Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Wirksamkeit der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses innerhalb der Wartezeit.
I.
Die Beschwerdeführerin wurde zum 1. Oktober 1998 als Chefärztin in einem vom Beklagten des Ausgangsverfahrens betriebenen Krankenhaus eingestellt. Noch im Oktober 1998 kam es zwischen ihr und Dr. S…, ihrem Stellvertreter, zu Differenzen. Die Beschwerdeführerin warf Dr. S… unter anderem vor, eine Operation nicht fachgerecht ausgeführt und die Patientin nicht ordnungsgemäß aufgeklärt zu haben. Es fanden mehrere Personalgespräche statt. Schließlich beschloss der Krankenhausausschuss die Entlassung der Beschwerdeführerin. Das Arbeitsverhältnis wurde am 4. Dezember 1998 innerhalb der Probezeit ordentlich gekündigt.
Das Arbeitsgericht gab der gegen die Kündigung gerichteten Klage der Beschwerdeführerin statt. Das Landesarbeitsgericht wies die Klage auf die Berufung des Arbeitgebers durch das hier angegriffene Urteil ab. Die Kündigung sei wirksam. Sie verstoße insbesondere nicht gegen § 242 BGB. Der Kündigungsentschluss des Arbeitgebers habe auf einem nachvollziehbaren, plausiblen und vertretbaren Motiv beruht. Der Arbeitgeber habe aufgrund seines Kenntnisstands im Zeitpunkt der Kündigung von der mangelnden Eignung und fehlenden Sozialkompetenz der Beschwerdeführerin ausgehen dürfen.
Das Bundesarbeitsgericht wies durch den ebenfalls mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschluss die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen die Nichtzulassung der Revision teils als unzulässig, teils als unbegründet zurück.
II.
Die Beschwerdeführerin rügt die Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 2 GG, Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 33 Abs. 2 GG durch das Urteil des Landesarbeitsgerichts und den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts.
1. Das angegriffene Urteil verletze sie in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip. Sie sei lediglich ihrer Verpflichtung nachgekommen, Vorkommnisse von erheblicher Bedeutung dem Dienstvorgesetzten zu melden. Daraus dürften ihr – ähnlich wie es das Bundesverfassungsgericht zu Zeugenaussagen gegen den Arbeitgeber entschieden habe (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 2. Juli 2001 – 1 BvR 2049/00 –, NZA 2001, S. 888) – keine Nachteile entstehen.
2. Indem das Landesarbeitsgericht diesen Grundsatz mißachtet habe, habe es auch gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstoßen, weil es das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß an Bestandsschutz für Arbeitsverhältnisse unberücksichtigt gelassen habe. Dieser Bestandsschutz müsse auch innerhalb der Probezeit beachtet werden, weil anderenfalls die Gefahr bestünde, dass der Arbeitnehmer seinen für den Arbeitgeber unangenehmen Verpflichtungen nicht nachkomme, um nicht dadurch Anlass für eine Kündigung zu geben. Der Kündigungsschutz dürfe auch nicht dadurch unterlaufen werden, dass dem Arbeitnehmer kaum widerlegbare Kündigungsgründe, zum Beispiel Führungsschwäche, unterstellt würden. An die Nachvollziehbarkeit derartiger Behauptungen müssten deshalb erhöhte Anforderungen gestellt werden.
3. Das Landesarbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass Art. 33 Abs. 2 GG das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG verstärke. Es habe außerdem verkannt, dass die Beschwerdeführerin wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden sei. Darin liege ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 GG.
III.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen des § 93 Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der von der Beschwerdeführerin als verletzt bezeichneten Grundrechte angezeigt, da sie keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25 f.≫).
1. Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit sie sich gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts richtet, unbegründet. Die Beschwerdeführerin wird durch die angegriffene Entscheidung nicht in ihren Grundrechten verletzt.
a) Das Landesarbeitsgericht hat bei der Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Generalklauseln zur Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung des Arbeitsvertrags den Grundrechtsschutz der Beschwerdeführerin aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht verkannt.
aa) Das Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes ist durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt (vgl. BVerfGE 97, 169 ≪175, 176≫). Art. 12 Abs. 1 GG gewährt zwar keinen unmittelbaren Schutz gegen den Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund privater Disposition. Insofern obliegt dem Staat aber eine aus dem Grundrecht folgende Schutzpflicht, der die geltenden Kündigungsschutzvorschriften Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 84, 133 ≪146 f.≫; 85, 360 ≪372 f.≫; 92, 140 ≪150≫; 97, 169 ≪175≫). Wo die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes nicht greifen, sind die Arbeitnehmer durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vor einer sitten- oder treuwidrigen Kündigung des Arbeitgebers geschützt. Im Rahmen dieser Generalklauseln ist auch der objektive Gehalt der Grundrechte zu beachten (vgl. BVerfGE 97, 169 ≪178≫).
Dem durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Interesse des Arbeitnehmers an einer Erhaltung seines Arbeitsplatzes steht das ebenfalls durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Interesse des Arbeitgebers gegenüber, in seinem Unternehmen nur Mitarbeiter zu beschäftigen, die seinen Vorstellungen entsprechen, und ihre Zahl auf das von ihm bestimmte Maß zu beschränken (vgl. BVerfGE 97, 169 ≪176≫). Die kollidierenden Grundrechtspositionen sind in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und so zu begrenzen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. BVerfGE 89, 214 ≪232≫; 97, 169 ≪176≫).
