Entscheidungsstichwort (Thema)
Testierfähigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Die Feststellung einer sogenannten partiellen Testierunfähigkeit fürt nur dann zur Nichtigkeit eines Testaments, wenn infolgedessen Testierunfähigkeit im Sinne von § 2229 Abs. 4 BGB schlechthin gegeben ist.
Normenkette
BGB § 2229 Abs. 4
Verfahrensgang
LG München II (Beschluss vom 26.04.1990; Aktenzeichen 2 T 897/84) |
AG Ingolstadt (Beschluss vom 24.04.1984; Aktenzeichen VI 613/82) |
Tenor
Auf die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 2 bis 5 werden der Beschluß des Landgerichts München II vom 26. April 1990 und der des Amtsgerichts Ingolstadt vom 24. April 1984 aufgehoben, soweit darin die Erteilung eines Erbscheins angekündigt wird. Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 wird abgelehnt.
Tatbestand
I.
Am 23.6.1982 verstarb die Erblasserin im 53. Lebensjahr an den Folgen eines Verkehrsunfalles noch an der Unfallstelle. Sie war unverheiratet und hatte keine Kinder. Bis zu ihrem Tode bewohnte sie das von ihren Eltern ererbte Anwesen mit 27 Tagwerken Grund und landwirtschaftlichen Gebäuden. Die Beteiligte zu 1 ist das einzige Geschwister der Erblasserin. Diese hinterließ zwei handschriftlich verfaßte und von ihr unterschriebene Testamente. Das erste wurde von der Beteiligten zu 1 mit der Erklärung, es sei im Nachlaß gefunden worden, am 14.9.1982 dem Nachlaßgericht vorgelegt. Das Testament lautet:
… 15.10.78
Testament
Das ist mein letzer Wille …
Zu meinen Erben bestime ich …
E. (Beteiligte zu 2)
Für das Wonhaus samt anligenden Grund mein ganzes Bargeld.
Und von der Gewane 71 …
3 ha.
zur pflege meiner lieben Täubchen u. den anderen Tieren.
Für die Gewane 1…
Herr J.
Für die Gewane 60
u. den noch übrigen Grund i. der Gewane 71 dem Kirchlichen Ortinariat R. (Beteiligter zu 5)
Die Unterschrift ist rot durchgestrichen. Auch der Text ist von der letzten Zeile mit den Worten „Ortinariat R.” bis zu dem Namen „E.” von unten nach oben durchgestrichen; über dem Strich befindet sich in nahezu vertikaler Anordnung in roter Schrift das Wort „Ungültig”.
Auf der Rückseite des Blattes befindet sich folgender handschriftlicher und von der Erblasserin unterschriebener Text:
Meine Schwester F. (Beteiligte zu 1) u. seine Angehörigen schlise ich von der Erbschaft volkomen aus da ich vermute das Sie meinen frühen Tot persöndlich verübt hat oder mindestens die anfürerin war weil …
Die Erblasserin hatte am 4.6.1980 beim Amtsgericht Ingolstadt ein weiteres Testament in amtliche Verwahrung gegeben. Es lautet auf dem ersten Blatt:
… 1.1.1980
Testament
Das ist mein letzter Wille
zu meinen Erben bestimme ich
E. (Beteiligte zu 2)
Für das Wonhaus samt anligenden Grund mein ganzes Bargeld und vom Flurstück
… (3 ha) dem geterten Hauptweg entlang.
Das Flurstück … (41 a.)
B. (früherer Beteiligter zu 3)
Den gesamten übrigen Grund das Bischöfliche Ortinariat R. (Beteiligter zu 5)
Das zweite, ebenfalls von der Erblasserin geschriebene und unterzeichnete Blatt hat folgenden Inhalt:
… 1.1.1980
Testament
Das ist mein letzter wille
Meine Schwester F. (Beteiligte zu 1) und seine Angehörigen schlise ich von der Erbschaft volkomen aus da ich vermute das Sie meinen unglüks-Tot persöndlich verübt hat oder mindestens die anfürerin war weil …
Vor dem Nachlaßgericht machte die Beteiligte zu 1 geltend, ihre Schwester sei testierunfähig gewesen. Sie hat beantragt, ihr einen Erbschein zu erteilen, wonach sie die alleinige gesetzliche Erbin sei. Die Beteiligten zu 2 und 5 sowie der damalige Beteiligte zu 3, der Sohn und Rechtsvorgänger der jetzigen Beteiligten zu 3 und 4, haben demgegenüber einen Erbschein beantragt, wonach die Erblasserin auf Grund ihrer letztwilligen Verfügung vom 1.1.1980 beerbt worden sei von der Beteiligten zu 2 zu 9/24, vom damaligen Beteiligten zu 3 zu 1/24 und von dem Beteiligten zu 5 zu 14/24.
Nach Beweisaufnahme hat das Nachlaßgericht durch Beschluß vom 24.4.1984 angekündigt, es werde der Beteiligten zu 1 einen Alleinerbschein erteilen, wenn gegen diesen Beschluß keine Beschwerde eingelegt werde. Die von den anderen Beteiligten dagegen eingelegten Beschwerden hat das Landgericht mit Beschluß vom 11.6.1985 zurückgewiesen. Dagegen hat lediglich die Beteiligte zu 2 weitere Beschwerde eingelegt. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat durch Beschluß vom 29.4.1986 den Beschluß des Landgerichts vom 11.6.1985 wegen fehlerhafter Beweiserhebung aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Danach ist der frühere Beteiligte zu 3 verstorben und von den jetzigen Beteiligten zu 3 und 4 beerbt worden.
Das Landgericht hat weitere Beweise erhoben und durch Beschluß vom 26.4.1990 die Beschwerden erneut zurückgewiesen. Dagegen haben die Beteiligten zu 2 bis 5 weitere Beschwerde eingelegt. Die Beteiligte zu 1 hat beantragt, die Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die weiteren Beschwerden sind zulässig und begründet.
1. Das Landgericht hat ausgeführt: Die Testierfähigkeit habe wegen Vorliegens einer geistigen Störung für einen bestimmten gegenständlich abgegrenzten Lebensbereich ganz gefehlt; mit...