Leitsatz (amtlich)
1. Hat der Erblasser verfügt, daß sein „sämtliches Hab und Gut” für einen caritativen Zweck „der Kirche” zufallen soll, und fehlen Anhaltspunkte für einen anderen Willen des Erblassers, so ist davon auszugehen, daß dieser unter „Kirche” die kirchliche Organisation verstanden hat, der er selbst angehörte. Zur Ermittlung der Kirchenzugehörigkeit in einem solchen Fall.
2. Ist die Einsetzung der Kirche in diesem Fall mit dem Zusatz „oder einer Stadtverwaltung” verbunden und ist nicht feststellbar, welche Stadtverwaltung der Erblasser bedenken wollte, so kann dieser Zusatz als Ersatzerbeneinsetzung ausgelegt werden, wenn sich aus den Umständen, insbesondere dem Zweck der Zuwendung ergibt, daß der Erblasser vorzugweise die Kirche bedenken wollte.
3. Zur notwendigen Beteiligung gesetzlicher Erben im Beschwerdeverfahren, wenn die Wirksamkeit eines Testaments in Frage steht.
Normenkette
BGB §§ 133, 2065, 2073, 2085, 2096, 2358; FGG § 12
Verfahrensgang
LG München II (Beschluss vom 06.04.1998; Aktenzeichen 6 T 1255/97) |
AG Fürstenfeldbruck (Aktenzeichen VI 509/95) |
Tenor
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluß des Landgerichts München II vom 6. April 1998 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die am 1.6.1995 im Alter von 84 Jahren verstorbene Erblasserin war geschieden und kinderlos. Die Beteiligten zu 2 bis 6 sind Kinder ihrer beiden vorverstorbenen Brüder. Sie kommen als gesetzliche Erben in Betracht. Laut Melderegister war die Erblasserin evangelischen Bekenntnisses.
Die Erblasserin hat ein handschriftliches Testament verfaßt, daß das Datum 12.9.1966 trägt und auszugsweise wie folgt lautet:
Nach meinem Tode soll mein sämtliches Hab und Gut der Kirche oder einer Stadtverwaltung zufallen, die es für einen besonderen Zweck zu verwenden hat:
Das von mir durch harte Anstrengungen erworbene und unter sehr großem Verzicht ersparte Geld soll zur Gründung eines offenen Hauses, eines Heimes, eines sogen. Alleinstehenden-Amtes zu Nutz und Frommen der allein auf sich selbst gestellten erwachsenen Menschen dienen, die keinen Lebensgefährten … haben und die Anforderungen des Lebens ganz allein bewältigen müssen. …
Vor allem möge auch von dieser Stätte aus in das Bewußtsein der Menschen eingeprägt werden, daß – entgegen der Staatsräson, aber entsprechend des christlichen Grundsatzes – im Mittelpunkt allen Geschehens, das Maß aller Dinge der Mensch in seiner Vereinzelung stehe und sei – und nicht das Kollektiv, die Gruppe, nicht die Familie. Die Gewaltherrschaft der Familie ist das größte Verbrechen am „Menschen”. …
[Es folgt vor der Unterschrift eine Aufstellung der Nachlaßgegenstände, die durchgestrichen ist. Am seitlichen und unteren Rand ist vermerkt:] Dieser Nachlaß hat sich geändert, 10.2.1987. Diese Seite ist ungültig, 10. Februar 1987 (Unterschrift).
[Auf einem vierten Blatt ist unter anderem vermerkt:]
„Ich möchte hoffen, daß dieser von mir gemachte Anfang weiter ausgebaut werden möge bis sich in jeder größeren Stadt so ein offenes Haus ein Alleinstehenden-Amt zu Nutz und Frommen des völlig alleinstehenden Menschen befindet.”
Das Testament war 1995 in einem Umschlag in die besondere amtliche Verwahrung gegeben worden. In dem Umschlag befand sich außerdem unter anderem ein maschinenbeschriebenes Blatt, aus dem hervorgeht, daß die Erblasserin der Meinung war, sie sei von ihrer Mutter gegenüber den Brüdern und insbesondere deren Familie benachteiligt worden. Auf der Rückseite ist vermerkt: „Sehr wichtig; über die eingeheirateten Parasiten”.
Die Beteiligte zu 1, die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern, ist der Auffassung, sie sei, da die Erblasserin evangelischen Bekenntnisses gewesen sei, in dem Testament zur Alleinerbin eingesetzt, und hat einen entsprechenden Erbschein beantragt. Demgegenüber sind die Beteiligten zu 2 bis 5 der Meinung, das Testament sei unwirksam, und haben jeweils Teilerbscheine als gesetzliche Erben beantragt. Die Erblasserin habe sich in verschiedener Beziehung seltsam benommen und sei testierunfähig gewesen. Darüber hinaus habe sie keinen bestimmten Erben eingesetzt, so daß die Verfügung schon mangels Bestimmtheit unwirksam sei.
Das Nachlaßgericht hat mit Vorbescheid vom 28.1.1997 einen Erbschein angekündigt, der die Beteiligte zu 1 als Alleinerbin ausweisen soll. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 2 hat das Landgericht mit Beschluß vom 6.4.1998 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2. Das Nachlaßgericht hat entsprechend seiner Ankündigung unter dem 11.5.1998 einen Erbschein ausgefertigt und am 12.5.1998 eine Ausfertigung an die Beteiligte zu 1 hinausgegeben.
Entscheidungsgründe
II.
Die weitere Beschwerde ist, nachdem der im Vorbescheid angekündigte Erbschein inzwischen hinausgegeben und damit erteilt ist, mit dem Ziel der Einziehung dieses Erbscheins statthaft und in diesem Sinn auszulegen (vgl. BayObLGZ 1982, 236/239 und 1996, 69/73). Sie ist auch im übrigen zulässig, jedoch in der Sache nicht begr...