Leitsatz (amtlich)
Das geltende Recht gestattet dem Vater, der mit der allein sorgeberechtigten Mutter nicht verheiratet war und nach deren Tod die Sorge für das Kind erlangt, nicht, dem Kind seinen Namen zu erteilen. Angesichts der bewussten und eindeutigen Willensentscheidung des Gesetzgebers ist eine Abhilfe durch Analogieschlüsse nicht möglich.
Normenkette
BGB § 1617a Abs. 2, § 1617b
Verfahrensgang
LG Ellwangen (Beschluss vom 19.04.2005) |
OLG Stuttgart (Aktenzeichen 8 W 195/05) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde und die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3) werden der Beschluss der 1. Zivilkammer des LG Ellwangen v. 19.4.2005 und der Beschluss des AG Ellwangen v. 9.2.2005 aufgehoben. Der Standesbeamte der Stadt H. wird angewiesen, die Namenserteilung durch den Beteiligten zu 1) als nicht wirksam anzusehen.
Gründe
I.
Das am 29.6.1999 geborene Kind Tobias-René führt den Familiennamen seiner Mutter "N. ". Die Mutter, die mit dem Vater - dem Beteiligten zu 1) - nicht verheiratet und für Tobias-René allein sorgeberechtigt war, verstarb am 12.2.2004. Die elterliche Sorge für das Kind wurde dem Vater übertragen. Der Vater erteilte dem Kind durch Erklärung ggü. dem Standesbeamten seinen Familiennamen "H. " und erklärte als gesetzlicher Vertreter des Kindes zugleich dessen Einwilligung.
Der Standesbeamte, der die Voraussetzungen einer Namenserteilung nicht für gegeben ansah, hat die Sache über den Beteiligten zu 3) (Rechtsaufsichtsbehörde über das Standesamt) gem. § 45 Abs. 2 PStG dem AG zur Entscheidung vorgelegt. Das AG hat den Standesbeamten angewiesen, von der Rechtswirksamkeit der Erteilung des Familiennamens "H. " auszugehen und diesen Familiennamen als Geburtsnamen des Kindes im Geburtenbuch zu beurkunden. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 3) hat das LG zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3), die das OLG gem. § 28 Abs. 2 FGG dem BGH zur Entscheidung vorgelegt hat.
Das OLG hält das Rechtsmittel für zulässig und begründet. Die Voraussetzungen für eine Namenserteilung nach § 1617a Abs. 2 BGB lägen nicht vor. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift komme nicht in Betracht, da es ausweislich der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift an einer unbewussten Planwidrigkeit der gesetzlichen Regelung fehle. Das OLG möchte die angefochtenen Beschlüsse daher aufheben, sieht sich hieran aber durch eine Entscheidung des BayObLG (BayObLG StAZ 2004, 229) gehindert, nach der ein Vater, dem nach dem Tod der mit ihm nicht verheirateten alleinsorgeberechtigten Mutter die elterliche Sorge übertragen wird, dem Kind analog § 1617a Abs. 2 BGB seinen eigenen Namen erteilen kann.
II.
1. Die Vorlage ist zulässig, da dem Vorlagebeschluss - wie erforderlich - zu entnehmen ist, dass das vorlegende Gericht bei Befolgung der vom BayObLG vertretenen Ansicht, von der es abweichen will, zu einer anderen Fallentscheidung gelangen würde. Da auch sonst keine formellen Bedenken bestehen, hat der Senat gem. § 28 Abs. 3 FGG anstelle des OLG über die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3) zu entscheiden.
2. Das gem. § 27 Abs. 1, § 29 Abs. 2 FGG i.V.m. §§ 48, 49 Abs. 1 PStG zulässige Rechtsmittel ist begründet.
a) Das Begehren des allein sorgeberechtigten Vaters, seinem Kind seinen Namen zu erteilen, kann sich nicht - jedenfalls nicht unmittelbar - auf § 1617a Abs. 2 BGB stützen. Denn nach dieser Vorschrift kann der allein sorgeberechtigte Elternteil dem Kind nur den Namen des anderen - nicht sorgeberechtigten - Elternteils, nicht jedoch seinen eigenen Namen erteilen.
b) Die Frage, ob eine analoge Anwendung des § 1617a Abs. 2 BGB dem allein sorgeberechtigten Elternteil die Möglichkeit eröffnet, dem Kind - wie hier vom Vater begehrt - den eigenen Namen zu erteilen, wird unterschiedlich beantwortet.
