Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Urteil vom 02.06.1987) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 2. Juni 1987 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte dem Kläger für dessen Sohn Martin für die Zeit vom 1. Juni 1982 bis 30. April 1984 Kindergeld zu gewähren hat.
Der Kläger ist Beamter des beklagten Landes. Er hat drei eheliche Kinder. Sein 1960 geborener Sohn Martin studiert – nach Ableistung des Zivildienstes – seit dem 1. April 1982 an der Universität Hamburg. Dessen Ehefrau ist seit demselben Tage beruflich tätig.
Am 16. April 1982 beantragte der Kläger die Gewährung von Kindergeld unter Berücksichtigung des Sohnes Martin. Der Präsident des Oberlandesgerichts (OLG) Celle lehnte den Antrag mit Bescheid vom 22. Juli 1982 ab, weil der Kläger seinen Sohn Martin nicht überwiegend unterhalte. Vielmehr sei dessen Ehefrau aufgrund ihres Verdienstes in der Lage, ihrem Mann – dem Sohn des Klägers – den überwiegenden Unterhalt zu gewähren. Dieser Bescheid enthielt keine Rechtsmittelbelehrung. Im Juni 1983 bat der Kläger um Überprüfung der Ablehnung des Kindergeldes, da er monatlich 700,– DM an seinen Sohn zahle, während nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) ein Unterhaltsbedarf von 660,– DM angenommen werde. Er leiste demgemäß den überwiegenden Unterhalt. Der Beklagte wiederholte mit Bescheid vom 24. Juni 1983 im wesentlichen den Inhalt seines Bescheides vom 22. Juli 1982. Der Widerspruch wurde zurückgewiesen, soweit der Kläger für die Zeit ab 1. Juni 1982 Leistungen begehrte. Dagegen bewilligte der Beklagte das Kindergeld für die Monate April und Mai 1982 (Bescheid des Präsidenten des OLG Celle vom 14. Juni 1984).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen. Auch die – vom SG zugelassene – Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat zur Begründung seiner Entscheidung ua ausgeführt, der Sohn des Klägers habe in der Zeit vom 1. Juni 1982 bis zum 30. April 1984 nicht den Ausnahmetatbestand des § 2 Abs 2a des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) erfüllt. Nach dieser Vorschrift werde Kindergeld für in Berufsausbildung stehende verheiratete Kinder unter 27 Jahren gewährt, wenn sie vom Berechtigten überwiegend unterhalten würden, weil ihr Ehegatte ihnen keinen ausreichenden Unterhalt leisten könne oder dem Grunde nach nicht unterhaltspflichtig sei. Die Vorschrift des § 2 Abs 2a BKGG sei durch das Neunte Gesetz zur Änderung des BKGG vom 22. Dezember 1981 (BGBl I, S 1566) mit Wirkung vom 1. Januar 1982 in das Gesetz eingefügt worden. Im Hinblick auf die Gesetzesbegründung habe die Bundesanstalt für Arbeit gesetzeskonform in den Durchführungsanweisungen zu § 2 Abs 2a BKGG bestimmt, daß zur Feststellung des Bedarfs eines verheirateten Kindes für den Einzelfall grundsätzlich keine Berechnung erforderlich sei. Dadurch, daß das Kindergeld nicht die individuellen Unterhaltsleistungen, sondern die typischerweise durch Kinder entstehenden Familienlasten teilweise ausgleichen solle, sei auch der Begriff des „ausreichenden Unterhalts” nicht nach bürgerlich-rechtlichen Kriterien, sondern iS der sozialrechtlichen Regelfallbetrachtung zu verstehen, wobei die Kindergeldkassen sich an den Sätzen des BAföG orientieren dürften. Zur ausreichenden Leistungsfähigkeit des Ehegatten iS der genannten Gesetzesbestimmung werde in Anlehnung an die BAföG-Bedarfssätze ein monatliches Nettoeinkommen von 1.300,– DM oder mehr angenommen. Der Betrag setze sich zusammen aus 960,– DM, der als Freibetrag für den Eigenbedarf des Ehegatten angesetzt werden könne (vgl § 25 BAföG), und dem Betrag von mehr als 330,– DM (halber Unterhaltsbedarf des Kindes), bei dem eine überwiegende Unterhaltsgewährung gegenüber dem Kinde anzunehmen sei. Eine überwiegende Unterhaltsleistung seitens der Eltern sei aber dann nicht mehr anzunehmen, wenn der Ehegatte – wie im vorliegenden Falle – 1.300,– DM und mehr verdiene. Dies gelte selbst dann, wenn die tatsächlichen Leistungen der Eltern höher als 330,– DM sein sollten. Der Beklagte habe sich für den streitigen Zeitraum vom 1. Juni 1982 bis 30. April 1984 an die Maßstäbe des Runderlasses der Bundesanstalt für Arbeit zur Durchführung des BKGG (375/74) gehalten, der durch gemeinsame Rundschreiben des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit und des Bundesministeriums des Innern vom 18. Dezember 1981 (GMBl 1982, S 27) und vom 30. August 1982 (GMBl, 1982, S 438) für die öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber (Dienstherrn) übernommen worden sei. Der Beklagte habe demnach bei der Anwendung des § 2 Abs 2a BKGG keine individuelle Berechnung des Lebensbedarfs des studierenden Kindes und des „ausreichenden Unterhalts” durch den Ehegatten anzustellen brauchen, sondern auf die generalisierenden Bedarfssätze und Freibeträge für den Ehegatten und die daraus resultierende Einkommensgrenze zurückgreifen dürfen, die im Runderlaß 375/74 der Bundesanstalt für Arbeit und in den entsprechenden Rundschreiben in Anlehnung an das BAföG angegeben worden seien. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen dieses Vorgehen beständen nicht.
