Nachgehend

BGH (Urteil vom 12.10.2023; Aktenzeichen III ZR 192/22)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus - Einzelrichter - vom 27. April 2022 zum Aktenzeichen 3 O 54/20 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

3. Dieses und das landgerichtliche Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.151,55 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt Schadensersatz für Verzugszinsen, Stundungszinsen und Rechtsanwaltskosten, die ihm infolge des Erlasses eines rechtswidrigen Kanalanschlussbeitragsbescheides entstanden sein sollen.

Der Kläger ist Eigentümer eines im Gebiet der beklagten Stadt Cottbus gelegenen Grundstücks, das vor dem 3. Oktober 1990 an eine Schmutzwasserkanalisation angeschlossen worden ist. Die Beklagte, deren erste, in der Folge als unwirksam erkannte Kanalanschlussbeitragssatzung am 30. Juni 1993 in Kraft treten sollte, zog ihn auf der Grundlage der ersten rechtswirksamen, am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Satzung mit Bescheid vom 11. Januar 2011 zu einem Kanalanschlussbeitrag in Höhe von 9.020,00 Euro heran. Auf seinen Antrag stundete die Beklagte zunächst den Beitrag mit Stundungsbescheid vom 17. Februar 2011 und setzte Stundungszinsen in Höhe von 483,00 Euro fest. Widerspruch und Klage vor dem Verwaltungsgericht Cottbus gegen den Beitragsbescheid blieben ebenso erfolglos wie der Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Auf die Verfassungsbeschwerde des Klägers sprach die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch Beschluss vom 22. Dezember 2015 zum Aktenzeichen 1 BvR 1703/15 aus, der Beitragsbescheid des Oberbürgermeisters der Beklagten vom 11. Januar 2011, sein Widerspruchsbescheid vom 24. September 2012, das klagabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 6. Dezember 2012 und der den Antrag auf Zulassung der Berufung zurückweisende Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. Juni 2015 verletzten den Kläger in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Zugleich hob sie den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts auf und verwies die Sache dorthin zurück. Mit Rücknahmebescheid vom 11. April 2016 nahm die Beklagte den Bescheid vom 11. Januar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. September 2012 zurück. Den zwischenzeitlich vereinnahmten Kanalanschlussbeitrag erstattete sie am 24. Mai 2016 zurück. Ferner zahlte sie an den Kläger Rechtshängigkeitszinsen (§ 236 AO) sowie die ihm im Widerspruchsverfahren, im verwaltungsgerichtlichen und im verfassungsgerichtlichen Verfahren entstandenen Rechtsverfolgungskosten. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren wurde nach Aufhebung des angefochtenen Beitragsbescheides durch einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg eingestellt.

Mit Anwaltsschreiben vom 29. November 2016 machte der Kläger gegenüber der Beklagten Staatshaftungsansprüche für Verzugszinsen, die inzwischen entrichteten Stundungszinsen und die durch die außergerichtliche Geltendmachung des Staatshaftungsanspruchs entstandenen Rechtsanwaltskosten geltend. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf das Anspruchsschreiben verwiesen (Anlage K 3 zur Klageschrift). Mit Bescheid vom 12. Dezember 2019 wies die Beklagte ihre Einstandspflicht mit der Begründung zurück, der Bescheid sei nach der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs rechtmäßig gewesen.

Das Landgericht - Einzelrichter - hat die auf Zahlung von 333,80 Euro Verzugszinsen, 483,00 Euro Stundungszinsen und 334,75 Euro Rechtsanwaltskosten, jeweils nebst Zinsen, gerichtete Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kanalanschlussbeitrages. Der Beitragsbescheid vom 11. Januar 2011 sei nicht rechtswidrig gewesen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 5. Mai 2022 zugestellte Urteil am 7. Juni 2022 Berufung eingelegt, dem Dienstag nach Pfingsten. Die Begründung ging am 5. Juli 2022 ein. Er vertritt die Auffassung, die Beklagte als Behörde wie die Zivilgerichte seien an den ausdrücklichen Ausspruch der Rechtswidrigkeit des Bescheides durch das Bundesverfassungsgericht gebunden. Das unterscheide den vorliegenden Fall von den durch den Senat und den Bundesgerichtshof bislang entschiedenen Fällen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Cottbus aufgrund der Verhandlung vom 30. März 2022 - 3 O 54/20 - die Beklagte zu verurteilen, an ihn 333,80 Euro, 483,00 Euro sowie 334,75 Euro jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf P...

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