Zum Teil wird eine analoge Anwendung der Vorschrift bejaht. Dabei wird auf die Regelung des früheren Rechts verwiesen, nach welcher der Vater eines nicht ehelichen Kindes mit Einwilligung des Kindes und der Mutter diesem seinen Familiennamen erteilen konnte (§ 1618 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB in der bis zum In-Kraft-Treten des KindRG geltenden Fassung). Die Neuregelung des § 1617a Abs. 2 BGB habe lediglich die Befugnis zur Namenserteilung an die Alleinsorge eines Elternteils (i.d.R.: der Mutter) knüpfen und - als Folge - den nicht sorgeberechtigten Elternteil (i.d.R.: den Vater) auf ein bloßes Einwilligungsrecht verweisen sollen. An der grundsätzlichen Möglichkeit, dem Kind nicht miteinander verheirateter Eltern - sei es im Einvernehmen beider Elternteile, sei es nach dem Tod der bis dahin allein sorgeberechtigten Mutter durch Erklärung des Vaters - den Namen des Vaters erteilen zu können, habe diese Neuregelung nichts ändern wollen (BayObLG StAZ 2004, 229; v.Sachsen Gessaphe in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1617a Rz. 22; für den Fall einer von beiden Elternteilen konsentierten Namenserteilung: BayObLG FamRZ 2000, 145 = StAZ 2000, 340; OLG Celle StAZ 2002, 11).
Die Gegenmeinung hält eine analoge Anwendung des § 1617a Abs. 2 BGB für nicht zulässig (OLG Celle StAZ 2002, 366; OLG Bremen v. 20.6.2003 - 1 W 23 u. 24/03, FamRZ 2003, 1687; Staudinger/Coester, BGB, 13. Bearb., § 1617a Rz. 6 [18, 21]; Bamberger/Roth, BGB, § 1617a Rz. 2; Lipp/Wagenitz, Das neue Kindschaftsrecht, § 1617a Rz. 23). Sie verweist auf die Systematik der Vorschrift, aber auch auf die Entstehungsgeschichte des neuen Rechts. Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages habe sich ausdrücklich gegen die Möglichkeit ausgesprochen, dem nach dem Tod des bis dahin allein sorgeberechtigten Elternteils nunmehr seinerseits allein sorgeberechtigt gewordenen anderen Elternteil eine Einbenennung des Kindes zu ermöglichen. Diese klare Wertentscheidung lasse sich rechtspolitisch kritisieren, dürfe aber nicht im Wege richterlicher Rechtsfortbildung unterlaufen werden.
c) Der Senat folgt der zweitgenannten Auffassung. Er verkennt dabei nicht das Interesse des Kindes an seiner namensmäßigen Integration in die Familie seines allein sorgeberechtigt gewordenen Elternteils, das vielfach für eine Namenserteilung durch diesen Elternteil sprechen und - wie der vorliegende Fall zeigt - gerade im Falle des Todes des bislang allein sorgeberechtigten Elternteils besondere Bedeutung gewinnen wird (zur rechtspolitischen Kritik ausführlich: Staudinger/Coester, BGB, 13. Bearb., § 1617a Rz. 6 [18, 21]). Indes sieht sich der Senat durch die gesetzliche Regelung gehindert, diesem Kindesinteresse Rechnung zu tragen. Der Gesetzgeber hat in einer bewussten Wertentscheidung - und zwar gerade auch für den Fall des Todes des bis dahin allein sorgeberechtigten Elternteils - dem Interesse des Kindes an einer Kontinuität seiner Namensführung ausdrücklich den Vorrang vor der Möglichkeit eingeräumt, den Wechsel in der Sorgerechtszuständigkeit durch eine entsprechende Anpassung des Kindesnamens nachzuvollziehen. Daran ist der Senat gebunden. Im Einzelnen:
aa) Für eine analoge Anwendung des § 1617a Abs. 2 BGB fehlt es bereits an der Vergleichbarkeit der Normsituation mit der hier vorliegenden Konstellation.
