Entscheidungsstichwort (Thema)
Testament
Leitsatz (redaktionell)
Erfolgt die Abgabe einer Rücktrittserklärung in einem „ lichten Intervall” ist sie trotz im übrigen einer festehender Geschäftsunfähigkeit wirksam.
Normenkette
BGB §§ 104, 2229 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 20.06.1995; Aktenzeichen 13 T 5109/94) |
AG Hersbruck (Aktenzeichen VI 598/92) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20. Juni 1995 wird zurückgewiesen.
II. Der Beteiligte zu 1 hat den Beteiligten zu 2 und 3 die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 546 593 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die im Alter von 86 Jahren verstorbene Erblasserin war verwitwet und kinderlos. Gemeinsam mit ihrem vorverstorbenen Ehemann hatte sie zu notarieller Urkunde vom 11.2.1980 mit den Beteiligten zu 2 und 3, einem in ihrem Haus wohnenden Ehepaar, einen Pflege- und Erbvertrag geschlossen. In Abschnitt I der Urkunde ist festgestellt, die Erblasserin und ihr Ehemann (Ehegatten R.) seien Eigentümer des Wohnhausgrundstücks H. in der nähe von Nürnberg und einer Reihe unbebauter Grundstücke. In Abschnitt II verpflichteten sich die Beteiligten zu 2 und 3 (Ehegatten I.) im Hinblick auf ihre nachfolgende Erbeinsetzung, für die Ehegatten R. auf deren Lebensdauer im Haus H. alle häuslichen Arbeiten im weitesten Sinn zu verrichten, die zu einem ordnungsgemäßen Lebensunterhalt notwendig und sachdienlich sind, alle notwendigen Gänge zu besorgen, sie bei Krankheit, Hilflosigkeit und im Alter zu warten und zu pflegen sowie die vollständige freie Verköstigung zu gewähren. Sollte sich jedoch ergeben, daß einer der Ehegatten R. aus zwingenden ärztlichen Gründen in einem Pflegeheim untergebracht werden müßten, so sollte die Verpflichtung zur Gewährung von Wart und Pflege sowie freier Verköstigung in Wegfall kommen. In dem mit dem Pflegevertrag verbundenen Erbvertrag (Abschnitt III der Urkunde) stellten die Beteiligten unter Nr. 1 fest, daß es bei der von den Ehegatten R. im Jahr 1955 erbvertraglich vereinbarten gegenseitigen Erbeinsetzung sein Bewenden haben solle. In Nr. 2 bestimmte der Überlebende der Ehegatten R. zu seinen Erben die Ehegatten I. (Beteiligte zu 2 und 3) als Berechtigte zu gleichen Anteilen. In Nr. 3 wurde vereinbart, zum Nachlaß des Überlebenden gehörende unbebaute Grundstücke seien von den Erben im Weg des unentgeltlichen Vermächtnisses an die gesetzlichen Erben des Überlebenden zu übereignen. Die Ehegatten R. bzw. der Überlebende von ihnen sollte jedoch berechtigt sein, diese Vermächtnisanordnung jederzeit nach Belieben einseitig aufzuheben, zu ändern oder zu ergänzen. Abschnitt IV der Urkunde lautet:
Sollten die Ehegatten I. die in Abschnitt II dieser Urkunde übernommenen Verpflichtungen zur Gewährung von Wart und Pflege und freier Verköstigung objektiv nicht ordnungsgemäß erfüllen, so sind die Ehegatten R. zum Rücktritt vom vorstehenden Erbvertrag berechtigt, wobei die Beweislast den Ehegatten I. obliegt. Ausdrücklich wird jedoch vereinbart, daß ein Rücktrittsrecht der Ehegatten R. nicht besteht, wenn sie in einem Alten- oder Pflegeheim untergebracht werden müssen.
…
Der Ehemann der Erblasserin verstarb 1983. Die Erblasserin errichtete am 20.11.1984, am 18.5.1989 und am 2.10.1990 notarielle Testamente, in denen sie Vermächtnisanordnungen hinsichtlich ihrer unbebauten Grundstücke traf. Im Dezember 1991 erlitt die Erblasserin eine Oberschenkelhalsfraktur und wurde anschließend im Krankenhaus R. stationär behandelt. Das Krankenhaus veranlaßte wegen häufig auftretender Verwirrtheitszustände und Desorientierung ihre amtsärztliche Begutachtung zur Bestellung eines Betreuers. Am 11.2.1992 wurde die Erblasserin durch eine Ärztin des Staatlichen Gesundheitsamts untersucht. Diese stellte fest, die Erblasserin sei zur Zeit weder geh- noch stehfähig. Sie lebe allein und habe mit einer Familie I. einen Übergabevertrag, dessen Inhalt nicht bekannt sei. Familie I. habe erklärt, die Erblasserin habe auf Lebenszeit Wohnrecht, jedoch müsse von ihnen keine Pflege geleistet werden; sie hätten inzwischen einen Platz in einem Pflegeheim am Wohnort der Erblasserin gefunden. Die Erblasserin selbst reagiere jedoch sehr ablehnend auf eine Heimunterbringung. Es liege bei ihr eine fortgeschrittene Cerebralsklerose mit Verwirrtheitszuständen vor; sie sei als geschäftsunfähig anzusehen, die Errichtung einer Betreuung sei dringend erforderlich. Die Sachverständige schlug vor, den Beteiligten zu 1, einen Neffen der Erblasserin, mit dem sie ein längeres Telefongespräch geführt habe, als Betreuer zu bestellen. Der Beteiligte zu 1 lebt in der Nähe von Hamburg. Er übermittelte dem Vormundschaftsgericht am 12.2.1992 den Pflege- und Erbvertrag und beantragte, als Betreuer der Erblasserin bestellt zu werden. Seine Tante könne bei ihm oder in einem nahegelegenen Seniorenheim wohnen. Am 13.2.1992 hörte der Vormundschaf...