Leitsatz (amtlich)

1. Anforderungen an die Ermittlung des Testierwillens bei Verfügung: "Ich habe erbberechtigte Verwandte mit Namen St."

2. Zum Umfang der gerichtlichen Aufklärungspflicht bei Anhaltspunkten für eine etwaige Testierunfähigkeit des Erblassers im Fall eines undatierten Testaments.

 

Verfahrensgang

LG Bayreuth (Beschluss vom 17.12.2003; Aktenzeichen 41 T 53/03, 41 T 55/03)

AG Bayreuth (Aktenzeichen VI 1004/01)

 

Tenor

Auf die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 1) und 2 wird der Beschluss des LG Bayreuth vom 17.12.2003 aufgehoben. Die Sache wird zu anderer Behandlung und neuer Entscheidung an das LG Bayreuth zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Die am 2000 im Alter von 83 Jahren verstorbene Erblasserin war kinderlos und hatte keine Geschwister. Aufgrund ihrer Ehe mit einem 1977 verstorbenen Holländer erwarb sie die holländische Staatsangehörigkeit, ihr ständiger Wohnsitz war aber in Deutschland. Die Beteiligten sind weitläufige Verwandte fortgeschrittenen Alters, die als gesetzliche Erben in Betracht kommen.

Die Erblasserin hatte mit ihrem Ehemann am 5.3.1968 ein gemeinschaftliches Testament errichtet, wonach sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und dem Überlebenden freie Hand gelassen hatten.

In einem Umschlag, auf dem die Erblasserin handschriftlich vermerkte: "Erbwünsche von mir geschrieben: am 22.7.1989", wurden zwei von der Erblasserin handschriftlich verfasste Zettel gefunden. Der eine weist das Datum 25.10.1978 auf und enthält unter der Überschrift "Mein letzter Wille Testament" verschiedene - zum Teil wieder aufgehobene - Vermächtnisse sowie Anordnungen und endet mit dem Text "geschrieben u. Unterschrift von - ". Auf dem zweiten Zettel ist handschriftlich angeordnet, dass die der Erblasserin gehörende Garage die kommenden 50 Jahre nicht an bestimmte Personen veräußert werden dürfe. Diese mit Ortsangabe und Datum vom 22.7.1989 getroffene Verfügung ist von der Erblasserin unterschrieben. Nach der Unterschrift folgt links unten die Aufforderung "bitte wenden". Auf der Rückseite findet sich handschriftlich nachfolgender Wortlaut samt Unterschrift der Erblasserin:

Ich habe erbberechtigte Verwandte mit Namen St. (Name des Beteiligten zu 3)).

Mein Grab muss 25 Jahre mit echten Blumen bepflanzt werden.

Aufgrund dieser Niederschrift beantragte der Beteiligte zu 3), einziger Überlebender der Familie St. ihm einen Alleinerbschein aufgrund testamentarischer Erbfolge zu erteilen. Die Beteiligten zu 1) und 2) traten dem entgegen. Sie streben einen Erbschein an, der die gesetzliche Erbfolge durch die Beteiligten zu je 1/3 bezeugt.

Das Nachlassgericht erhob Beweis durch Einvernahme verschiedener Zeugen sowie der Beteiligten. Mit Vorbescheid vom 30.4.2003 kündigte es die Erteilung eines Alleinerbscheins zugunsten des Beteiligten zu 3) an. Die Beteiligten zu 1) und 2) legten gegen den Vorbescheid jeweils Beschwerde ein, die das LG mit Beschluss vom 17.12.2003 zurückwies. Gegen diese Entscheidung wenden sich die Beteiligten zu 1) und 2) jeweils mit der weiteren Beschwerde.

II. Die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 1) und 2) sind zulässig und haben auch in der Sache Erfolg.

1. Das LG hat auf die Entscheidung des Nachlassgerichts Bezug genommen, wonach auch unter Berücksichtigung der holländischen Staatsangehörigkeit der Erblasserin von der Anwendung des deutschen Erbrechts auszugehen sei. Das LG nimmt in Übereinstimmung mit dem Nachlassgericht an, dass die Niederschrift auf der Rückseite des Zettels vom 22.7.1989 mit Testierwillen vorgenommen worden sei. Dafür spreche die Aufschrift "Erbwünsche von mir geschrieben: am 22.7.1989" auf dem Briefumschlag, in dem die entsprechende testamentarische Verfügung enthalten gewesen sei. Das Testament sei dahin auszulegen, dass der Beteiligte zu 3) als einziger noch Überlebender der benannten Familie St. zum Alleinerben eingesetzt sei. Zwar lasse der Wortlaut "Ich habe erbberechtigte Verwandte -" die Möglichkeit zu, dass lediglich ein Hinweis auf die gesetzliche Erbfolge erfolgt sei. Demgegenüber spreche für eine Erbeinsetzung, dass die Erblasserin ggü. einer Zeugin zunächst nur die Familie St. als mögliche Erben erwähnt habe und auch nur diese in der testamentarischen Verfügung Erwähnung gefunden habe, während die auch als gesetzliche Miterben in Betracht kommenden Beteiligten zu 1) und 2) nicht benannt worden seien, obwohl die Erblasserin von deren Existenz gewusst habe. Möglicherweise habe die Erblasserin mit ihrer Formulierung zum Ausdruck bringen wollen, dass die Familie des Beteiligten zu 3) an sich schon zu den gesetzlichen Erben gehöre. Anhaltspunkte, dass die Erblasserin bei Niederschrift des zugunsten des Beteiligten zu 3) errichteten Testaments nicht testierfähig gewesen sei, bestünden nicht.

2. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) nicht in vollem Umfang stand. Das LG ist seiner Aufklärungspflicht (§ 12 FGG, § 2358 BGB) bezüglich der Testierfähigkeit der Erblasserin (§ 2229 Abs. 4 BGB) nicht in gebotenem ...

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