Entscheidungsstichwort (Thema)
Testamentswiderruf
Leitsatz (amtlich)
Trotz sachlicher Vereinbarkeit mehrerer letztwilliger Verfügungen kann ein Widerspruch i.S.v. § 2258 Abs. 1 BGB gegeben sein, wenn nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Willen des Erblassers die spätere Verfügung allein und ausschließlich gelten soll.
Normenkette
BGB § 2258 Abs. 1
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 14.01.1999; Aktenzeichen 16 T 16840/98) |
AG München (Beschluss vom 18.08.1998; Aktenzeichen 63 VI 244/61) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluß des Landgerichts München I vom 14. Januar 1999 aufgehoben.
II. Die Beschwerde des Beteiligte zu 2 gegen den Beschluß des Amtsgerichts München vom 18. August 1998 wird zurückgewiesen.
III. Der Beteiligte zu 2 hat die dem Beteiligten zu 1 im Verfahren der weiteren Beschwerde und im Verfahren der Erstbeschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
IV. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 100.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die verwitwete Erblasserin verstarb 1961 im Alter von 82 Jahren. Ihre 1940 vorverstorbene Tochter hatte zwei Kinder, den 1922 geborenen kinderlosen Sohn Franz (Beteiligter zu 1) und die 1921 geborene Tochter Gisela, die 1996 nachverstorben und von ihrem einzigen Abkömmling (Beteiligter zu 2) allein beerbt worden ist. Der Nachlaß besteht im wesentlichen aus einem Grundstück. Das darauf befindliche im Krieg zerstörte Anwesen ist mit Hilfe der Enkel der Erblasserin, dem Beteiligten zu 1 und der nachverstorbenen Mutter des Beteiligten zu 2, wieder aufgebaut worden.
Die Erblasserin hat drei letztwillige Verfügungen errichtet:
In einem handschriftlichen Testament vom 20.8.1951 bestimmte sie:
Zu Alleinerben meines gesamten Vermögens, insbesondere des mir gehörigen Hauses … setze ich meine Enkelkinder Gisela … (nachverstorbene Mutter des Beteiligten zu 2) und Franz … (Beteiligter zu 1) ein, letzteren mit der Einschränkung, daß ich ihn, falls er vor meiner Enkelin Gisela … sterben sollte, diese als Nacherbin bestimme. Sollte mein Enkel Franz … mit dieser durch vorstehende Nacherbschaft bedingten Einschränkung nicht einverstanden sein, so setze ich ihn auf den Pflichtteil ….
Am 26.1.1954 errichtete die Erblasserin ein notarielles Testament, in dem sie bestimmte:
Ich setze hiermit meine beiden Enkelkinder
a) Frau Gisela … (nachverstorbene Mutter des Beteiligten zu 2) b) Herrn Franz … (Beteiligter zu 1) zu meinen Erben, nach gleichen Anteilen, ein. Als Ersatzerben für Gisela … bestimme ich deren Abkömmlinge.
Bezüglich meines Erben Franz ordne ich hiermit eine Nacherbfolge an. Nacherbin ist Frau Gisela …. Die Nacherbfolge tritt ein, wenn Franz … ohne Hinterlassung von leiblichen Abkömmlingen vor oder nach mir verstirbt.
Ferner ordne ich an, daß die in meinem Anwesen befindlichen Wohnungen den jetzigen Inhabern unbeschränkt in der bisherigen Weise weiterhin zustehen sollen. Die jetzigen Inhaber dieser Wohnungen sind meine beiden Erben. Ausserdem bestimme ich noch, daß Frau Gisela … auf Lebensdauer die Erträgnisse aus der Garage, die ich aus eigenen Mitteln auf meinem Anwesen … errichtet habe, zustehen sollen.
Zuletzt hat die Erblasserin in zwei wörtlich übereinstimmenden handschriftlichen Testamenten, jeweils vom 20.3.1958, folgendes verfügt:
Zu Universalerben setze ich meine Enkln Franz … (Beteiligter zu 1) und Gisela … (verstorbene Mutter des Beteiligten zu 2) ein. Von geringfügigen Kleidungs- und Wäschestücken sowie Einrichtungsgegenständen abgesehen, besteht mein Nachlaß aus dem Ruinengrundstück im Grundbuch für G…. Das darauf erbaute Wohnhaus … mit Garage gehört jedoch, nicht zu meinem Nachlaß; da es aus einem aufgenommenen Darlehen von 7.000 M … und sonst ausschließlich aus Mitteln meiner vorgenannten Enkelkinder erbaut worden ist. Dafür, daß dieselben mich seit der Währungsumstellung im Jahr 1948 völlig erhalten und mit Bargeld unterstützt haben steht denselben eine Forderung gegen meinen Nachlaß zu, die ich hiermit ausdrücklich anerkenne. Dies ist mein letzter Wille, dem ich eigenhändig niedergeschrieben und mit Datum versehen, sowie eigenhändig unterschrieben habe…
Das Nachlaßgericht hat am 27.1.1961 einen Erbschein erteilt, der den Beteiligten zu 1 sowie die nachverstorbene Enkelin Gisela – wie von beiden beantragt – als Miterben je zur Hälfte auswies mit dem Zusatz, daß für den Anteil des Enkels Franz Nacherbfolge angeordnet ist für den Fall, daß dieser ohne Hinterlassung von leiblichen Abkömmlingen stirbt und die Enkelin Gisela Nacherbin ist, ersatzweise deren Abkömmlinge.
Nach dem Tod der Enkelin Gisela im Jahr 1996 hat der Beteiligte zu 1 mit Schriftsatz vom 8.1.1997 die Einziehung des Erbscheins angeregt und einen neuen Erbschein beantragt, der ihn und die verstorbene Gisela jeweils zur Hälfte als Vollerben ausweisen soll. Er ist der Auffassung, die Erblasserin habe durch die Testamente vom 20.3.1958 die Nacherbfolge widerrufen und die Erbfolge abschließend ohne Nacherbfolge neu geregelt.
Der Beteiligte zu 2 ist dem ...