Verfahrensgang
BSG (Beschluss vom 22.04.2004; Aktenzeichen B 10 LW 22/03) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 25.09.2003; Aktenzeichen L 10 LW 3547/02) |
SG Stuttgart (Gerichtsbescheid vom 31.07.2002; Aktenzeichen S 6 LW 5804/01) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft Fragen der Versicherungspflicht von Landwirtsehegatten nach § 1 Abs. 3 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) vom 29. Juli 1994 (BGBl I S. 1890).
I.
1. Die Beschwerdeführerin ist die Ehefrau eines Gartenbauunternehmers. Sie arbeitet in seinem Betrieb mit, jedoch nicht im gärtnerischen Bereich, sondern im Verkauf. Außerdem führt sie den Haushalt. Im Ausgangsverfahren machte sie geltend, die Versicherungspflicht der Landwirtsehegatten sei verfassungswidrig. Sie hatte vor den Sozialgerichten keinen Erfolg. Diese verwiesen vor allem auf Urteile des Bundessozialgerichts (BSGE 83, 145 ff.; 81, 294 ff.). Das Bundessozialgericht verwarf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin als unzulässig. Sie entspreche nicht den Begründungsanforderungen der §§ 160 Abs. 2 Nr. 1, 160 a Abs. 2 Satz 3 SGG.
2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin unter anderem eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 1 GG. Ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG liege vor, weil ein in der landwirtschaftlichen Alterssicherung Versicherter höchstens mit einer Rendite von 25 vom Hundert seiner eingezahlten Beiträge rechnen könne. Die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 9. Dezember 2003 (vgl. BVerfGE 109, 96 ≪118≫) über die gute Rendite in der landwirtschaftlichen Alterssicherung treffe nicht zu. Man dürfe bei der Bewertung der Rentabilität einer Versicherung nicht die staatlichen Zuschüsse berücksichtigen. Außerdem verletze der für alle Versicherten gleiche Fixbeitrag das Prinzip der Belastung nach Leistungsfähigkeit. Schließlich sei § 1 Abs. 3 ALG mit Art. 19 Abs. 1 GG unvereinbar. Er sei kein allgemeines Gesetz. In der Alterskasse für den Gartenbau (gemeint wohl: in der landwirtschaftlichen Alterssicherung insgesamt) seien weniger als 150.000 Ehegatten versichert; dies seien weniger als 0,2 vom Hundert der deutschen Bevölkerung.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung nach § 93 a Abs. 2 BVerfGG anzunehmen. Sie hat keine Aussicht auf Erfolg. Dabei kann offen bleiben, ob sie unzulässig ist, weil die Beschwerdeführerin keine ordnungsgemäße Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundessozialgericht erhoben und deshalb möglicherweise entgegen § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG den Rechtsweg nicht ordnungsgemäß erschöpft hat (vgl. BVerfGE 34, 204 ≪205≫; BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, NJW-RR 1995, S. 916). Jedenfalls ist eine Verletzung von verfassungsmäßigen Rechten der Beschwerdeführerin nicht ersichtlich.
1. Die Versicherungspflicht nach § 1 Abs. 3 ALG verletzt nicht die Eigentumsrechte der Versicherten. Art. 14 GG schützt nicht das Vermögen als solches gegen Geldleistungspflichten und Zwangsbeiträge. Eine Eigentumsverletzung kommt nur in Betracht, wenn die Zahlungsverpflichtungen den Betroffenen in einer Weise übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse so grundlegend beeinträchtigen, dass sie eine erdrosselnde Wirkung haben (vgl. BVerfGE 95, 267 ≪300≫; stRspr). An einer solchen Wirkung fehlt es hier.
