Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsgrundlage für die Sanierung der radioaktiven Altlasten des Uranbergbaus auf dem Gebiet der ehemaligen DDR
Beteiligte
Rechtsanwälte Hartmut Gaßner und Koll. |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
1. Die Kommunalverfassungsbeschwerde betrifft die Rechtsgrundlagen für die Sanierung der radioaktiven Altlasten des Uranbergbaus in der ehemaligen DDR. In den Gemeindegebieten der Beschwerdeführerinnen wird die Sanierung solcher Altlasten von einer privatrechtlich organisierten Gesellschaft, der Wismut GmbH, durchgeführt, deren einzigen Geschäftsanteil die Bundesrepublik Deutschland hält.
2. Die Beschwerdeführerinnen wenden sich gegen das Einigungsvertragsgesetz vom 23. September 1990 (BGBl II S. 885) in Verbindung mit den dadurch in Kraft gesetzten Regelungen der Anlage I, Kapitel XII, Sachgebiet B, Abschnitt II Nr. 2 des Einigungsvertrags und der Anlage II, Kapitel XII, Abschnitt III Nrn. 2 und 3 des Einigungsvertrags, soweit dadurch Vorschriften der Strahlenschutzverordnung für die Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung radioaktiver Bodenschätze im Beitrittsgebiet keine Anwendung finden, sondern die DDR-Verordnung über Gewährleistung von Atomsicherheit und Strahlenschutz vom 11. Oktober 1984 – VOAS – (GBl I S. 341) nebst Durchführungsbestimmung vom 11. Oktober 1984 – DB-VOAS – (GBl I S. 348, bereinigt GBl I 1987 S. 196) sowie die Anordnung zur Gewährleistung des Strahlenschutzes bei Halden und industriellen Absetzanlagen und bei der Verwendung darin abgelagerter Materialien vom 17. November 1980 – Haldenanordnung – (GBl I S. 347) fortgelten. Außerdem rügen sie gesetzgeberische Untätigkeit. Sie machen eine Verletzung ihres durch Art. 28 Abs. 2 GG geschützten Selbstverwaltungsrechts, insbesondere ihrer Planungshoheit, geltend. Durch die Anwendung des bisherigen DDR-Rechts seien ihre Anhörung zu den beabsichtigten Sanierungsmaßnahmen und die Berücksichtigung ihrer Planungen bei der Sanierung ausgeschlossen. Auch nach der sonstigen Rechtslage sei dies nicht ausreichend möglich. Der Gesetzgeber müsse eine Regelung schaffen, die die Planungshoheit der Gemeinden sicherstelle. Das Selbstverwaltungsrecht der Beschwerdeführerinnen sei auch durch den mangelnden staatlichen Schutz ihrer Einwohner vor Gesundheitsgefährdungen verletzt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Sie ist unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen aus §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG genügt. Die Beschwerdeführerinnen haben die Möglichkeit einer Verletzung von Art. 28 GG durch die benannten Regelungen des Einigungsvertrags sowie durch legislatives Unterlassen nicht hinreichend dargetan (BVerfGE 74, 358 ≪369≫).
1. Sie rügen, die angegriffenen Regelungen des Einigungsvertrags verletzten dadurch ihr Selbstverwaltungsrecht, dass ein ausreichender staatlicher Schutz ihrer Einwohner vor Gesundheitsgefährdungen fehle, weil die nach dem fortgeltenden DDR-Recht anwendbaren Strahlengrenzwerte die in der Strahlenschutzverordnung enthaltenen Grenzwerte überschritten. Ungeachtet der Frage, ob die Beschwerdeführerinnen hier nicht in unzulässiger Weise Grundrechte ihrer Einwohner geltend machen (vgl. BVerfGE 31, 275 ≪280≫; 75, 192 ≪196≫; 81, 310 ≪334≫), lässt sich ihrem Vorbringen nicht entnehmen, dass das Schutzniveau der Strahlenschutzverordnung von Art. 28 GG gewährleistet sein könnte. Im Übrigen hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts in ihrem Beschluss vom 2. Dezember 1999 – 1 BvR 1580/91 – (NVwZ 2000, S. 309 ff.) ausführlich begründet, dass die aus dem Grundrecht der Einwohner auf Leben und körperliche Unversehrtheit erwachsende staatliche Schutzpflicht durch die Fortgeltung des Strahlenschutzrechts der DDR nicht verletzt ist. Dass Art. 28 GG insoweit einen weitergehenden Schutz als Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gebieten könnte, ist nicht ersichtlich.
