Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Freizügigkeit. Arbeitnehmer. Gleichbehandlung. Soziale Vergünstigungen. Hinterbliebenenpension. Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Nationale Regelung, nach der die Gewährung einer Hinterbliebenenpension von der Eintragung einer in einem anderen Mitgliedstaat wirksam eingegangenen und eingetragenen Lebenspartnerschaft in das nationale Register abhängig gemacht wird
Normenkette
AEUV Art. 45; Verordnung (EU) Nr. 492/2011 Art. 7 Abs. 1-2
Beteiligte
Caisse nationale d'assurance pension |
Caisse nationale d'assurance pension |
Tenor
Art. 45 AEUV und Art. 7 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union in der durch die Verordnung (EU) 2016/589 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2016 geänderten Fassung
sind dahin auszulegen, dass
sie einer Regelung eines Aufnahmemitgliedstaats entgegenstehen, nach der dem überlebenden Lebenspartner einer in einem anderen Mitgliedstaat wirksam eingegangenen und eingetragenen Lebenspartnerschaft eine Hinterbliebenenpension, die ihm wegen der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit durch den verstorbenen Lebenspartner im Aufnahmemitgliedstaat zusteht, nur gewährt wird, wenn die Lebenspartnerschaft zuvor in ein von diesem Staat geführtes Register eingetragen wurde.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Luxemburg) mit Entscheidung vom 25. November 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 1. Dezember 2021, in dem Verfahren
GV
gegen
Caisse nationale d'assurance pension
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Safjan (Berichterstatter) sowie der Richter N. Jääskinen und M. Gavalec,
Generalanwalt: A. M. Collins,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von GV, vertreten durch P. R. Mbonyumutwa, Avocat,
- der Caisse nationale d'assurance pension, vertreten durch A. Charton und M. Thewes, Avocats,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch B.-R. Killmann und D. Martin als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 18, 45 und 48 AEUV sowie von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. 2011, L 141, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) 2016/589 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2016 (ABl. 2016, L 107, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 492/2011).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen GV, einer französischen Staatsangehörigen, und der Caisse nationale d'assurance pension (Nationale Pensionsversicherungsanstalt, Luxemburg) (im Folgenden: CNAP) wegen deren Weigerung, GV nach dem Tod ihres Lebenspartners eine Hinterbliebenenpension zu gewähren.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Verordnung Nr. 883/2004
Rz. 3
Art. 3 („Sachlicher Geltungsbereich”) Abs. 1 Buchst. e der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 1372/2013 der Kommission vom 19. Dezember 2013 (ABl. 2013, L 346, S. 27) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 883/2004) sieht vor, dass die Verordnung Nr. 883/2004 für die Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit gilt, die Leistungen an Hinterbliebene betreffen.
Rz. 4
Art. 4 („Gleichbehandlung”) dieser Verordnung lautet:
„Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates.”
Rz. 5
Art. 5 („Gleichstellung von Leistungen, Einkünften, Sachverhalten oder Ereignissen”) Buchst. b der Verordnung sieht vor:
„Sofern in dieser Verordnung nicht anderes bestimmt ist, gilt unter Berücksichtigung der besonderen Durchführungsbestimmungen Folgendes:
…
b) Hat nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats der Eintritt bestimmter Sachverhalte oder Ereignisse Rechtswirkungen, so berücksichtigt dieser Mitgliedstaat die in einem anderen Mitgliedstaat eingetretenen entsprechenden Sachverhalte oder Ereignisse, als ob sie im eigenen Hoheitsgebiet eingetreten wären.”
Verordnung Nr. 492/2011
Rz. 6
Art. 7 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 492/2011 bestimmt:
„(1) Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, darf aufgrund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohn...