Verfahrensgang
AG Potsdam (Beschluss vom 20.01.2024; Aktenzeichen 52 VI 1226/20) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 20.01.2024, Az. 52 VI 1226/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Beschwerdewert: 341.000 EUR.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten über die Erteilung eines die Antragstellerin als testamentarische Alleinerbin nach dem Erblasser ausweisenden Erbscheins. Die Antragstellerin ist die Ziehtochter des Erblassers, die Beteiligte zu 2 seine Schwester.
Mit handschriftlichem Testament vom 19.03.2020 verfügte der Erblasser, dass seine Ziehtochter "all seinen Besitz", bestehend aus Grundbesitz, Mobiliar, Haushaltsgegenständen, einem Kleingarten nebst Bungalow und Kontoguthaben, erben solle.
Der Erblasser litt abgesehen von mehreren körperlichen Gebrechen unter einer (manisch -) depressiven bis hin zu einer bipolaren Störung, betrieb Alkoholmissbrauch und befand sich seit vielen Jahren in fachärztlicher Behandlung bei Prof. Dr. med. habil. ("Name 01"), u.a. einem Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie klinische Psychologie.
Der Erblasser verstarb am 02.07.2020 durch Selbstmord. Er hinterließ einen Abschiedsbrief vom 30.06.2020 (BI. 70 f d.A). In diesem schrieb er u.a. wörtlich: "Ich bin nicht verrückt, ich habe diese Entscheidung über lange Zeit geplant und dabei ständig nachgedacht, welchen anderen Weg es für mich geben kann. Ich bin zu keiner Lösung gekommen, mein Leben ist für mich nicht mehr lebenswert..."
Darüber hinaus übersandte er ("Name 01") einen vom 01.04.2020 datierten Abschiedsbrief, BI. 103 f d. A, in dem er u.a. ausführte: "Das Mobbing, meine Krankheiten, meine Arthrose, die mir die Zukunft vorhersagt und meine Existenzängste nur verstärkt hat, meine Atemschwierigkeiten und und und, vor allem das Fehlen jeglichen Enthusiasmus, jeglichen Lebenswillens, haben seit Monaten dazu geführt, dass sich mein Entschluss immer mehr gefestigt hat. Ich mußte, wollte nur noch alle Erbschaftsangelegenheiten regeln, was alles nur vor sich hergeschoben hat...."
Gegen den Erbscheinantrag der Beteiligten zu 1 hat die Beteiligte zu 2 eingewandt, der Erblasser sei bei Errichtung seines Testaments aufgrund seiner psychischen Erkrankungen nicht testierfähig gewesen.
Der erstinstanzlich schriftlich befragte behandelnde Arzt ("Name 01") hat mit Schreiben vom 23.04.2021 (BI. 102 d. A) eingeschätzt, dass der von ihm letztmalig am 12.02.20220 behandelte Erblasser "in dem relevanten Zeitraum testierfähig war und in der Lage, die Tragweite seiner Handlungen zu erkennen", was er dem Inhalt des an ihn übersandten Abschiedsbriefs entnehme, ohne zu einer abschließenden fachpsychiatrischen Einschätzung kompetent zu sein.
Das Amtsgericht hat vor diesem Hintergrund ein fachpsychiatrisches Sachverständigengutachtens über die Testierfähigkeit des Erblassers bei Testamentserrichtung eingeholt. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Sachverständigengutachtens der Frau Dr. med. ("Name 02")vom 01.02.2022 BI. 189 ff. d.A und deren Anhörung im Gerichtstermin vom 20.12.2023, Protokoll BI. 422 ff. d. A, verwiesen.
Die Nachlassrichterin hat den beantragten Feststellungsbeschluss am 20.01.2024 erlassen. Zur Begründung ihrer Entscheidung hat sie ausgeführt, die durchgeführten Ermittlungen hätten zu ihrer Überzeugung ergeben, dass der Erblasser bei Abfassung des verfahrensgegenständlichen Testaments testierfähig gewesen sei. Allein der Freitod des Erblassers rechtfertige nicht die Annahme der Testierunfähigkeit. Hingegen habe die Sachverständige in ihrem Gutachten nachvollziehbar dargelegt, dass trotz der Vorerkrankungen keinerlei Hinweis dafür vorliege, dass der Erblasser etwa aufgrund dieser nicht in der Lage gewesen sei, die Bedeutung der von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Vielmehr habe der Erblasser die Erbschaftsangelegenheit, wie er auch in seinem Abschiedsbrief mitgeteilt habe, geplant und auch daran gedacht, die Erblasserin in seinem Kleingartenverein unterzubringen. Die Sachverständige habe auch kein wahnhaftes Erleben feststellen können Zwar sei eine Komorbidität anzunehmen gewesen und eine psychiatrisch relevante Persönlichkeitsstörung in Form einer affektiven Störung mit sowohl depressiven als auch manischen Phasen (bipolare Störung) sowie ein Alkoholproblem zu attestieren. Diese Erkrankungen hätten jedoch, wie die Sachverständige in ihrer Anhörung glaubhaft und nachvollziehbar angegeben habe, keine konkreten Anhaltspunkte für eine abstrakte Beeinträchtigung der Testierfähigkeit des Erblassers ergeben. Soweit die Beteiligte zu 2 darauf verwiesen habe, die medizinischen Unterlagen des behandelnden Psychologen seien aufgrund ihrer schweren Lesbarkeit nicht vollständig ausgewertet worden, verbleibe es dabei, dass die Sachverständige ihrer Einschätzung nach genügend Tatsachenmaterial zur sicheren Beantwortung der Beweisfrage zur...