Dr. Undine Krebs
Vor kurzem begrüßte mich meine Mitarbeiterin mit der Frage, ob ich schon die neue Bewertung auf einem bekannten Anwaltsportal gelesen hätte. Eine gewisse Andrea Müller habe dort geschrieben, dass ich leider kein Interesse habe, einen Vergleich auszuarbeiten oder Kosten zu sparen, sondern nur das Verfahren in die Länge ziehen wolle, da ich keine konstruktiven Vorschläge machen könne. Meine clevere Assistentin ist der Sache sofort nachgegangen und fand heraus, dass die Bewertung nicht von einer unzufriedenen Mandantin, sondern von der Ehefrau meines Mandanten, also der Gegenseite ins Netz gestellt worden ist.
Diese Gegnerin ist in der Korrespondenz ausgesprochen unhöflich und obendrein sehr fordernd. Obwohl sie eine anwaltliche Vertretung hat, wendet sie sich in einzelnen Angelegenheiten direkt an mich, da sie teilweise sich selbst vertritt. Bei diesen Schreiben verzichtet sie auf Anreden und Grußfloskeln. Weil mein Mandat ihrer Forderung, die beiden im gemeinsamen Eigentum stehenden Immobilien zu einem deutlich unter dem Marktwert liegenden Preis an sie zu übertragen, nicht nähertreten wollte, lehnte ich ihr diesbezügliches "Angebot" für ihn ab. Ihre Wut darüber richtete sich im Netz nun gegen mich.
Leider ist eine solche Reaktion kein Einzelfall. Von einer erfahrenen und sehr kompetenten Kollegin, die in einer Kleinstadt tätig ist, wurde mir mitgeteilt, dass ein bösartiger Gegner sie als "rechthaberisch" und mit "mannhafter Stimme versehen" diffamiert hatte und obendrein auch ihren angeblichen männerfeindlichen Auftritt (wie immer man sich das vorstellen mag …) im Netz thematisierte. Bei dieser "Bewertung" war für jeden Leser aber sofort klar, dass ein unterlegener Prozessgegner nur ein Ventil für seine Frustration gesucht hat. Gerade zu drollig waren dann die weiteren Ausführungen des Mannes. Man konnte lesen, dass die Anwältin nach Ansicht des Bewerters sogar so von sich überzeugt sei, dass sie den amtsgerichtlichen Beschluss, den das Gericht nicht nach ihrer Rechthaberei entschieden hatte (sic), unverständlicherweise mit einer Beschwerde angegriffen habe. Denkt man an die Volksweisheit, dass viel Feind gleichzeitig viel Ehr bedeutet, so scheint diese Bewertung nicht nachteilig. Wer bewertet, vergibt aber gleichzeitig auch Sterne. Die Kollegin berichtete mir dazu nun, dass viele potentielle Mandanten die Kommentierung selbst nicht lesen, sondern nur die Anzahl der Bewertungssterne registrieren und sich dann an deren Anzahl orientieren. Aus diesem Grund habe sich diese Bewertung durchaus negativ auf ihre Kanzlei ausgewirkt und sie habe auch einen Umsatzrückgang verzeichnen müssen, da dieser Gegner zudem auf allen Portalen unablässig aktiv war. Sie hatte diese Bewertung immer wieder löschen lassen, doch tauchte sie dennoch wieder im Netz auf.
Bei den Kommentierungen durch meine Verfahrensgegnerin wird der Eindruck erweckt, dass es sich um meine Mandantin handelt, die ich tatsächlich einmal so schlecht vertreten hätte. Der Anbieter des Portals hat nun auf meine Aufforderung hin nicht lediglich nur diese Bewertung gelöscht, sondern gleich auch das positive Echo, das ich von anderen Mandaten erhalten hatte. Angeblich werde die Gegnerin nun aufgefordert nachzuweisen, dass sie tatsächlich Mandantin von mir war. Sollte dies nicht innerhalb einer Frist erfolgen, wird dieser Kommentar von ihr gelöscht und mein Bewertungsprofil ist wieder im Netz. In einem solchen Fall bleibt zu überlegen, ob man auch zivilrechtlich gegen diese Person vorgehen sollte. Allerdings kostet dies wieder viel Zeit. Was folgt für mich aus dieser Erfahrung:
Vor der Annahme eines Mandats kann man eine gewisse Vorsicht in Bezug auf die Person des Mandanten walten lassen – aber auch dann fragt man sich oft, wieso man nicht gleich gemerkt hatte, dass die Annahme des Mandats von diesem Mandanten ein großer Fehler ist. In einem solchen Fall auch noch prognostizieren zu können, wie sich der Ehegatte bzw. die Ehegattin der eigenen Mandantschaft aufführen wird, ist sicherlich nicht möglich. Manchmal muss man dann als Anwalt ausbaden, welche unglückliche Wahl die Mandantschaft getroffen hat.
Autor: Dr. Undine Krebs
Dr. Undine Krebs, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht, München
FF 1/2019, S. 1