a) Die Beiträge von monatlich 198 EUR (West) und 166 EUR (Ost) im Jahre 2003 belasten einen Versicherten höchstens – bei einem Familieneinkommen von 31.000 EUR – mit 15,3 vom Hundert der ihm familienrechtlich zuzurechnenden Hälfte dieses Einkommens. Unter und über dieser Einkommensgrenze liegt die Belastung wegen der aus Steuermitteln gewährten Beitragszuschüsse und wegen des Fixbeitrags noch niedriger. Diese Belastung ist geringer als in der gesetzlichen Rentenversicherung und daher zumutbar (vgl. BVerfGE 109, 96 ≪117 f.≫).
b) Die Beitragspflicht der Landwirtsehegatten hat auch keine erdrosselnde Wirkung. Eine solche Wirkung liegt nicht bereits dann vor, wenn eine Geldleistungspflicht die Fortführung einzelner Unternehmen unmöglich macht. Sie muss diese Wirkung als Regel haben (vgl. BVerfGE 95, 267 ≪301≫). Dazu ist aber in der Verfassungsbeschwerde nicht hinreichend vorgetragen worden. Auch die allgemeinen Wirtschaftsdaten der Landwirtschaft lassen den Schluss auf eine erdrosselnde Wirkung nicht zu. Die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe mit einer Fläche ab 2 ha ist zwar im Jahre 2001 um 2,6 vom Hundert gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. Diese Abnahmerate liegt aber unterhalb des langjährigen Mittelwerts von 3,2 vom Hundert pro Jahr zwischen den beiden Landwirtschaftszählungen von 1991 und 1999 (vgl. Ernährungs- und agrarpolitischer Bericht 2002 der Bundesregierung, BTDrucks 14/8202, S. 27 Abschn. 38). Abgesehen davon hat sich die Ertragslage der Landwirtschaft seit dem Wirtschaftsjahr 1994/1995 mit einer Ausnahme stetig verbessert. Der Unternehmensgewinn der Haupterwerbsbetriebe hat sich jährlich um durchschnittlich 6,2 vom Hundert erhöht, im Wirtschaftsjahr 2000/2001 sogar um 17,7 vom Hundert auf 36.535 EUR (vgl. a.a.O., S. 33 Abschn. 63). Bei den Nebenerwerbsbetrieben mit einem Standardbetriebseinkommen ab 2.556 EUR jährlich stieg er 2000/2001 um durchschnittlich 5,9 vom Hundert auf 5.685 EUR (a.a.O., S. 38 Abschn. 79 f.).
b) Auch unter dem Gesichtspunkt der Beitragsäquivalenz ist eine Grundrechtsverletzung nicht erkennbar. Die Rendite der landwirtschaftlichen Alterssicherung ist wegen der hohen Bundeszuschüsse von bis zu 80 vom Hundert der Ausgaben gut (vgl. BVerfGE, 109, 96 ≪118≫). Ob diese Rendite auf Zuschüssen Dritter oder auf der „Rentabilität” der Beiträge beruht, ist ohne Belang, wenn es um die Vereinbarkeit der Beitragsbelastung des Versicherten mit Art. 14 Abs. 1 GG geht.
2. Art. 19 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht verletzt. Abgesehen davon, dass diese Norm kein gemäß § 90 Abs. 1 BVerfGG rügefähiges Grundrecht enthält, bestehen keine Zweifel, dass § 1 Abs. 3 ALG ein allgemeines Gesetz im Sinne dieser Vorschrift darstellt. Allgemein ist jedes Gesetz, das wegen der abstrakten Fassung der gesetzlichen Tatbestände nicht absehen lässt, auf wie viele und welche Fälle es Anwendung findet (vgl. BVerfGE 99, 367 ≪400≫). Unerheblich ist, wie groß oder klein die Gruppe der Betroffenen ist. § 1 Abs. 3 ALG trifft jeden, der die Voraussetzungen der Norm erfüllt, also jeden, der einen Landwirt heiratet oder dessen Ehegatte eine landwirtschaftliche Tätigkeit aufnimmt. Dies ist eine unbestimmte Anzahl von Personen.
3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Steiner, Hohmann-Dennhardt
Fundstellen
Haufe-Index 1278637 |
NVwZ 2005, 323 |