Den Gerichten obliegt es, den durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährten grundrechtlichen Schutz durch Auslegung und Anwendung der Kündigungsschutzvorschriften und zivilrechtlichen Generalklauseln zu gewähren und im Einzelfall zu konkretisieren. Ihre Beurteilung und Abwägung von Grundrechtspositionen im Verhältnis zueinander kann das Bundesverfassungsgericht nur darauf überprüfen, ob die angegriffene Entscheidung Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den Rechtsfall von einigem Gewicht sind (vgl. BVerfGE 103, 89 ≪100≫ m.w.N.). Dagegen ist es nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts zu kontrollieren, wie die Gerichte den Schutz im Einzelnen auf der Grundlage des einfachen Rechts gewähren (vgl. BVerfGE 96, 152 ≪164≫ m.w.N.).
bb) Ausgehend von diesen Maßstäben hat das Landesarbeitsgericht bei der Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung den aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Grundrechtsschutz der Beschwerdeführerin nicht verkannt.
(1) Das Landesarbeitsgericht hat seiner Entscheidung die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Bestandsschutz des Arbeitnehmers außerhalb des Geltungsbereichs des allgemeinen Kündigungsschutzes nach § 1 KSchG ausdrücklich zugrunde gelegt. Es hat berücksichtigt, dass der Arbeitnehmer vor einer willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigung zu schützen ist. Bei der Subsumtion im Einzelfall hat das Landesarbeitsgericht das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Interesse der Beschwerdeführerin am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ebenso wie das Interesse des Arbeitgebers an dessen Beendigung gewürdigt. Es hat mit nachvollziehbarer Begründung angenommen, dass die Kündigung nicht willkürlich und folglich nicht wegen Verstoßes gegen § 242 BGB oder gemäß § 138 Abs. 1 BGB unwirksam sei.
Das Landesarbeitsgericht hat den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers darauf überprüft, ob er auf der Grundlage der Umstände, die dem Arbeitgeber im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung bekannt waren, auf einer plausiblen Beurteilung der fehlenden Eignung der Beschwerdeführerin beruhte. Dass Kündigungsgründe nur unterstellt wurden, hat das Landesarbeitsgericht mit einer ausführlichen, sorgfältigen Begründung ausgeschlossen. Es hat die vom Arbeitgeber angegebenen Gründe für die Trennung von der Beschwerdeführerin nicht ungeprüft hingenommen, sondern einer Missbrauchskontrolle unterzogen.
Eine darüber hinaus gehende Kontrolle verlangt auch der nach Art. 12 Abs. 1 GG gebotene Mindestschutz der Arbeitsverhältnisse außerhalb des Anwendungsbereichs des allgemeinen Kündigungsschutzes nach § 1 KSchG nicht. Dies gilt nicht nur im Kleinbetrieb, sondern auch für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der Wartezeit gemäß § 1 Abs. 1 KSchG, das heißt in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG, Urteil vom 22. Mai 2003 – 2 AZR 426/02 –, AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit; BAG, Urteil vom 16. September 2004 – 2 AZR 447/03 –, AR-Blattei ES 960 Nr. 74; stRspr). Das Vertrauen des Arbeitnehmers in den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ist in diesem Zeitraum dadurch beschränkt, dass der Arbeitnehmer hier mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses ohne den Nachweis von Gründen rechnen muss, erst recht wenn die Arbeitsvertragsparteien eine Probezeit vereinbart haben. Umgekehrt hat der Arbeitgeber bei der Einstellung eines Arbeitnehmers regelmäßig ein berechtigtes Interesse daran, prüfen zu können, ob der neue Mitarbeiter seinen Vorstellungen entspricht.
(2) Diese Grundsätze gelten auch bei einer Einstellung im öffentlichen Dienst nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG. Durch Art. 33 Abs. 2 GG wird das Recht des Arbeitgebers, während der sechsmonatigen Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des neu eingestellten Arbeitnehmers zu überprüfen, nicht eingeschränkt. Nur wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Kündigung sogleich wieder einen Anspruch auf Einstellung gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hätte, wäre die Kündigung treuwidrig (vgl. BAG, Urteil vom 1. Juli 1999 – 2 AZR 926/98 –, AP Nr. 10 zu § 242 BGB Kündigung). Dies hat das Landesarbeitsgericht in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint.
(3) Eine andere Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung war auch nicht deshalb verfassungsrechtlich geboten, weil die Beschwerdeführerin mit ihrer Kritik an Dr. S… lediglich ihren Pflichten gegenüber dem Arbeitgeber nachgekommen wäre. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wurde nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht auf die Kritik als solche gestützt, sondern auf die Art und Weise des Vorgehens der Beschwerdeführerin.
b) Das angegriffene Urteil verletzt die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 2 GG. Das Landesarbeitsgericht hat nachvollziehbar begründet, dass die Kündigung nicht wegen Verstoßes gegen § 611a BGB unwirksam sei, weil keine Anhaltspunkte vorlägen, aus denen sich ableiten ließe, dass maßgebliches Motiv für die Kündigungsentscheidung eine Benachteiligung der Beschwerdeführerin wegen ihres Geschlechts gewesen sei. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts wird der Bedeutung und Tragweite des Grundrechts der Beschwerdeführerin aus Art. 3 Abs. 2 GG gerecht.
2. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).
Unterschriften
Haas, Bryde, Eichberger
Fundstellen
Haufe-Index 1548655 |
NZA 2006, 913 |
ArztR 2007, 179 |
SPA 2006, 7 |