Mit der – vom LSG – zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 2 Abs 2a BKGG und macht darüber hinaus geltend, daß die Vorschrift verfassungswidrig sei (Verstoß gegen Art 3 Abs 1 und Art 6 Abs 1 des Grundgesetzes -GG-). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in den letzten Jahren mehrfach entschieden, daß – ua bei der Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen bei der Einkommensteuer – keine realitätsfremden Grenzbeträge festgesetzt werden dürften, und im übrigen auch dargelegt, daß es nicht nur auf die gesetzliche Regelung, sondern auch auf die praktische Wirklichkeit ankomme. Wenn die angefochtene Entscheidung von dem Lebensbedarf eines Studenten iH von 660,– DM ausgehe, so werde hierbei verkannt, daß praktisch kein Student allein von diesem Betrag seinen Lebensunterhalt bestreiten könne. Dementsprechend seien die BAföG-Sätze in der Praxis auch nicht auf 660,– DM beschränkt. Es erfolgten vielmehr durchaus höhere Zahlungen, wobei insoweit beispielsweise auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Dezember 1985 in NJW 1986, 2067f verwiesen werde. Dort seien Förderungsleistungen in der Zeit von Oktober 1982 bis September 1983 von jeweils 687,– DM zugrundegelegt worden. Eine sachgerechte Anwendung der Bedarfssätze des BAföG sei im vorliegenden Falle nicht erfolgt. Zu Unrecht habe das Gericht eine ausreichende Leistungsfähigkeit des Ehegatten in Anlehnung an die BAföG-Bedarfssätze dann angenommen, wenn der Ehegatte ein monatliches Nettoeinkommen von 1.300,– DM oder mehr erziele. Eine solche Einkommensgrenze sei als willkürlich anzusehen. Die Berücksichtigung des Einkommens des Ehegatten eines Kindes im Rahmen der Förderung nach dem BAföG müsse anders beurteilt werden als bei der Bewilligung des Kindergeldes. Unterschiede ergäben sich beispielsweise daraus, daß jeweils das Einkommen verschiedener Zeiträume (zum einen aktuelles Einkommen, zum anderen Einkommen im vorletzten Jahr) berücksichtigt werde und im übrigen bestimmte Freibeträge nach dem BAföG nicht in gleicher Weise bei der Anwendung des § 2 Abs 2a BKGG Berücksichtigung fänden. Schon hieraus ergebe sich, daß die in den Durchführungsanweisungen vorgesehene Anlehnung an die Bedarfssätze und die Freibeträge des BAföG im Zusammenhang mit der Kindergeldanspruchsberechtigung nicht sachgerecht erscheine und insbesondere nicht zu einer Festlegung starrer Grenzen führen dürfe. Bei der Berechnung bzw Neuberechnung des maßgebenden Einkommens der Ehefrau des Kindes müßten darüber hinaus bei den vermögenswirksamen Leistungen ein Betrag von monatlich 52,– DM abgesetzt werden und auch die Samstagszuschläge bei der Berechnung des Nettoeinkommens unberücksichtigt bleiben, wie dies bei den Feiertags-, Sonntags- und Nachtzuschlägen der Fall sei. Geschehe dies, so beliefen sich die maßgeblichen Nettobezüge der Schwiegertochter des Klägers für den hier interessierenden Zeitraum auf jeweils weniger als 1.300,– DM monatlich, so daß auch aus diesem Grunde der Beklagte das geltend gemachte Kindergeld zu gewähren habe.
