Entscheidungsstichwort (Thema)
Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften. Beamtenstatut. Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten. Örtlicher Bediensteter bei der Vertretung der Kommission in Österreich. Besteuerung
Beteiligte
Finanzamt für den 6., 7. und 15. Bezirk |
Tenor
Die Entscheidung eines Gemeinschaftsorgans über den Status eines ihrer Bediensteten und die für ihn geltende Beschäftigungsregelung ist für die nationalen Verwaltungs- und Justizbehörden bei der Anwendung der Artikel 13 und 16 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften bindend, so dass diese keine eigenständige Einstufung des fraglichen Dienstverhältnisses vornehmen können.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Unabhängigen Finanzsenat, Außenstelle Wien (Österreich), mit Entscheidung vom 28. Juni 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 6. Juli 2004, in dem Verfahren
AB
gegen
Finanzamt für den 6., 7. und 15. Bezirk
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter K. Lenaerts, K. Schiemann, E. Juhász (Berichterstatter) und M. Ilešič,
Generalanwalt: L. A. Geelhoed,
Kanzler: R. Grass,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der österreichischen Regierung, vertreten durch H. Dossi als Bevollmächtigten,
- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und C. Jurgensen-Mercier als Bevollmächtigte,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Fernandes und M. Mesquita Palha als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Krämer und C. Ladenburger als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 28. April 2005
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 13 und 16 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften, das ursprünglich dem am 8. April 1965 unterzeichneten Vertrag zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften beigefügt war und sodann durch den Vertrag von Amsterdam dem EG-Vertrag beigefügt wurde (im Folgenden: Protokoll).
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn AB, einem örtlichen Bediensteten bei der Vertretung der Kommission in Wien, und dem Finanzamt für den 6., 7. und 15. Bezirk (im Folgenden: Finanzamt) über die Frage, ob Herr AB der nationalen Einkommensteuer unterliegt.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3 Nach Artikel 28 Absatz 1 des Vertrages zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften und jetzt, nach Inkrafttreten des Vertrages von Amsterdam, gemäß Artikel 291 EG genießt die Gemeinschaft im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Vorrechte und Befreiungen nach Maßgabe des Protokolls.
4 Artikel 13 des Protokolls bestimmt:
„Von den Gehältern, Löhnen und anderen Bezügen, welche die Gemeinschaften ihren Beamten und sonstigen Bediensteten zahlen, wird zugunsten der Gemeinschaften eine Steuer gemäß den Bestimmungen und dem Verfahren erhoben, die vom Rat auf Vorschlag der Kommission festgelegt werden.
Die Beamten und sonstigen Bediensteten sind von innerstaatlichen Steuern auf die von den Gemeinschaften gezahlten Gehälter, Löhne und Bezüge befreit.”
5 Artikel 16 des Protokolls sieht vor:
„Der Rat bestimmt auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung der anderen betroffenen Organe die Gruppen von Beamten und sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften, auf welche die Artikel 12, 13 Absatz 2 und Artikel 14 ganz oder teilweise Anwendung finden.
Namen, Dienstrang und -stellung sowie Anschrift der Beamten und sonstigen Bediensteten dieser Gruppen werden den Regierungen der Mitgliedstaaten in regelmäßigen Zeitabständen mitgeteilt.”
6 In Artikel 18 Absatz 1 des Protokolls wird klargestellt, dass die Vorrechte, Befreiungen und Erleichterungen den Beamten und sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften ausschließlich im Interesse der Gemeinschaften gewährt werden.
7 Auf der Grundlage von Artikel 16 des Protokolls erließ der Rat die Verordnung (Euratom, EGKS, EWG) Nr. 549/69 vom 25. März 1969 zur Bestimmung der Gruppen von Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften, auf welche die Artikel 12, 13 Absatz 2 und Artikel 14 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Gemeinschaften Anwendung finden (ABl. L 74, S. 1). In Artikel 2 dieser Verordnung heißt es:
„Artikel 13 Absatz 2 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Gemeinschaften gilt für folgende Gruppen:
- Personen, die unter das Statut der Beamten oder unter die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften fallen, einschließlich Empfänger der bei Stellenenthebungen aus dienstlichen Gründen vorgesehenen Vergütung, mit Ausnahme der örtlichen Bediensteten;
…”
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