Leitsatz (amtlich)
1. Macht der Reisende mit seiner Klage gegen den Reiseveranstalter, bei dem er eine Pauschalreise mit Flugbeförderung gebucht hat, und das Luftbeförderungsunternehmen, das der Veranstalter mit der Durchführung der Beförderungsleistung beauftragt hat, einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung vertraglicher Pflichten geltend, der über diejenigen Rechte hinausgeht, die dem Fluggast gegen das Luftbeförderungsunternehmen nach der Fluggastrechteverordnung zuerkannt werden, so kommt eine Streitgenossenschaft zwischen Reiseveranstalter und Luftbeförderungsunternehmen in Betracht.
2. Für die Klage des in Deutschland wohnhaften Reisenden gegen das in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässige Luftfahrtunternehmen wegen Verletzung von Leistungspflichten, die der Pauschalreisende nach den Grundsätzen des Vertrags zugunsten Dritter aus eigenem Recht gegenüber dem Luftfahrtunternehmen beanspruchen kann, ist am inländischen vertraglichen Abflugort der unionsrechtlich determinierte Gerichtsstand des Erfüllungsorts eröffnet.
3. Dort befindet sich auch der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach autonom nationalem Zivilprozessrecht für die Klage des Reisenden gegen den im Inland ansässigen Pauschalreiseveranstalter wegen Verletzung der vertraglichen Pflicht, dem Reisenden die vereinbarte Beförderungsleistung zu verschaffen.
Verfahrensgang
AG Erding (Aktenzeichen 1 C 7355/20) |
Tenor
Als für den Rechtsstreit (örtlich) zuständiges Gericht wird das Amtsgericht Erding bestimmt.
Gründe
I. Mit seiner zum Amtsgericht Erding erhobenen Klage vom 4. August 2020 macht der Antragsteller Ansprüche aus eigenem und abgetretenem Recht im Zusammenhang mit einer fehlgeschlagenen Pauschalreise geltend. Nach seinem Klageantrag sollen ihm die in Leipzig ansässige Reiseveranstalterin (Antragsgegnerin zu 1]) und das ausführende Luftfahrtunternehmen mit Sitz in Spanien (Antragsgegnerin zu 2]) als Gesamtschuldnerinnen einen Betrag von 1.371,02 EUR nebst Zinsen zahlen. Der Antragsteller selbst ist im Bezirk des Amtsgerichts München wohnhaft.
Zur Begründung der Klage bringt er vor: Er habe für seine Ehefrau und seine Tochter bei der Antragsgegnerin zu 1) "einen Flug für den 27. August 2019 ab München/Erding nach Madrid mit Anschlussweiterreise nach Alicante in Spanien eine Pauschalreise" gebucht. Beauftragte Fluggesellschaft für diese Reise, bei der es sich laut vorgerichtlichem Anspruchsschreiben (Anlage K 1) um eine Pauschalreise vom 27. August bis 2. September 2019 gehandelt hat, sei die Antragsgegnerin zu 2) gewesen. Die Reisekosten hätten insgesamt 1.371,02 EUR betragen. Ehefrau und Tochter seien am Abflugtag rechtzeitig am Flughafen eingetroffen und hätten am angegebenen Gate gewartet. Das Gate sei kurz vor dem geplanten Abflugzeitpunkt geändert worden. Weil dies nicht über Lautsprecher bekannt gegeben worden sei, hätten Ehefrau und Tochter die Änderung nicht bemerkt und in der Folge den Flug verpasst. Die Urlaubsreise habe deshalb nicht angetreten werden können. Das Amtsgericht Erding sei örtlich und international zuständig, weil der Reisende bei Klagen auf Ausgleichsansprüche gegenüber dem Luftfahrtunternehmen zwischen den Gerichten am Ankunfts- und Abflugort frei wählen dürfe. Außerdem berufe er sich auf den Verbrauchergerichtsstand.
Die Antragsgegnerin zu 1) rügte mit der Klageerwiderung, das Amtsgericht Erding sei örtlich unzuständig. Der Ort des Abflugs begründe für sie als Reiseveranstalterin keinen Gerichtsstand des Erfüllungsorts. Der Verbrauchergerichtsstand gelte nicht im Verhältnis zu ihr, da sie wie auch der Antragsteller selbst ihren (Wohn-)Sitz im Inland habe und der im Ausland liegende Zielort der Reise allein keinen hinreichenden Auslandsbezug begründe; im Übrigen führe der Verbrauchergerichtsstand zum Amtsgericht München.
Das Amtsgericht Erding erteilte darauf den Hinweis, dass aus seiner Sicht der Abflugort für Ansprüche im Zusammenhang mit einem Pauschalreisevertrag keinen Gerichtsstand des Erfüllungsorts begründe. Bei einem Pauschalreisevertrag sei ein vertragscharakteristischer Leistungsort nicht gegeben, vor allem liege er nicht am Abflugort. Handele es sich nicht um eine vertragscharakteristische Leistung oder lägen mehrere gleichrangige Verpflichtungen vor, scheide die Annahme eines gemeinsamen Erfüllungsortes aus. Für die Ansprüche gegen die Beklagte zu 1) sei deshalb das Amtsgericht Leipzig zuständig.
Der Antragsteller hat das Bayerische Oberste Landesgericht um Gerichtsstandsbestimmung ersucht. Das angerufene Gericht sei in Bezug auf die Antragsgegnerin zu 2) örtlich zuständig, denn Erfüllungsort der Flugreise sei der Abflugort, hier am Flughafen München-Erding. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urt. v. 26. März 2020, Az. C-215/18) sei die Fluggastrechteverordnung anwendbar, wenn ein Reisender seinen Flug mit einer ausländischen Airline über ein Reisebüro und nicht direkt bei dieser gebucht habe. Daher könne die Antragsgegnerin zu 2) am Erfüllungsor...