2. Die Beschwerdeführerinnen beanstanden weiter, durch die Fortgeltung des DDR-Rechts sei der auch im Hinblick auf Art. 28 GG gebotene „Grundrechtsschutz durch Verfahren” ausgeschlossen. Abgesehen davon, dass Art. 28 Abs. 2 GG gerade keinen Grundrechtscharakter hat, sondern allein eine institutionelle Garantie enthält (vgl. nur BVerfGE 86, 90 ≪107≫), fehlt es hier an Ausführungen dazu, inwiefern die fortgeltenden Regelungen der VOAS, DB-VOAS und Haldenanordnung Auswirkungen auf das bei der Sanierung durchzuführende Verfahren und insbesondere auf kommunale Beteiligungsrechte haben könnten.
3. Soweit die Beschwerdeführerinnen rügen, auch „sonst nach der Rechtslage, wie sie der Gesetzgeber bisher gestaltet” habe, seien ihre Anhörung und die Berücksichtigung ihrer Planungen nicht hinreichend gewährleistet, hätten sie, um ihre Verfassungsbeschwerde ausreichend zu begründen, sich im einzelnen mit der geltenden „sonstigen Rechtslage” auseinandersetzen und darlegen müssen, dass diese zum Schutz der kommunalen Planungshoheit unzureichend sei. So hätten sie etwa auf § 54 Abs. 2 Satz 1 BBergG eingehen müssen, der eine Verfahrensbeteiligung der Gemeinden, deren „Aufgabenbereich als Planungsträger” durch die vorgesehenen Maßnahmen berührt wird, ausdrücklich vorsieht. Zu den bestehenden rechtlichen Möglichkeiten der Gemeinden fehlen aber jegliche Ausführungen.
4. Soweit die Beschwerdeführerinnen ausdrücklich die Untätigkeit des Gesetzgebers rügen, weil dieser kein Gesetz über die Sanierung der Hinterlassenschaften des Uranbergbaus erlassen habe, das „Art, Ausmaß und Verfahren der zulässigen Beeinträchtigung” festlege, ist schon fraglich, ob überhaupt ein zulässiger Beschwerdegegenstand vorliegt. Nach herrschender Meinung kann Rechtssetzungsunterlassen mit der Kommunalverfassungsbeschwerde nicht angegriffen werden, weil diese sich nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 91 BVerfGG nur gegen ein Gesetz, also gesetztes, positives Recht, richten kann (Clemens in: Umbach/Clemens, BVerfGG, 1992, § 91, Rn. 35; Zuck, Das Recht der Verfassungsbeschwerde, 2. Aufl., 1988, Rn. 1084; Zuck in: Lechner/Zuck, BVerfGG, 4. Aufl., 1996, § 91, Rn. 4; Schmidt-Bleibtreu in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Ulsamer, BVerfGG, Kommentar, § 91, Rn. 28; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1980, Bd. II, S. 1024; Litzenburger, Die kommunale Verfassungsbeschwerde in Bund und Ländern, 1985, S. 29; a. A. Pestalozza, Die Sicherung des Selbstverwaltungsrechts in der Verfassungsgerichtsbarkeit in: Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft ≪Hrsg.: von Mutius≫, 1983, S. 1057, 1072 f.; Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl., 1991, § 12 III 2 c), Rn. 58). Dies kann jedoch dahinstehen. Denn auch der Zulässigkeit dieser Rüge steht entgegen, dass die Beschwerdeführerinnen es versäumt haben, auf die geltende Rechtslage einzugehen und darzulegen, dass die bestehenden Regelungen zum Schutz ihrer Planungshoheit nicht ausreichten. Zudem hätte es Ausführungen dazu bedurft, inwieweit Art. 28 GG durch ein Unterlassen des Gesetzgebers verletzt sein könnte. Die Feststellung einer Verfassungswidrigkeit legislativen Unterlassens kommt nur dann in Betracht, wenn der Gesetzgeber damit die Grenzen seines Einschätzungs- und Gestaltungsspielraums, der ihm auch bei der Ausgestaltung der Einrichtung der kommunalen Selbstverwaltung zukommt (vgl. etwa BVerfGE 76, 107 ≪118≫; 79, 127 ≪153≫), überschritten hat (vgl. BVerfGE 56, 54 ≪81≫; 77, 170 ≪215≫; 79, 174 ≪202≫). Hierzu tragen die Beschwerdeführerinnen nichts vor.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Limbach, Hassemer, Di Fabio
Fundstellen
Haufe-Index 565315 |
NVwZ 2001, 66 |