Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung eines Betriebsratsmitglieds. In zwei Instanzen erfolgloser Antrag auf Zustimmungsersetzung zur beabsichtigten Kündigung eines Betriebsratsmitglieds wegen der Äußerung, der Arbeitgeber habe "Stasimethoden" angewandt. Außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds. Beleidigung. Anwendung von Stasi-Methoden durch den Arbeitgeber

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zwar können grobe Beleidigungen des Arbeitgebers einen wichtigen Grund für eine außerordentiche Kündigung darstellen; bei einem Betriebsratsmitglied verlangt dies vor dem Hintergrund der potenziell gegebenen konfliktgeneigten Position jedoch eine besonders strenge Prüfung.

2. Die Äußerung, der Arbeitgeber wende Stasi-Methoden an, rechtfertigt daher nicht zwingend eine außerordentliche Kündigung.

 

Normenkette

BetrVG § 103; BGB § 626; KSchG § 15

 

Verfahrensgang

ArbG Kassel (Entscheidung vom 14.09.2010; Aktenzeichen 6 BV 1/10)

 

Tenor

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kassel vom 14. September 2010 - 6 BV 1/10 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Im vorliegenden Beschlussverfahren begehrt die Antragstellerin als beteiligte Arbeitgeberin die Ersetzung der Zustimmung des beteiligten Betriebsrats zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung seiner stellvertretenden Vorsitzenden, der beteiligten Arbeitnehmerin A.

Im Rahmen der Anhörung des Betriebsrats zur beabsichtigten Kündigung eines anderen Arbeitnehmers warf der Betriebsrat der Arbeitgeberin vor, diese Kündigung auf Tatsachen zu stützen, die sie durch Auswertung eines Schließanlagensystems gewonnen hatte, das unstreitig ohne Zustimmung des Betriebsrats installiert und in Betrieb genommen worden war. In seiner vom Betriebsratsvorsitzenden B unterzeichneten Stellungnahme vom 18. Januar 2010, wegen deren Inhalt im Übrigen auf Bl. 21f d.A. verwiesen wird, befand sich u.a. folgende Passage:

"Ihre unzulässige Verhaltenskontrolle, die uns an die dunkelsten Kapitel der jüngeren deutschen Geschichte erinnern lässt, kann keinen Mitarbeiter dazu verpflichten, ein genaues Protokoll über seine Bewegungen am Arbeitsplatz zu führen."

Unter anderem diese Äußerung wurde in einem gemeinsamen Monatsgespräch am 21. Januar 2010 thematisiert, an dem sechs Betriebsratsmitglieder und drei weitere Mitarbeiter der Arbeitgeberin, u.a. der Logistikleiter, Herr C, teilnahmen. Im Laufe dieses Gesprächs bat Herr C die Mitglieder des Betriebsrats um ihre persönliche Interpretation der zitierten Passage. Die beteiligte Arbeitnehmerin äußerte sich dahingehend, dass das Verhalten der leitenden Mitarbeiter im Gespräch mit dem Arbeitnehmer, dem gekündigt werden sollte und an dem auch ein Betriebsratsmitglied teilnahm, "die reinsten Stasimethoden" gewesen seien. Als Herr C die beteiligte Arbeitnehmern bat, ihre Aussage zu wiederholen, sagte sie: "Ja, eure Vorgehensweise, das sind Stasimethoden."

Die beteiligte Arbeitgeberin beabsichtigt, der beteiligten Arbeitnehmerin außerordentlich zu kündigen. Sie hat die Auffassung geäußert, die Arbeitnehmerin habe die an dem Mitarbeitergespräch beteiligten Herren so gravierend beleidigt, dass ihr eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar sei.

Nachdem der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung nicht zugestimmt hat, verfolgt die Arbeitgeberin ihre Kündigungsabsicht im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren weiter.

Wegen des zu Grunde liegenden Sachverhalts im Übrigen, des Vorbringens der Beteiligten und ihrer Anträge erster Instanz wird auf Teil I. der Gründe des angefochtenen Beschlusses (Bl. 238 - 242 d.A.) verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Es hat dies - kurz zusammengefasst - damit begründet, dass die beteiligte Arbeitnehmerin die Arbeitnehmer C und S zwar durch ihre Äußerung beleidigt habe und dies an sich einen Grund für eine außerordentliche Kündigung auch eines Betriebsratsmitglieds darstelle, dass die beabsichtigte Kündigung aber dennoch unwirksam sei, weil nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip eine Abmahnung die angemessene Reaktion dargestellt hätte.

Gegen diesen Beschluss vom 14. September 2010, auf dessen Inhalt zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, richtet sich die Beschwerde der Arbeitgeberin.

Sie äußert die Auffassung, das Arbeitsgericht habe zwar zu Recht eine schwerwiegende Beleidigung und einen Kündigungsgrund an sich angenommen, aber zu Unrecht eine Abmahnung für ausreichend erachtet. Es habe sich bei der Äußerung der Arbeitnehmerin nicht um eine Spontanäußerung im engen Kreis gehandelt, sondern um eine auf Befragen wiederholte Beleidigung in einem Kreis von insgesamt neun Personen, die keiner Verschwiegenheits- oder Geheimhaltungspflicht unterworfen gewesen seien. Auf Grund dieser beharrlichen Verhaltensweise und dem Umstand, dass sich die beteiligte Arbeitnehmerin weder entschuldigt noch erklärt habe, dass es ihr leid tue, müsse sie, die Arbeitgeberin, damit rechnen, dass ihre Mitarbeiter und Vertreter erneut mit ähnlichen Erkl...

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