Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliges Verfügungsverfahren über die Frage der Untersagung von Arbeitskampfmaßnahmen der Gewerkschaft der Lokführer (GdL) im Personenverkehr und in der Infrastruktur. Anforderungen an den Erlass einer einstweiligen Verfügung, gerichtet auf die Untersagung eines Streiks
Leitsatz (redaktionell)
Eine Unterlassungsverfügung, die auf den Abbruch eines laufenden oder unmittelbar bevorstehenden Streiks abzielt, ist wie eine Befriedigungsverfügung anzusehen, da sie die Hauptsache regelmäßig vorwegnimmt. Die einstweilige Verfügung muss umso eher erlassen werden, je offensichtlicher die Rechtswidrigkeit der Streikmaßnahme ist. Keine Voraussetzung ist deren Rechtswidrigkeit. Das aus Art. 9 Abs. 3 GG resultierende Recht auf einen Arbeitskampf wir nicht einschränkungslos gewährleistet. Eine Einschränkung kann vor allem durch andere verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter eingeschränkt werden.
Normenkette
ArbGG § 62 Abs. 2, § 97 Abs. 5 S. 1; GG Art. 9 Abs. 3, Art. 14; BGB §§ 823, 1004
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 08.01.2024; Aktenzeichen 6 Ga 4/24) |
Tenor
Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 8. Januar 2024 - 6 Ga 4/24 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren über die Frage der Untersagung von Arbeitskampfmaßnahmen im Personenverkehr und in der Infrastruktur ab Mittwoch, 10. Januar 2024, 02:00 Uhr bis Freitag, 12. Januar 2024, 18:00 Uhr sowie im Güterverkehr ab Dienstag, 9. Januar 2024, 18:00 Uhr bis Freitag, 12. Januar 2024, 18:00 Uhr.
Bei der Verfügungsklägerin handelt es sich um den A, der eine Vielzahl von Unternehmen des DB-​Konzerns, darunter alle im Antrag genannten DB-​Unternehmen, als Mitglieder angehören. Sie schließt seit vielen Jahren die Tarifverträge für diese DB-​Unternehmen ab.
Bei der Verfügungsbeklagten handelt es sich um die B, die auch schon in der Vergangenheit Tarifverträge mit der Verfügungsklägerin abschloss. Sie organisiert einen Teil der bei den Bahnunternehmen tätigen Lokomotivführer und des weiteren Zugpersonals sowie nunmehr auch einen geringen Teil anderer Arbeitnehmer.
Die Verfügungsbeklagte kündigte die weitaus überwiegende Anzahl der mit der Verfügungsklägerin für die Unternehmen des DB-​Konzerns geschlossenen Tarifverträge. Die Kündigungen erfolgten zum 31. Oktober 2023.
Am 6. Januar 2023 wurde die Leiharbeitsgenossenschaft C gegründet. Gemäß § 2 Ziff. 1 der Satzung bezweckt die Genossenschaft die Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Belange der Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes. In § 2 Ziff. 3 heißt es:
"Der Gegenstand der Genossenschaft ist es, die Genossenschafts-​Mitglieder mit dem Beschäftigungsschwerpunkt Schienenverkehr zu vereinen und deren Genossenschaftsanteile zur Verbesserung der materiellen und immateriellen Arbeits- und Lebensbedingungen zu verwalten und zukünftig weiter auszubauen. Dies erfolgt durch alle geeigneten Maßnahmen, insbesondere durch den arbeitsrechtlich zulässigen Einsatz von Arbeitnehmern im Wege der Arbeitnehmerüberlassung an Eisenbahnverkehrsunternehmen auf Basis von Tarifverträgen mit der im Eisenbahnmarkt anerkannten Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer. Die dadurch erzielte Tarifbindung zielt darauf ab, der Negativentwicklung bei den sozialen Standards im Eisenbahnmarkt entgegenzuwirken. Das Personal-​Entleih-​System wird sich an den Wohnorten der Mitarbeiter orientieren."
Mitglieder der Genossenschaft können nach § 3 Ziff. 2 der Satzung nur Gewerkschaftsmitglieder der Verfügungsbeklagten sein.
Die Geschäfte der C leitet der Vorstand. Der Vorstand besteht nach § 32 Ziff. 1 Satz 1 der Satzung aus zwei Mitgliedern, die zugleich Mitglieder der Genossenschaft und natürliche Personen sein müssen (Selbstorganschaft). Weitere Organe sind der Aufsichtsrat und die Generalversammlung. Die Generalversammlung wählt nach § 16 Ziff. 4 der Satzung die Mitglieder des Aufsichtsrats. Der Aufsichtsrat hat nach § 27 Ziff. 1 der Satzung u.a. die Aufgabe, die Geschäftsführung des Vorstands zu überwachen. Gemäß § 30 Ziff. 4 der Satzung beschließen der Vorstand und der Aufsichtsrat nach gemeinsamer Beratung und durch getrennte Abstimmung über die Grundsätze der Geschäftspolitik. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Satzung der C wird auf die Anl. Ast 5 verwiesen.
Der Vorstand der Verfügungsbeklagten besteht aus D, E, F und G. Geschäftsführer der Tarifabteilung ist Herr H.
Initiatoren der Gründung der C waren die Herren D und F. D, E, F und G sind Gründungsmitglieder.
Der Vorstand der C. besteht aus den Herren I und J. Sie sind auch Mitglieder bei der Verfügungsbeklagten. E, F und G sind Aufsichtsratsmitglieder bei der C, Herr F dabei Aufsichtsratsvorsitzender. Der Aufsichtsrat besteht aus drei Personen.
Die Verfügungsbeklagte hat mit der C am 13. September 2023 einen Haustarifvertrag (HausTV FT) abgeschlossen.
Die Vergütun...