Leitsatz
Das OLG Saarbrücken hat sich in dieser Entscheidung mit dem Problem des Beginns von Rechtsmittel- und Rechtsbehelfsfristen auseinandergesetzt, wenn für das Gericht erkennbar die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung nicht vorgelegen haben. Gegenstand der Entscheidung war ferner die Frage, ob und in welchem Ausmaß die elterliche Sorge eines allein sorgeberechtigten Elternteils wegen eines tatsächlichen Hindernisses nach § 1674 BGB ruhen muss.
Sachverhalt
Aus der Ehe des Kindesvaters mit der im Juli 2003 verstorbenen Kindesmutter waren im August 1999 Zwillinge hervorgegangen. Der seit dem Tod der Mutter allein sorgeberechtigte Vater stimmte einer Fremdunterbringung der Kinder zu. Beide lebten seit Dezember 2003 in einer professionellen Pflegestelle.
Mit Antrag vom 26.5.2009 hat das zuständige Kreisjugendamt beim FamG die Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge des Vaters und die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters der Kinder begehrt.
Das AG hat am 26.6.2009 die Sachbearbeiterin des Jugendamtes, die Betreuerin der Kinder und die beiden Kinder persönlich angehört. Das Jugendamt hatte zwei Telefonnummern mitgeteilt, unter denen der Vater jederzeit erreichbar sei. Das FamG hat in der Folgezeit versucht, über Anfragen beim Einwohnermeldeamt den Aufenthalt des Vaters zu ermitteln. Am 4.8.2009 hat das FamG vermerkt, dass das Jugendamt telefonisch mitgeteilt habe, dass der Vater mit der Pflegestelle und den Kindern länger telefoniert habe und vereinbart worden sei, dass er sich alle vier Wochen melde.
Mit Beschluss vom 26.8.2009 hat das FamG das Ruhen der elterlichen Sorge des Vaters für die beiden betroffenen Kinder festgestellt. Mit Beschluss vom 27.8.2009 hat das FamG weiter die öffentliche Zustellung der Ausfertigung des Beschlusses an den Vater wegen dessen unbekannten Aufenthalts in Algerien bewilligt und angeordnet, dass die Zustellung bewirkt sei, wenn seit dem Ausgang der Benachrichtigung ein Monat vergangen sei. Benachrichtigung wurde am 2.9.2009 an die Gerichtstafel angeheftet. Mit Verfügung vom 29.10.2010 übersandte das FamG dem Vater formlos an dessen ihm am selben Tage durch das Jugendamt mitgeteilte Adresse in Algerien eine Ausfertigung des Beschlusses vom 26.8.2009.
Mit Schreiben vom 10.12.2009 hat der Vater sofortige Beschwerde beim FamG eingereicht, der nicht abgeholfen wurde.
Mit Verfügung vom 16.3.2010 hat das OLG den Beteiligten mitgeteilt, dass es das Schreiben des Vaters vom 10.12.2009 als Beschwerde gegen den Beschluss des FamG vom 26.8.2009 behandele und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme eröffnet.
Entscheidung
Das OLG hielt die Beschwerde des Kindesvaters für zulässig und entgegen der Annahme des FamG für nicht verfristet. Die von dem erstinstanzlichen Gericht angeordnete öffentliche Zustellung sei unwirksam, so dass die Beschwerdefrist gewahrt sei.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH, der das OLG folgte, würden Rechtsmittel und Rechtsbehelfsfristen dann nicht in Gang gesetzt, wenn die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung für das Gericht erkennbar nicht vorlägen (BGH FamRZ 2007, 40 m.w.N.).
Die Voraussetzungen des § 185 Nr. 1 ZPO hätten hier nicht vorgelegen, weil der Aufenthaltsort des Vaters nicht im Sinne dieser Vorschrift "unbekannt" gewesen sei. Unbekannt sei der Aufenthalt nur dann, wenn er nicht nur dem Gericht und dem Gegner, sondern allgemein unbekannt sei, wobei an die Feststellung dieser Voraussetzung durchweg hohe Anforderungen zu stellen seien, weshalb alle Möglichkeiten ausgeschöpft sein müssten, dem Adressaten das Schriftstück in anderer Weise zuzustellen, was schon aufgrund der hohen Bedeutung des verfassungsrechtlich verbrieften Anspruchs des Zustellungsadressaten auf rechtliches Gehör geboten sei. Diesen Maßstäben habe das FamG nicht Rechnung getragen, weil es bereits im Termin vom 26.6.2009 zwei Telefonnummern mitgeteilt bekommen habe, unter denen der Vater jederzeit erreichbar gewesen sei. Das FamG sei daher gehalten gewesen, durch telefonische Anfrage beim Vater dessen Anschrift zu ermitteln.
In der Sache selbst hatte das Rechtsmittel des Vaters vorläufigen Erfolg und führte zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das FamG.
Der Beschluss könne keinen Bestand haben, weil er an einem schwerwiegenden Verfahrensfehler leide. Das FamG habe das in Art. 103 Abs. 1 GG grundrechtsgleich gewährleistete und durch § 50a FGG rechtlich ausgestaltete rechtliche Gehör des Vaters dadurch verletzt, dass es nicht versucht habe, diesen vor Erlass des angefochtenen Beschlusses anzuhören. Es hätte dem Vater - nach Ermittlung von dessen Anschrift - bereits eine Ladung zu einem Anhörungstermin oder eine Aufforderung zur schriftlichen Stellungnahme übersenden müssen. Dies sei indes unterlassen worden.
Eine eigene Sachentscheidung des OLG wurde für nicht sachdienlich gehalten, weil der Sachverhalt weiterer aufwendiger Klärung bedürfe und dem Vater ansonsten eine Instanz genommen würde.
Das FamG werde im weiteren Verfahren zu prü...