Der Anwendungsbereich des § 1617a Abs. 2 BGB erklärt sich aus dem Zusammenhang mit § 1617a Abs. 1 BGB, der dem Kind kraft Gesetzes den Namen als Geburtsnamen zuweist, den sein im Zeitpunkt seiner Geburt alleinsorgeberechtigter Elternteil führt (BT-Drucks. 13/8511, 73). Diese strikte Namenszuweisung wird durch § 1617a Abs. 2 BGB aufgelockert, der es dem allein sorgeberechtigten Elternteil ermöglicht, dem Kind im Einvernehmen mit dem anderen - nicht sorgeberechtigten - Elternteil dessen Namen zu erteilen. Das Gesetz vermeidet mit der gesetzlichen Namenszuweisung nach § 1617a Abs. 1 BGB eine - in der vorliegenden Fallkonstellation ohnehin nicht in Betracht kommende - rechtliche Auseinandersetzung der Eltern über die Namensführung des Kindes; zugleich gibt es mit der Erteilungsmöglichkeit nach Abs. 2 einer abweichenden einvernehmlichen Namensentscheidung der Eltern Raum. Konsequenterweise erlaubt deshalb § 1617a Abs. 2 BGB dem allein sorgeberechtigten Elternteil nur, dem Kind den Namen des anderen, nicht sorgeberechtigten Elternteils zu erteilen; denn nur dieser Name ist dem Kind nicht schon nach § 1617a Abs. 1 BGB als Geburtsname zugewiesen. Für die Erteilung des eigenen Namens des allein sorgeberechtigten Elternteils bietet § 1617a Abs. 2 BGB, wie sich aus dessen systematischem Zusammenhang mit § 1617a Abs. 1 BGB ergibt (vgl. dazu: BT-Drucks. 13/8511, 73), keine Grundlage. Diese Vorschrift kann daher auch nicht herangezogen werden, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Alleinsorge von dem nach § 1617a Abs. 1 BGB namensgebenden Elternteil auf den anderen Elternteil übergegangen ist und dieser Elternteil dem Kind nunmehr seinen Namen erteilen möchte.
bb) Auch nach § 1617b BGB ist die Nachzeichnung eines Sorgerechtswechsels im Kindesnamen, wie der Beteiligte zu 1) sie erstrebt, nicht zulässig. Diese Vorschrift gestattet es den Eltern, den Geburtsnamen ihres Kindes neu zu bestimmen, wenn sie eine gemeinsame Sorge für das Kind begründen und das Kind zu diesem Zeitpunkt bereits einen Geburtsnamen führt. Mit dem Wechsel von der alleinigen zur gemeinsamen Sorge geht gleichsam die Möglichkeit Hand in Hand, den Geburtsnamen des Kindes an die neue Sorgerechtssituation anzupassen. Für den hier vorliegenden Fall des Wechsels von der Alleinsorge des einen zur Alleinsorge des anderen Elternteils ist eine solche Anpassung des Kindesnamens indes im Gesetz nicht vorgesehen. Sie lässt sich auch nicht auf eine analoge Anwendung des § 1617b Abs. 1 BGB stützen; denn insoweit fehlt es an einer Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit, die im Wege der Analogie geschlossen werden könnte.
