Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Einigungsgebühr. Einbeziehung mehrerer Klageverfahren in einen gemeinsamen Vergleich
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer gemeinsamen Einigung in mehreren Rechtsstreitigkeiten derselben Beteiligten entsteht die Einigungsgebühr grundsätzlich in jedem Verfahren.
2. Die Einigungsgebühr entsteht daher in allen zur gleichen Terminsstunde verhandelten und durch einen gemeinsamen Vergleich erledigten Klageverfahren.
Tenor
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 29. September 2020 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus Prozesskostenhilfe festzusetzenden Rechtsanwaltsvergütung in Anwendung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG).
Im Ausgangsverfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (S 5 AS 1956/14) begehrte die Klägerin des Ausgangsverfahrens die Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) im Zeitraum vom 1. Oktober 2014 bis 31. März 2015. Streitgegenständlich war ein Bescheid über die Ablehnung der Leistungen vom 4. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2014. Die Klägerin erhob am 24. November 2014 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main. Sie beantragte mit der Klageerhebung die Gewährung von Prozesskostenhilfe und fügte die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei. Mit Beschluss vom 25. Mai 2016 gewährte das Sozialgericht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Beschwerdegegnerin. Am 15. August 2018 wurde der Rechtsstreit gemeinsam mit einem Parallelverfahren (S 5 AS 1445/14), in dem der vorhergehende Zeitraum vom 1. April 2014 bis 30. September 2014 streitig war, erörtert und durch Vergleich erledigt. Die Kosten des Gerichtsverfahrens wurden gegeneinander aufgehoben. Der Beigeladene des Ausgangsverfahrens verpflichtete sich, für ein durch diesen Vergleich erledigtes Widerspruchsverfahren die Hälfte der Kosten für dieses Widerspruchsverfahren zu übernehmen. Der Termin dauerte 75 Minuten.
Die Beschwerdegegnerin beantragte mit Schreiben vom 22. November 2018 die Festsetzung der Gebühren im Rahmen der Prozesskostenhilfe und machte folgende Gebühren geltend:
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Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV-RVG |
170,00 € |
Einigungsgebühr, Nr. 1006 VV-RVG |
170,00 € |
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV-RVG |
280,00 € |
Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen, Nr. 7002 VV-RVG |
20,00 € |
Zwischensumme |
640,00 € |
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV-RVG |
121,60 € |
Endsumme |
761,60 € |
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Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte die Gebühren durch Beschluss vom 11. Dezember 2018 wie folgt fest:
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Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV-RVG |
170,00 € |
Einigungsgebühr, Nr. 1006 VV-RVG |
100,00 € |
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV-RVG |
280,00 € |
Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen, Nr. 7002 VV-RVG |
20,00 € |
Zwischensumme |
570,00 € |
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV-RVG |
108,30 € |
Endsumme |
678,30 € |
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass eine Einigungsgebühr zwar entstanden sei, jedoch durch den Vergleich zwei Klageverfahren erledigt worden seien, so dass die Gebühr zwischen beiden Verfahren anteilig aufzuteilen sei. Dabei werde die im Verfahren S 5 AS 1445/14 maßgebliche Verfahrensgebühr in Höhe von 200,00 € zugrunde gelegt.
Die Beschwerdegegnerin legte hiergegen am 18. Dezember 2018 Erinnerung ein, der die Urkundsbeamtin durch Verfügung vom 18. Dezember 2018 nicht abhalf. Die Beschwerdegegnerin führte aus, dass die Einigungsgebühr nicht nur einmal entstehe und verwies auf eine Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen vom 7. April 2016, L 7 AS 35/14 B.
Der Beschwerdeführer erachtete die Aufteilung der einmalig entstandenen Einigungsgebühr als zutreffend.
Das Sozialgericht setzte durch Beschluss vom 29. September 2020 die Vergütung der Beschwerdegegnerin auf insgesamt 761,60 € fest. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass in beiden durch Vergleich erledigten Klageverfahren eine Einigungsgebühr entstanden sei. Daran ändere eine gemeinsame Verhandlung und Protokollierung nichts. Etwas Anderes ergebe sich nur, wenn es sich um dieselbe Angelegenheit gemäß § 16 RVG gehandelt hätte oder die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung gemäß § 113 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verbunden worden wären. Beides sei jedoch nicht der Fall gewesen. Hiergegen wurde die Beschwerde zugelassen.
Der Beschwerdeführer hat gegen den ihm am 30. September 2020 zugestellten Beschluss am 2. Oktober 2020 Beschwerde beim Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben. Das Sozialgericht hat am 5. Oktober 2020 der Beschwerde nicht abgeholfen.
Der Beschwerdeführer verweist auf die Entscheidung des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen vom 6. Oktober 2016, L 19 AS 646/17 B. Der Abschluss eines einheitlichen außergerichtlichen oder gerichtlichen Vergleichs bringe den übereinstimmenden Willen des Gerichts, der Beteiligten und ihrer Bevollmächtigten zum Ausdruck, die Sachen a...