Verfahrensgang
OLG Zweibrücken (Beschluss vom 30.12.2005; Aktenzeichen 2 WF 243/05) |
AG Ludwigshafen (Beschluss vom 13.12.2005; Aktenzeichen 5 c F 155/05) |
AG Ludwigshafen (Beschluss vom 17.11.2005; Aktenzeichen 5 c F 155/05) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage der Berücksichtigung des Bezugs von Arbeitslosengeld II bei der Streitwertfestsetzung in einer Ehesache.
I.
1. Die Beschwerdeführerin ist Rechtsanwältin. Sie wurde einer Ehefrau, der für ein Scheidungsverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt worden war, beigeordnet. Dem Ehemann wurde Prozesskostenhilfe mit einer monatlichen Ratenzahlung bewilligt.
Das Amtsgericht setzte den Gegenstandswert für die Ehesache nach § 48 Abs. 3 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) auf 2.682 € fest. Hiergegen erhob die Beschwerdeführerin im eigenen Namen Beschwerde und wies darauf hin, dass zum monatlichen Nettoeinkommen der Parteien nicht nur das Arbeitslosengeld des Antragsgegners (von monatlich 894 €), sondern auch das von der Antragstellerin bezogene Arbeitslosengeld II (von monatlich 515,53 €) gehöre.
Die Beschwerde blieb vor dem Oberlandesgericht ohne Erfolg. Sozialleistungen seien nach überwiegender – auch vom Senat in ständiger Rechtsprechung vertretener – Ansicht nicht zum Einkommen zu zählen.
2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung des als verletzt bezeichneten Grundrechts angezeigt, da die Verfassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫).
Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG.
1. Die am Ausgangsverfahren beteiligten Gerichte legen “Nettoeinkommen” in § 48 Abs. 3 Satz 1 GKG so aus, dass ohne Gegenleistung erhaltene Sozialleistungen, so genannte Transferzahlungen wie insbesondere Sozialhilfe, die frühere Arbeitslosenhilfe und jetzt das Arbeitslosengeld II, nicht zum Einkommen zählen. Diese Auslegung der einfachrechtlichen Norm zur Streitwertberechnung ist zwar nicht unumstritten, entspricht aber der überwiegenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur (vgl. OLG Dresden [10. Zivilsenat], FamRZ 2004, S. 1225; OLG Karlsruhe, FamRZ 1998, S. 572; Musielak, ZPO, 4. Aufl. 2005, § 3 Rn. 25; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2003, § 3 Rn. 32 m.w.N.; a.A. OLG Dresden [22. Zivilsenat], FamRZ 2002, S. 1640; Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl. 2005, § 48 GKG Rn. 38).
2. Verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet diese Auslegung des § 48 Abs. 3 Satz 1 GKG nicht.
a) Die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind allein Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen; nur bei einer Verletzung von spezifischem Verfassungsrecht durch die Gerichte kann das Bundesverfassungsgericht auf eine Verfassungsbeschwerde hin eingreifen (vgl. BVerfGE 1, 418 ≪420≫). Die normalen Subsumtionsvorgänge innerhalb des einfachen Rechts sind so lange der Nachprüfung des Bundesverfassungsgerichts entzogen, als nicht Auslegungsfehler sichtbar werden, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind. Eine Grundrechtswidrigkeit liegt noch nicht vor, wenn eine Entscheidung, am einfachen Recht gemessen, objektiv fehlerhaft ist; der Fehler muss gerade in der Nichtbeachtung von Grundrechten liegen (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫).
b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe sind die angegriffenen Entscheidungen nicht zu beanstanden.
Zur Begründung einer Grundrechtsverletzung kann sich die Beschwerdeführerin insbesondere nicht auf die Entscheidung der Kammer vom 23. August 2005 (NJW 2005, S. 2980) berufen. Dort ist entschieden, dass die Festsetzung des Mindeststreitwertes von 2.000 € (§ 48 Abs. 3 Satz 2 GKG) aufgrund Bewilligung ratenfreier Prozesskostenhilfe für beide Parteien die grundrechtlich geschützte Freiheit der beigeordneten Rechtsanwälte verletzt. Tragender Gedanke dieser Entscheidung ist, dass die Fachgerichte mit der erneuten Berücksichtigung des – zwar legitimen, aber bereits zur Begründung einer herabgesetzten Prozesskostenhilfevergütung herangezogenen – Gemeinwohlbelangs der Schonung öffentlicher Kassen die Berufsfreiheit beigeordneter Rechtsanwälte unverhältnismäßig beschränkt.
Im vorliegenden Fall haben die Gerichte des Ausgangsverfahrens jedoch weder den Mindeststreitwert festgesetzt, noch ihre Entscheidungen auf den Umstand der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für beide Parteien gestützt. Das Oberlandesgericht des Ausgangsverfahrens vertritt im Gegenteil in zwei veröffentlichten Entscheidungen (OLG Zweibrücken, NJW-RR 2004, S. 355 und JurBüro 1984, S. 900 f.) ausdrücklich die Auffassung, bei der Streitwertfestsetzung komme es nicht darauf an, ob Prozesskostenhilfe bewilligt worden sei. Die beanstandete Auslegung beruht daher nicht auf der Berücksichtigung eines Gemeinwohlbelangs, der bereits zur Rechtfertigung eines anderen Grundrechteingriffs herangezogen wurde.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).
Unterschriften
Papier, Steiner, Gaier
Fundstellen
NJW 2006, 1581 |
FamRZ 2006, 841 |
FPR 2007, 375 |
NJW-Spezial 2006, 300 |