Das ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes: Nach § 1618 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB (in der bis zum In-Kraft-Treten des KindRG geltenden Fassung) konnte der Vater mit Einwilligung der Mutter und des nicht ehelichen Kindes diesem seinen Namen erteilen. Der RegE des KindRG (BT-Drucks. 13/4899) schlug vor, dieses an die nicht eheliche Vaterschaft anknüpfende Einbenennungsrecht zu beseitigen und die Befugnis, dem Kind den Namen des mit der Mutter nicht verheirateten Vaters zu erteilen, an die elterliche Sorge zu binden: Nach § 1618 Abs. 2 BGB-E sollte der Elternteil, dem die elterliche Sorge für das Kind allein zustand (im Regelfall also: die Mutter), diesem mit Einwilligung des anderen - nicht sorgeberechtigten - Elternteils (im Regelfall also: des Vaters) dessen Namen erteilen können. Im Falle des Wechsels der Alleinsorge vom einen auf den anderen Elternteil (im Regelfall also von der Mutter auf den Vater) sollte - abgesehen von den Fällen der Sorgerechtsübertragung bei Getrenntleben - nach § 1617b Abs. 2 BGB dem nunmehr allein sorgeberechtigt gewordenen Elternteil die Möglichkeit eröffnet werden, durch eine Neubestimmung des Kindesnamens einen Gleichlauf seines Namens mit dem Kindesnamen herstellen zu können. Dieses Neubestimmungsrecht sollte namentlich in Fällen praktisch werden, in denen der ursprünglich "namensgebende" Elternteil verstirbt und dem anderen Elternteil damit die Alleinsorge zufällt (BT-Drucks. 13/4899, 91).
Auf Empfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags (BT-Drucks. 13/8511) ist in der Gesetz gewordenen Fassung § 1618 Abs. 2 BGB-E als Abs. 2 in § 1617a BGB eingestellt und § 1617b Abs. 2 ersatzlos gestrichen worden. Zur Begründung ist im Bericht des Rechtsausschusses ausgeführt, es erscheine nicht geboten, Ausnahmen vom Grundsatz der Namenskontinuität in dem vom RegE in § 1617b Abs. 2 BGB-E vorgesehenen Umfang zuzulassen. Dies gelte insb. auch für den Fall, dass der bis dahin gemeinsam oder allein sorgeberechtigte Elternteil, dessen Namen das Kind trage, verstorben sei, die Alleinsorge dem anderen Elternteil zufalle und dieser nunmehr den Namen des Kindes neu bestimmen wolle. Die mit der empfohlenen Streichung des vom RegE vorgeschlagenen § 1617b Abs. 2 verbundene Stärkung des Kontinuitätsprinzips decke sich in der rechtspolitischen Zielsetzung mit den Änderungsvorschlägen des Ausschusses zu § 1618 BGB, die eine lediglich additive, also den bisherigen Kindesnamen als Namensbestandteil beibehaltende Einbenennung ermöglichten (BT-Drucks. 13/8511, 73).
Damit hat der Gesetzgeber auch und gerade für Fälle der vorliegenden Art der Kontinuität des Kindesnamens ausdrücklich Vorrang vor einer Anpassung des Kindesnamens an die geänderte Sorgerechtszuständigkeit eingeräumt. Zwar verkürzt das Gesetz mit dieser Entscheidung die Rechte des Vaters eines nicht ehelichen Kindes, indem es für Fälle der vorliegenden Art die Einbenennungsmöglichkeit, die ihm das frühere Recht eröffnete (vgl. § 1618 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB in der bis zum In-Kraft-Treten des KindRG geltenden Fassung) abschafft. Es handelt sich hierbei jedoch um eine bewusste, Fälle der hier vorliegenden Art ausdrücklich einbeziehende Wertentscheidung, die - unbeschadet rechtspolitischer Kritik (vgl. hierzu: Staudinger/Coester, BGB, 13. Bearb., § 1617a Rz. 6 [18, 21]), die der Senat teilt - von der Rechtsprechung hinzunehmen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 1443600 |
NJW 2005, 3498 |
BGHR 2006, 31 |
EBE/BGH 2005, 346 |
FamRZ 2005, 1984 |
DNotZ 2006, 125 |
MDR 2006, 334 |
FamRB 2005, 366 |
NJW-Spezial 2006, 60 |
ZFE 2005, 418 |
ZKJ 2006, 212 |
FK 2006, 13 |
FSt 2006, 550 |