Entscheidungsstichwort (Thema)
Hauptsachenerledigung im Beschwerdeverfahren über den Verbleib eines Kindes in einer Pflegefamilie. Notwendigkeit der persönlichen Anhörung des Kindes durch das Beschwerdegericht und Anforderungen hieran
Leitsatz (amtlich)
1. Das Verfahren über den Erlaß einer Verbleibensanordnung wird nicht dadurch gegenstandslos, daß die leiblichen Eltern das Kind ohne Absprache mit den Pflegeeltern und dem Jugendamt bei sich behalten. Vielmehr können die Pflegeeltern dann in diesem Verfahren die Rückführung des Kindes in ihre Familie anstreben.
2. In einem solchen Verfahren hat das Beschwerdegericht das Kind grundsätzlich persönlich anzuhören, auch wenn das Kind im Zeitpunkt der Entscheidung erst gut viereinhalb Jahre alt und in seiner Entwicklung zurückgeblieben ist. Für die Anhörung genügt es nicht, wenn das Gericht lediglich Gelegenheit hat, das Kind im Sitzungssaal zu beobachten, sich aber nicht unmittelbar mit dem Kind befaßt und die eventuell gewonnenen Eindrücke nicht in den Akten niederlegt.
Normenkette
BGB § 1632 Abs. 4; FGG § 50b
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 20.12.1995; Aktenzeichen 13 T 2917/95) |
AG Nürnberg (Aktenzeichen VIII 734/94) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3 und 4 wird der Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20. Dezember 1995 aufgehoben. Die Sache wird zu anderer Behandlung und neuer Entscheidung an das Landgericht Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.
II. Den Beteiligten zu 1 und 2 wird für das Verfahren der weiteren Beschwerde mit Wirkung vom 19. Februar 1996 Prozeßkostenhilfe bewilligt. Ihnen wird Rechtsanwalt … beigeordnet.
Tatbestand
I.
Das im Jahr 1991 geborene Mädchen ist das eheliche Kind der Beteiligten zu 1 und 2. Infolge Frühgeburt wurde das Kind zunächst, von einem kurzen Aufenthalt bei den Eltern abgesehen, in der Kinderklinik behandelt. Anschließend kam es, da die Eltern wegen Alkoholabhängigkeit der Mutter und Berufstätigkeit des Vaters die Pflege nicht sicherstellen konnten, auf Antrag des Vaters im August 1991 in Bereitschaftspflege. Ab 21.8.1992 war das Kind bei den Beteiligten zu 3 und 4 in Dauerpflege untergebracht. Die Pflegeeltern haben zwei eigene Kinder, außerdem betreuen sie ein weiteres Pflegekind.
Ab Ende 1992 kam es zu Spannungen zwischen den Eltern und den Pflegeeltern. Ab Mitte 1993 strebten die Eltern, wie bereits vorher mit dem Jugendamt und den Pflegeeltern besprochen, die Rückführung des Kindes in ihre eigene Familie an. Im Juli 1994 äußerte die Pflegemutter gegenüber der Erziehungsberatungsstelle den Verdacht, daß das Kind anläßlich von Besuchen bei seinen Eltern vom Vater sexuell mißbraucht werde. Am 1.9.1994 erstattete sie eine entsprechende Strafanzeige. Daraufhin entzog das Vormundschaftsgericht den Eltern durch vorläufige Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind und bestellte das Stadtjugendamt zum Ergänzungspfleger. Nachdem das Ermittlungsverfahren im Oktober 1994 eingestellt worden war, hob das Gericht am 22.12.1994 die Einschränkung des Sorgerechts wieder auf.
Am selben Tag beantragten die Pflegeeltern, den Verbleib des Kindes bei ihnen anzuordnen. Zur Begründung verwiesen sie auf die mangelnde Erziehungseignung der Eltern infolge der Alkoholabhängigkeit der Mutter und der Aggressivität des Vaters. Das Vormundschaftsgericht wies den Antrag nach Anhörung der Eltern, der Pflegeeltern und des Jugendamts mit Beschluß vom 8.3.1995 zurück. Hiergegen legten die Pflegeeltern Beschwerde ein. Im April 1995 kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen den Eltern und Vertretern des Jugendamtes einerseits sowie den Pflegeeltern andererseits um einen Besuch des Kindes bei den Eltern. Ende April 1995 bezogen die Eltern eine neue größere Wohnung und behielten daraufhin das Kind ohne Abstimmung mit dem Jugendamt und den Pflegeeltern bei sich. Einen Antrag der Pflegeeltern auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zur Rückführung des Kindes lehnte das Landgericht mit Beschluß vom 11.5.1995 ab. Seither lebt das Kind bei ihren Eltern.
Das Landgericht hat weitere Ermittlungen durchgeführt, insbesondere das Gutachten einer psychologischen Sachverständigen zur Frage der Erziehungseignung der Eltern und zu den Auswirkungen einer Rückführung des Kindes zu den Eltern eingeholt. Es hat außerdem mehrere Zeugen vernommen. Mit Beschluß vom 20.12.1995 hat es die Beschwerde zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Pflegeeltern. Sie wiederholen auch ihren Antrag auf Erlaß einer vorläufigen Anordnung. Die Eltern sind dem Antrag sowie dem Rechtsmittel entgegengetreten. Sie haben Prozeßkostenhilfe für die Durchführung der weiteren Beschwerde beantragt.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige weitere Beschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, eine Verbleibensanordnung sei nicht gerechtfertigt, da sich das Verlangen der Eltern, das Kin...