Leitsatz (amtlich)

Die Anordnung einer Nachlasspflegschaft kann gerechtfertigt sein, wenn das Nachlassgericht es für geboten erachtet, wegen der besonderen Umstände des Einzelfalles (hier: gewaltsamer Tod des Erblassers und strafrechtliche Ermittlungen gegen die als Alleinerbin eingesetzte Ehefrau) vor der Erteilung des Erbscheins andere möglicherweise als Erben in Betracht kommende Personen zu ermitteln und anzuhören.

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 18.09.2003; Aktenzeichen 7 T 4642/03)

AG Nürnberg (Aktenzeichen VI 1387/03)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 18.9.2003 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird vorläufig auf 2.000.000 Euro festgesetzt.

III. Die Geschäftswertfestsetzung des LG wird von Amts wegen dahin abgeändert, dass der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren vorläufig auf 2.000.000 Euro festgesetzt wird.

 

Gründe

I. Der kinderlose Erblasser verstarb am 28.3.2003 im Alter von 76 Jahren an den Folgen der Verletzungen, die ihm am 5.1.2003 bei einem Überfall in seiner Wohnung durch Misshandlungen zugefügt worden waren. Er war von seiner ersten Ehefrau geschieden und seit 1996 in zweiter Ehe mit der 1971 geborenen Beteiligten verheiratet.

Der Erblasser hinterließ zwei handschriftlich verfasste und eigenhändig unterschriebene Testamente. In seinem Testament vom 8.11.1980 bestimmte der damals in erster Ehe verheiratete Erblasser für den Fall, dass er zusammen oder nach seiner Frau stirbt, zu Alleinerben seines gesamten Vermögens namentlich genannte Verwandte mütterlicherseits und väterlicherseits. Im Testament vom 19.9.1998 setzte er seine (zweite) Ehefrau, die Beteiligte, zu seiner „alleinigen und ausschließlichen Erbin” ein.

Die Beteiligte wurde im April 2003 in Untersuchungshaft genommen. Der Haftbefehl vom 11.4.2003 wurde zunächst auf den dringenden Tatverdacht der Anstiftung zum Raub mit Todesfolge zum Nachteil ihres verstorbenen Ehemannes gestützt: Die Beteiligte sei im Frühjahr 2002 aus der ehelichen Wohnung ausgezogen und habe sich seitdem mit ihrem neuen Lebensgefährten überwiegend in Marbella/Spanien aufgehalten. Der Verstorbene habe ihr keine Geldmittel mehr zur Verfügung gestellt und sich mit Scheidungsgedanken getragen. Die Beteiligte habe befürchtet, dass sie nicht mehr als Erbin des Vermögens ihres Ehemannes bedacht werden würde, und habe deshalb von ihrem damaligen Aufenthaltsort die zur Durchführung des Überfalls erforderlichen Informationen weitergegeben.

Mit Beschluss vom 1.7.2003 verwarf das LG die Beschwerde der Beteiligten gegen die Haftfortdauer als unbegründet mit der Maßgabe, dass die Beteiligte nunmehr dringend verdächtig sei, mit anderen gemeinschaftlich handelnd eine Nötigung und eine Körperverletzung mit Todesfolge sowie versuchten Versicherungsmissbrauch begangen zu haben. Die Beteiligte habe den Entschluss gefasst, den in ihrem Eigentum stehenden und auf sie zugelassenen Pkw Daimler Benz SL 500 einer international operierenden Autoschieberbande zu überlassen, um dieses Fahrzeug anschließend bei der Versicherung als gestohlen zu melden und die ausgekehrte Versicherungssumme für sich zu verbrauchen. Nachdem sich ihr Ehemann nachdrücklich geweigert habe, das bei ihm abgestellte Fahrzeug nebst Fahrzeugschlüsseln und Fahrzeugbrief herauszugeben, habe die sich in finanzieller Bedrängnis befindliche Beteiligte den Plan gefasst, das Fahrzeug nebst Schlüssel ihrem Ehemann unter Androhung und ggf. auch Anwendung von Gewalt abnehmen zu lassen. Das OLG Nürnberg hat die weitere Haftbeschwerde der Beteiligten mit Beschluss vom 5.8.2003 verworfen.

Am 29.4.2003 beantragte die Beteiligte die Erteilung eines Alleinerbscheins. Gleichzeitig erklärte sie für den Fall, dass das Gericht den Erbschein nicht zeitnah erteilen könne, ihr Einverständnis mit der Errichtung einer Nachlasspflegschaft, soweit – was für diesen Fall ausdrücklich beantragt werde – ihr Steuerberater zum Nachlasspfleger bestellt werde.

Der Nachlassrichter unterzeichnete den vom Rechtspfleger vorbereiteten Bewilligungsbeschluss nebst Erbschein nicht. Er leitete die Akten am 29.4.2003 an den Rechtspfleger mit dem Bemerken zurück, dass ein Erbschein seines Erachtens derzeit nicht erteilt werden könne. Im Hinblick auf den gegen die Beteiligte erhobenen Tatvorwurf (damals: Anstiftung zum Raub mit Todesfolge) sei es notwendig, die anderen möglichen Erben zum Erbscheinsantrag zu hören. Er bitte den Rechtspfleger daher um Feststellung der Personen, die außer der Beteiligten als Erben in Betracht kämen, und um Anhörung dieser Personen. Erst nachdem diesen rechtliches Gehör gewährt worden sei, werde ein Erbschein zu erteilen sein. Gegebenenfalls werde der Rechtspfleger um Bestellung eines Nachlasspflegers gebeten, wenn dies zur Verhinderung von Schäden für den Nachlass notwendig sein sollte.

Noch am gleichen Tag ordnete der Rechtspfleger des Nachlassgerichts Nachlasspflegschaft mit den Aufgabenkreisen „Sicherung und Ve...

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