Entscheidungsstichwort (Thema)

Stiftung von Todes wegen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Einsetzung einer Stiftung als Alleinerbin durch letztwillige Verfügung (§ 2247 Abs. 1, § 1937 BGB) hat nicht zur Folge, daß auch das Stiftungsgeschäft selbst in der Testamentsform (§§ 2231, 2247 Abs. 1 BGB) vorgenommen werden muss.

2. Zwar kann gemäß § 1923 Abs. 1 BGB Erbe nur werden, wer zur Zeit des Erbfalls lebt; sinngemäß kann eine juristische Person nur Erbin werden, wenn sie zur Zeit des Erbfalls rechtsfähig besteht (Palandt/Edenhofer Anm. 1, Soergel/Stein BGB 12. Aufl. Rn. 1 und 7, jeweils zu § 1923). Die Erbfähigkeit wird aber für Stiftungen durch § 84 BGB erweitert, wenn die Genehmigung erst nach dem Tode des Stifters ausgesprochen wird.

 

Normenkette

BGB §§ 84, 1923 Abs. 1, § 2247

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 30.12.1988; Aktenzeichen 16 T 4926/87)

AG München (Beschluss vom 10.03.1987; Aktenzeichen 92 VI 8972/85)

BayObLG (Aktenzeichen 1 Z 74/87)

 

Tenor

I. Auf die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 1 bis 5 werden die Beschlüsse des Landgerichts München I vom 30. Dezember 1988 und des Amtsgerichts München vom 10. März 1987 aufgehoben.

II. Das Nachlaßgericht wird angewiesen, das gemäß Beschluß vom 18. Februar 1987 bewilligte und erteilte Testamentsvollstreckerzeugnis einzuziehen.

III. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerden wird auf 325.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die ledige und kinderlose Erblasserin starb … 1985 im Alter von 91 Jahren. Die Beteiligten zu 1 und 2 sowie der Vater der Beteiligten zu 3 bis 5 sind die Söhne ihrer vorverstorbenen Schwester. Eine andere Schwester hat die Erblasserin überlebt. Durch Beschluß vom 28.5.1985 hatte das Vormundschaftsgericht Gebrechlichkeitspflegschaft für die Erblasserin angeordnet mit dem Wirkungkreis Aufenthaltsbestimmung und Zuführung zur ärztlichen Behandlung sowie Vermögenssorge. Als Pfleger wurde der Beteiligte zu 6 bestellt. Zum Nachlaß gehören Grundstücke, Wertpapiere und Bankguthaben.

Die Erblasserin hatte am 17.1.1965 eigenhändig ein „vorläufiges Testament” verfaßt, in dem sie neben anderen Verfügungen einen Testamentsvollstrecker ernannte und ihr „Erbe” an verschiedene Personen verteilte, unter anderem an die Beteiligten zu 1 und 2 sowie den Vater der Beteiligten zu 3 bis 5.

Am 17.9.1984 errichtete die Erblasserin ein weiteres eigenhändiges Testament. Es lautet wie folgt:

Testament

Als meinen letzten Willen bestimme ich,

folgendes:

Erbe des gesamten Nachlasses:

1.) Wertpapier-Konto

2.) Haus- u. Grundbesitz

nach meinem Tode soll sein: die von mir errichtete Stiftung „…”.

Der Stiftung mache ich zur Auflage:

Wertpapier-Konto u. Grund- u. Hausbesitz dürfen nicht veräußert werden. Zur Verwendung für Betreuung – Auflagen sind Zinsen des Bankkontos zu verwenden. Von erübrigten Zinsen sind weitere – wertbeständige – Papiere anzulegen. Die Erträge aus dem Stiftungs-Vermögen werden ausschließlich für Stiftungs-Zwecke verwandt. Als Testamentsvollstrecker für die Durchführung der Auflage nenne ich Herrn D. (= Beteiligter zu 6)

München 80, 17. September 1984.

Am 18.9.1984 erteilte die Erblasserin dem Beteiligten zu 6 eine schriftliche Vollmacht zu ihrer außergerichtlichen Vertretung in der Angelegenheit: Errichtung der Stiftung …

Am 26.8.1985 verfaßte der Beteiligte zu 6 eine maschinenschriftliche Urkunde, wonach die Erblasserin durch ihn folgende Stiftung errichtete:

I.

Die Stiftung soll den Namen …

führen, ihren Sitz in München haben und die Rechtsfähigkeit erlangen.

II.

Zweck der Stiftung ist die selbstlose Unterstützung von behinderten Personen, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes auf die Hilfe anderer angewiesen sind. Einzelheiten über die Verwirklichung des Stiftungszweckes werden in der Stiftungssatzung geregelt.

III.

Die Stiftung wird mit einem Vermögen von 100.000,00 DM in festverzinslichen Wertpapieren ausgestattet. Weiteres Vermögen (Wertpapiere und Grundbesitz) ist der Stiftung durch letztwillige Verfügung zugedacht.

IV.

Die Stiftung soll von einem Stiftungsvorstand gesetzlich vertreten und von einem Stiftungsrat verwaltet werden. Die weiteren Einzelheiten der Stiftungsverwaltung werden durch die Stiftungssatzung geregelt.

V.

Für die … Stiftung gilt die anliegende Satzung.

München, den 26.8.1985

Diese vom Beteiligten zu 6 unterschriebene Urkunde hat außerdem die Erblasserin am 16.9.1985 unterzeichnet.

Am 7.11.1985 erklärte der Beteiligte zu 6 für die am 11.10.1985 vom Bayerischen Staatsministerium des Innern genehmigte Stiftung gegenüber dem Nachlaßgericht die Annahme der Erbschaft und beantragte einen Erbschein. Außerdem beantragte er die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses. Die Beteiligten zu 1 und 2 sowie der Vater der Beteiligten zu 3 bis 5 beantragten, ihnen einen gemeinschaftlichen Erbschein zu erteilen, außerdem die Anträge des Beteiligten zu 6 zurückzuweisen. Sie trugen vor, das zweite Testament sei unwirksam, weil die Erblasserin zu diesem Zeitpunkt testierunfähig gewesen sei; zur Zeit der Errichtung der ...

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