Der Kläger beantragt,
- das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 2. Juni 1987 zu ändern, das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 18. April 1985 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 24. Juni 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 1984 zu ändern und
- den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 1. Juni 1982 bis 30. April 1984 Kindergeld unter Berücksichtigung seines Sohnes Martin zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und macht ergänzend geltend, zu den Bruttobezügen gehörten auch die vermögenswirksamen Leistungen des Arbeitgebers. Die Samstagszuschläge müßten schon deshalb in die Berechnung des Ehegatteneinkommens einbezogen werden, weil nach § 3b Einkommensteuergesetz (EStG) nur Feiertags-, Sonntags- und Nachtzuschläge steuerfrei seien und mithin außer Betracht bleiben könnten. Verfassungsverstöße seien nicht erkennbar. § 2 Abs 2a BKGG entspreche der Entscheidung des BVerfG vom 14. Juli 1970 – 1 BvR 489/68 –. Das BVerfG habe eine Differenzierung der Verheiratetenklausel – wie sie nunmehr in § 2 Abs 2a BKGG enthalten sei – für zulässig angesehen. Auch eine Benachteiligung des verheirateten Kindes gegenüber einem ledigen Kind liege nicht vor.
Entscheidungsgründe
II
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –).
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an die Vorinstanz. Die bisher getroffenen Tatsachenfeststellungen reichen nicht aus, um über den geltend gemachten Anspruch auf Kindergeld abschließend entscheiden zu können.
Die Beteiligten gehen übereinstimmend zu Recht davon aus, daß die Grundvoraussetzungen für die kindergeldrechtliche Berücksichtigung (§ 1 Abs 1 Nr 1 und § 2 Abs 2 Nr 1 BKGG) erfüllt sind. Der Kläger hat seinen Wohnsitz im Geltungsbereich des BKGG. Sein Sohn studiert an der Universität Hamburg und befindet sich damit in Berufsausbildung.
Ob dagegen der geltend gemachte Anspruch an der Vorschrift des § 2 Abs 2a BKGG scheitert, wie das LSG angenommen hat, läßt sich noch nicht beurteilen. Nach dieser Vorschrift gilt § 2 Abs 2 Satz 1 BKGG für verheiratete, geschiedene oder verwitwete Kinder nur, wenn sie vom Berechtigten überwiegend unterhalten werden, weil ihr Ehegatte oder früherer Ehegatte ihnen keinen ausreichenden Unterhalt leisten kann oder dem Grunde nach nicht unterhaltspflichtig ist. Die Vorinstanz hat bei der Anwendung der Ausnahmenorm des § 2 Abs 2a BKGG zu Unrecht auf die Bedarfssätze des BAfÖG abgestellt. Die Voraussetzung überwiegenden Unterhalts ist erfüllt, wenn der Berechtigte mehr als die Hälfte zum Unterhalt des Kindes beisteuert (vgl dazu BSG, Urteil vom 23. Oktober 1984 – 10 RKg 12/83 – unveröffentlicht; vgl ferner BSGE 25, 157, 159 zu § 1241 RVO aF; BSG, Urteil vom 25. Januar 1979 – 8a RU 26/78 – SozR 2200 § 593 Nr 1), wenn er also mehr als die Hälfte des gesamten Unterhaltsbedarfs des Kindes abdeckt (vgl dazu auch Urteil des erkennenden Senats vom 17. Mai 1988 – 10 RKg 10/86 –). Da das BKGG keine eigene Begriffsbestimmung des „Unterhalts” enthält, ist auf die Regelung des bürgerlichen Rechts zurückzugreifen (BSG, Urteil vom 29. Oktober 1981 – 10/8b RKg 8/80 – SozR 5870 § 3 Nr 3). Nach § 1610 Abs 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bestimmt sich das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt). Der Unterhalt umfaßt gemäß § 1610 Abs 2 BGB den gesamten Lebensbedarf. Soweit das Gesetz in § 2 Abs 2a BKGG den Anspruch auf das Kindergeld von der Gewährung des überwiegenden Unterhalts an das verheiratete Kind – hier den Sohn Martin – abhängig macht, kommt es zunächst auf das Verhältnis der vom Antragsteller tatsächlich erbrachten Leistungen zum vorhandenen Lebensbedarf an. Andererseits muß aber im Rahmen des § 2 Abs 2a BKGG – unabhängig von den tatsächlich erbrachten Leistungen des Antragstellers – festgestellt werden, ob der verheiratete Ehegatte des Kindes keinen ausreichenden Unterhalt leisten kann, dh den Lebensbedarf des Kindes nicht zu decken vermag. Auch diese Frage kann nur nach dem bürgerlichen Recht entschieden werden.
