Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff der Betriebsstätte in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG
Leitsatz (amtlich)
Für die Auslegung des in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG verwendeten Begriff der Betriebsstätte ist die allgemeine Begriffsbestimmung des § 12 AO nicht heranzuziehen.
Normenkette
AO § 12; EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6, § 9 Abs. 4
Tatbestand
Der Kläger war im Streitjahr (2014) als Honorararzt selbständig tätig und ermittelte seinen Gewinn im Wege der Einnahmen-Überschussrechnung. Der Kläger war im Streitjahr an folgenden Krankenhäusern tätig:
Klinik G |
06.01.-28.02. |
53 Arbeitstage |
Klinik B |
03.03.-11.03. |
9 Arbeitstage |
Klinik W |
25.03. |
1 Arbeitstag |
Klinik H |
13.04.-09.05. |
27 Arbeitstage |
Klinik S |
12.05.-27.06. |
46 Arbeitstage |
Klinik W |
30.06.-31.12. |
90 Arbeitstage |
Der Kläger suchte die Krankenhäuser jeweils mit seinem dem Betriebsvermögen zugeordneten Kfz auf, mit dem er im Streitjahr insgesamt 35.963 km zurücklegte. Die Verträge mit den jeweiligen Krankenhäusern wurden jeweils für einen von vornherein bestimmten Zeitraum geschlossen. Für die Tätigkeit in W wurde dem Kläger von dem Krankenhaus unentgeltlich eine Unterkunft zur Verfügung gestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Honorararzt-Vertrag zwischen der Klinikum W GmbH und dem Kläger vom 29. April 2014 (Blatt 53 f. der Einspruchsakte).
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr gab der Kläger Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 268.385 € an. In der Einnahmen-Überschussrechnung des Klägers für das Streitjahr wurden u.a. Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 5.542 € sowie Fahrtkosten in einer Gesamthöhe von 22.902,65 € (Leasingkosten: 14.394,24 €; Steuern, Versicherung und Maut: 2.213,50 €; sonstige tatsächliche Fahrtkosten ohne AfA und Zinsen: 6.294,91 €) als Betriebsausgaben in Abzug gebracht. Für die private Nutzung des Kfz brachte der Kläger Betriebseinnahmen in Höhe von 390,66 € in Ansatz.
Mit Schreiben vom 26. April 2016 führte der Beklagte aus, es sei beabsichtigt, die Fahrten als "Honorarvertreter" zu den jeweiligen Kliniken aufgrund der Neuregelung des steuerlichen Reisekostenrechts als Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 6 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzusetzen. Die Fahrtkosten seien mit der Entfernungspauschale anzusetzen und ein Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen entfalle.
Laut den vorliegenden Unterlagen und den Arbeitsverträgen aus dem Jahr 2013 handele es sich bei dem Berufsbild des Klägers als Arztvertreter um eine von vornherein befristete Beschäftigung, die nacheinander an verschiedenen Kliniken ausgeübt werde. Die Tätigkeit werde an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung dauerhaft für einen bestimmten Zeitraum ausgeübt. Dauerhaftigkeit i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG liege vor, wenn die steuerlich erhebliche Tätigkeit an einer Tätigkeitsstätte unbefristet, für eine Dauer von voraussichtlich mehr als 48 Monaten oder für die gesamte Dauer der betrieblichen Tätigkeit ausgeübt werden solle. Für die Prognose der voraussichtlichen Dauer könne auf die Dauer des Auftragsverhältnisses abgestellt werden. Mit dem Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages seien demnach diese Voraussetzungen erfüllt und die Dauer der jeweiligen Beschäftigung sei maßgebend.
Mit Bescheid vom 13. Juli 2016 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für das Streitjahr auf 101.343 € fest, wobei er Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 283.046 € zu Grunde legte. In den Erläuterungen wurde ausgeführt, dass gebeten werde, zukünftig zu beachten, dass die Entfernungspauschale nur für eine Fahrt pro Arbeitstag angesetzt werden könne. Die Abweichungen von den erklärten Angaben seien dem Kläger mit Schreiben vom 26. April 2016 mitgeteilt worden. Wegen der von dem Beklagten gegenüber den von dem Kläger angesetzten Fahrtkosten vorgenommenen Kürzungen wird Bezug genommen auf die Aufstellung "Ermittlung der abzugsfähigen KFZ-Kosten 2014" (Blatt 56 der Gewinnermittlungsakte).
Mit seinem gegen den Bescheid vom 13. Juli 2016 gerichteten Einspruch machte der Kläger geltend, die Erhöhung des Gewinns durch die Kürzung von Aufwendungen für Fahrtkosten sowie Verpflegungsmehraufwendungen sei rechtswidrig. Der reisekostenrechtliche Betriebsstättenbegriff im EStG 2014 sei unverändert aus dem alten Recht übernommen worden. Die Neudefinition der ersten Tätigkeitsstätte als Ausgangspunkt der Auswärtstätigkeit beschränke der Gesetzeswortlaut auf Arbeitnehmer. Dieser Begriff werde durch das Weisungsrecht des Arbeitgebers bestimmt. Er sei deswegen von der Natur der Sache her nicht ansatzweise auf Unternehmer übertragbar.
Inwieweit die Neudefinition der ersten Tätigkeitsstätte beim Arbeitnehmer auf die Auslegung des Betriebsstättenbegriffs ausstrahle, bleibe abzuwarten. Insbesondere stehe eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu der Frage aus, ob ein Unternehmer im Reisekostenrecht mehrere Betriebsstätten haben könne und ob er bei längerfristiger Tätigkeit in den Räumen e...