Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Ablehnung des Antrags auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist
Leitsatz (redaktionell)
Mußte aus früheren Verfahren den Rechtsmittelführern bekannt sein, daß - anders als möglicherweise aus der Rechtsprechung des BAG abzuleiten (vgl. BAG, 24. 09. 1994, 2 AZB 18/94, AP Nr. 6 zu § 66 ArbGG 1979) - bei dem angerufenen Gericht bei der Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist (Antrag am letzten Tag der Frist, Eingang nach Dienstschluß beim LArbG) eine strengere Handhabung von Verfahrensvorschriften zu erwarten war (hier: bei befürchteter Verzögerung des Rechtsstreits durch bloßen Hinweis auf die urlaubsbedingte Abwesenheit des Sachbearbeiters und schlagwortartige Bezugnahme auf eine starke Belastung durch Termine und Fristen der anderen Kollegen keine erheblichen Gründe i. S. von § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG dargelegt), kann aus verfassungsrechtlicher Sicht noch nicht davon ausgegangen werden, daß im Rahmen der Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Maßstäbe angelegt wurden, die den Zugang zur Berufungsinstanz in unzumutbarer Weise erschwert hätten.
Normenkette
GG Art. 19 Abs. 4; ArbGG § 66 Abs. 1 S. 4; ZPO § 224 Abs. 2, §§ 233, 520 Abs. 2
Beteiligte
Rechtsanwälte Dr. Horst Schiessl und Partner GbR |
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
1. Die Beschwerdeführer, 12 Rechtsanwälte, kündigten einer bei ihnen beschäftigten Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten. Diese erhob dagegen Kündigungsschutzklage, welche vor dem Arbeitsgericht erfolgreich war. Gegen dieses Urteil legten die Beschwerdeführer fristgemäß Berufung zum Landesarbeitsgericht ein. Am Tag des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist beantragten sie mit einem nach Dienstschluss beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz eine Verlängerung dieser Frist um einen Monat. Der Sachbearbeiter in der Kanzlei sei derzeit urlaubsbedingt abwesend. Eine Bearbeitung der Angelegenheit durch einen anderen Kollegen sei aufgrund starker Belastung durch Termine und Fristen nicht möglich.
2. Das Landesarbeitsgericht wies den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zurück, da keine erheblichen Gründe im Sinne von § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG dafür vorgetragen seien und die Fristverlängerung zu einer Verzögerung des Rechtsstreites führe. Der bloße Hinweis auf die urlaubsbedingte Abwesenheit des Sachbearbeiters genüge ebenso wenig wie die bloß schlagwortartige Bezugnahme auf eine starke Belastung durch Termine und Fristen der anderen Kollegen.
3. Die Beschwerdeführer beantragten in der Folgezeit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und begründeten die Berufung. Die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist sei unverschuldet gewesen. Mit einer derart restriktiven Handhabung der Fristverlängerungsvorschriften durch das Gericht hätten sie nicht rechnen müssen. Das Landesarbeitsgericht wies den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurück und verwarf die Berufung der Beschwerdeführer wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig. Die Beschwerdeführer hätten nicht darauf vertrauen dürfen, dass ihrem erst am letzten Tag der Frist nach Dienstschluss eingegangenen Fristverlängerungsantrag stattgegeben würde, da sie diesen nicht ausreichend begründet hätten.
4. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer einen Verstoß gegen ihre Rechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG. Sie hätten vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH III ZB 13/85, Beschluss vom 11. Juli 1985, VersR 1985, S. 972 f.) erwarten können, dass ihrem Fristverlängerungsantrag entsprochen werde. Gerade auch im Hinblick auf die Praxis des Landesarbeitsgerichts in anderen Fällen sei für sie nicht voraussehbar gewesen, dass in diesem Fall derart hohe Anforderungen an die Begründung des Fristverlängerungsantrags gestellt würden.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen.
1. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen in diesem Zusammenhang sind vom Bundesverfassungsgericht bereits entschieden worden (BVerfGE 79, 372 ≪376 f.≫; BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, NJW 1998, S. 3703 f. m.w.N.).
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der von den Beschwerdeführern als verletzt bezeichneten Verfassungsrechte angezeigt. Sie hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Aus verfassungsrechtlicher Sicht kann noch nicht davon ausgegangen werden, dass im Rahmen der Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Maßstäbe angelegt wurden, die den Zugang der Beschwerdeführer zur Berufungsinstanz in unzumutbarer Weise erschwert hätten. Auch wenn sich aus Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, AP Nr. 5 und Nr. 6 zu § 66 ArbGG 1979) geringere Anforderungen an die Darlegung eines „erheblichen Grundes” für einen Fristverlängerungsantrag (§ 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG) ableiten ließen, musste den Beschwerdeführern bekannt sein, dass bei dem angerufenen Gericht eine strengere Handhabung von Verfahrensvorschriften zu erwarten ist, jedenfalls soweit es um die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist geht.
Die von ihnen beispielhaft vorgelegten etwa gleich lautenden Fristverlängerungsanträge aus anderen Rechtsstreitigkeiten hatten durchweg nur dann Erfolg, wenn es auf die Frage des „erheblichen Grundes” nicht ankam, wie etwa in Fällen der Verlängerung der Berufungserwiderungsfrist, die nicht zu einer Verzögerung des Rechtsstreits führte. Zum Teil wies das Landesarbeitsgericht ausdrücklich darauf hin, dass die Fristverlängerung nur im Hinblick auf die nichteintretende Verzögerung des Rechtsstreits gewährt werde, die in den jeweiligen Fällen etwa gleich lautende Begründung aber nicht geeignet sei, einen „erheblichen Grund” im Sinne von § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG darzulegen. In anderen Fällen, in denen dies vom zeitlichen Ablauf her noch möglich war, wies das Landesarbeitsgericht die Beschwerdeführer telefonisch darauf hin, dass die vorgelegte Begründung für den Fristverlängerungsantrag nicht ausreichend sei. Auch nach einer infolge dieses Hinweises erfolgten umfangreichen Ergänzung der Begründung zum Fristverlängerungsantrag war dieser dann nur teilweise erfolgreich. Vor diesem Hintergrund musste den Beschwerdeführern die strenge Handhabung der Verfahrensvorschriften durch das angerufene Gericht bekannt sein.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Kühling, Jaeger, Hömig
Fundstellen