Entscheidungsstichwort (Thema)
Testierfähigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Bei einer an Altersdemenz leidenden Person können die Voraussetzungen der Testierfähigkeit nur aufgrund des Gesamtverhaltens und des Gesamtbildes der Persönlichkeit im Zeitpunkt der Testamentserrichtung festgestellt werden können. Bestimmte Abbauerscheinungen aufgrund der Altersdemenz können durch eine äußere „Fassade” verdeckt und überspielt werden.
Normenkette
BGB § 2229 Abs. 4
Verfahrensgang
LG München II (Beschluss vom 19.04.1996; Aktenzeichen 6 T 1197/94) |
AG Dachau (Aktenzeichen VI 404/92) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 und 3 gegen den Beschluß des Landgerichts München II vom 19. April 1996 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten zu 2 und 3 haben die dem Beteiligten zu 1 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 200.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die im Alter von 76 Jahren verstorbene Erblasserin schloß am 25.10.1988 mit ihrem Lebensgefährten einen notariellen Erbvertrag, in dem sie ihren Sohn, den Beteiligten zu 1, zum Alleinerben einsetzte.
Der Lebensgefährte der Erblasserin starb am 14.10.1990. Am 6.4.1992 errichtete die Erblasserin ein handschriftliches Testament mit folgendem Inhalt:
„Hiermit setze ich … (Beteiligter zu 2) und … (Beteiligte zu 3) als Erben meines gesamten Vermögens ein. Das Barvermögen soll nicht in den Nachlaß fallen! Beide Erben zu zur Hälfte! Alle bisherigen, Testamente, sind hiermit ungültig!”
Am 31.8.1992 bewilligte das Nachlaßgericht dem Beteiligten zu 1 einen Erbschein, der ihn als Alleinerbe auswies. Nach Vorlage des Testaments vom 6.4.1992 durch die Mutter der Beteiligten zu 2 und 3 zog das Nachlaßgericht den Erbschein vom 31.8.1992 mit Beschluß vom 16.9.1992 als unrichtig ein.
Am 27.12.1993 erließ das Nachlaßgericht einen Vorbescheid, in dem der auf das Testament vom 6.4.1992 gestützte Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2 und 3 zurückgewiesen und angekündigt wurde, daß dem Beteiligten zu 1 ein Erbschein als Alleinerbe erteilt werde, sofern nicht gegen den Beschluß binnen zwei Wochen Beschwerde eingelegt werde.
Gegen den Beschluß legten die Beteiligten zu 2 und 3 Beschwerde ein, die das Landgericht am 19.4.1996 zurückwies. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 und 3.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige weitere Beschwerde ist nicht begründet.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Der Beteiligte zu 1 sei aufgrund des Erbvertrags vom 25.10.1988 Alleinerbe der Erblasserin geworden. Das dem Erbvertrag widersprechende Testament vom 6.4.1992 sei mangels Testierfähigkeit der Erblasserin unwirksam. Aufgrund eines ausgeprägten hirnorganischen Psychosyndroms sei die Erblasserin im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments in ihrer psychischen Leistungsfähigkeit so schwer beeinträchtigt gewesen, daß sie nicht mehr in der Lage gewesen sei, sich über die Tragweite und sittliche Berechtigung ihrer letztwilligen Verfügung ein klares Urteil zu bilden.
2. Die Feststellung des Landgerichts, die Erblasserin sei im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments nicht testierfähig gewesen, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
a) Die Frage, ob die Voraussetzungen der Testierfähigkeit (§ 2229 Abs. 4 BGB) gegeben sind, liegt im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Die damit verbundene Tatsachenwürdigung des Beschwerdegerichts darf daher im Verfahren der weiteren Beschwerde nur in beschränktem Umfang, nämlich nur auf Rechtsfehler überprüft werden (BayObLGZ 1995, 383/389 und ständige Rechtsprechung).
b) Das Landgericht hat den für die Frage der Testierfähigkeit der Erblasserin maßgeblichen Sachverhalt hinreichend ermittelt (§ 12 FGG, § 2358 Abs. 1 BGB).
aa) Es hat das Gutachten eines Sachverständigen eingeholt, wie dies insbesondere dann, wenn die Testierfähigkeit verneint wird, geboten ist, und als Sachverständigen einen berufserfahrenen Arzt beauftragt, der als ehemaliger Landgerichtsarzt und als Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Rechtsmedizin die erforderliche fachliche Kompetenz nachweisen kann.
bb) Das Landgericht hat sich Klarheit über den medizinischen Befund verschafft (BayObLG FamRZ 1994, 593/594). Es hat die Ärzte angehört, die die Erblasserin vor und in der Zeit der Errichtung des Testaments behandelt haben, und die Zeugen vernommen, die Auskunft über ihren Zustand geben konnten. Der Sachverständige war auch bei den Zeugenaussagen im Rahmen der Anhörung durch das Landgericht anwesend.
c) Die Feststellung des Landgerichts, die Erblasserin sei im Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierunfähig gewesen, beruht auf einer möglichen tatrichterlichen Würdigung des Beweisergebnisses. Sie ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (BayObLGZ 1995, 383/390).
aa) Es ist allgemein anerkannt, daß bei einer an Altersdemenz leidenden Person die Voraussetzungen der Testierfähigkeit nur aufgrund des Gesamtverhaltens und des Gesamtbildes der Persönlichkeit im Zeitpunkt der Testamentserrichtung fes...