2 die Annahme der Erbschaft an, weil ihnen im Termin vom 12.1.1993 die Möglichkeit der Ausschlagung nicht bekannt gewesen sei. Zur Prüfung der Wirksamkeit der Anfechtungserklärungen legte der Rechtspfleger die Akten dem Nachlaßrichter vor und führte aus, im Termin vom 12.1.1993 habe der Beteiligte zu 3 auf die ausdrückliche Nachfrage, ob es sich nicht um Bauland oder Bauerwartungsland handle, den Wert der Grundstücke mit insgesamt 15 000 DM angegeben. Dem hätten die Beteiligten zu 1 und 2 auf gesonderte Nachfrage hin nicht widersprochen. Da unter Berücksichtigung der durch Vertrag zugunsten Dritter zugewendeten Beträ...