Die Beklagte und das LSG haben sich bei ihrer Entscheidung zu Unrecht auf Abschnitt VI Nr 2 des Gemeinsamen Rundschreibens des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit und des Bundesministeriums des Innern vom 18. Dezember 1981 (GMBl 1982, S 27) berufen. Die in diesem Rundschreiben vorgeschriebenen Ermittlungen des monatlichen Unterhaltsbedarfs von Kindern nach festgesetzten Beträgen und die Bestimmung des „überwiegenden Unterhalts nach festen Sätzen” sind mit dem Gesetz nicht vereinbar. Zwar hat der Gesetzgeber in der Begründung zum Neunten Gesetz zur Änderung des BKGG vom 22. Dezember 1981 (BGBl I, 1566), durch das die Vorschrift des § 2 Abs 2a mit Wirkung vom 1. Januar 1982 in das BKGG eingefügt worden ist (vgl Art 1 Nr 1 Buchst c und Art 5 des 9. BKGG-ÄndG), einen Hinweis auf die Bedarfssätze und Freibeträge des BAfÖG gegeben. In den Gesetzesmaterialien – die Einfügung der genannten Vorschrift war zunächst in Art 6 Abs 1 Nr 1c des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Haushaltsstruktur vorgesehen – wird ua wörtlich ausgeführt (BT-Drucks 9/842, S 55):
„Soweit der Unterhaltsbedarf des Auszubildenden und die Unterhaltsfähigkeit des Ehegatten in Frage stehen, wird sich die Praxis an den Bedarfssätzen und Freibeträgen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes orientieren können.”
Weder aus dem Wortlaut noch aus der systematischen Stellung des § 2 Abs 2a BKGG innerhalb des Gesetzes läßt sich indessen entnehmen, daß diese Vorstellung des Gesetzgebers im Gesetz ihren Niederschlag gefunden hat. Sie ist deshalb für die Behörden und Gerichte unbeachtlich. Denn maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist. Nicht entscheidend ist dagegen die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder über die Bedeutung der Bestimmung. Der Entstehungsgeschichte einer Vorschrift kommt für deren Auslegung nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach den angegebenen Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die auf dem angegebenen Weg allein nicht ausgeräumt werden können (BVerfGE 1, 299, 312).
Wenn in § 2 Abs 2a BKGG von dem „überwiegenden” und „ausreichenden Unterhalt” die Rede ist, und keine gesetzlichen Hinweise darauf gegeben werden, daß das BKGG in dieser Bestimmung einen eigenen Begriff des Unterhalts verwendet, dann kann – schon wegen des Gesamtzusammenhangs aller Rechtsnormen innerhalb der Rechtsordnung – für die Bestimmung nur das bürgerliche Recht maßgebend sein.
Das angefochtene Urteil war deshalb aufzuheben. Um entscheiden zu können, ob der Kläger seinen Sohn Martin in der streitigen Zeit überwiegend unterhalten hat, ist zunächst dessen Unterhaltsbedarf im damaligen Zeitraum festzustellen. Dabei müssen die konkreten Lebensverhältnisse des Sohnes, zB Kosten für Unterbringung am Studienort, für seine Ausbildung usw, ermittelt werden (vgl dazu Diederichsen in Palandt, BGB, Kommentar, 45. Aufl, § 1610 Anm 2 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung). Für die Frage, ob Martins Ehefrau keinen ausreichenden Unterhalt leisten konnte, ist ihre Leistungsfähigkeit in der Zeit vom 1. Juni 1982 bis 30. April 1984 maßgebend. Ihr eigener angemessener Unterhalt durfte durch die Unterhaltsgewährung nicht gefährdet werden (§ 1603 Abs 1 BGB). Ob dies der Fall gewesen wäre, läßt sich nur unter Berücksichtigung ihrer damaligen Einkommens- und Vermögensverhältnisse, ihrer sonstigen Verpflichtungen (zB Schulden) und ihrer Lebensstellung beurteilen (vgl dazu Diederichsen, aaO, § 1603 Anm 2 und 3). Es bestehen keine Bedenken, bei der Ermittlung des Unterhaltsbedarfs für den Regelfall auf Erfahrungswerte zurückgreifen wie sie in Bedarfstabellen oder Unterhaltsrichtlinien (zB die Düsseldorfer Tabelle; dazu Diederichsen, aaO, § 1610 Anm 1) zum Ausdruck kommen (für die Anwendung des § 48 Abs 1 des Ersten Buchs des Sozialgesetzbuchs -SGB 1- s BSG SozR 1200 § 48 Nr 7 und 8). Dies wird im Rahmen einer Massenverwaltung – wie der Entscheidung über Kindergeldanträge – auch notwendig sein. Das enthebt die Gerichte aber nicht, alle von der Norm abweichenden Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, wenn solche Umstände konkret geltend gemacht werden oder sonst erkennbar sind (vgl BSG SozR 1200 § 48 Nr 8 auf S 31).
Das LSG wird danach die für die Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Vorschriften noch erforderlichen Tatsachen feststellen und auch darüber entscheiden müssen, ob Samstagszuschläge oder vermögenswirksame Leistungen im Rahmen der Unterhaltsfähigkeit der Ehefrau des Sohnes Martin zu berücksichtigen sind.
Ferner wird das Berufungsgericht auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen