Die Revision ist zugelassen, das Urteil noch nicht rechtskräftig.

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung des Berufsschadensausgleiches für eine Friseuse

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Berufsschadensausgleich eines Friseurs ist nach dem Durchschnittsverdienst „aller erfaßten Handwerkszweige”, also der neun erfaßten Handwerkszweige für „männliche Arbeiter” zu berechnen (Fortführung von BSG, Urteil vom 29. Januar 1970 – 8 RV – 385/68 –).

2. Der Berufsschadensausgleich für eine Friseuse kann nicht deshalb nach den Bruttomonatsverdiensten der weiblichen Arbeiter in der Herren- und Damenschneiderei zusammen nur unter dem Gesichtspunkt berechnet werden, daß sonstige Bruttomonatsverdienste im Handwerk für weibliche Arbeiter vom Statistischen Bundesamt nicht erfaßt werden. Vielmehr gebietet der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 3 SGG), der seinen Ausfluß in der Lohngleichheit von Mann und Frau findet, mindestens dann, wenn die einschlägigen Tarifverträge keinen Unterschied zwischen Männer- und Frauenarbeit und auch keine „Leichtlohngruppen” vorsehen, für die Berechnung des Berufsschadensausgleiches die Gleichstellung eines Friseuse mit einem Friseur.

 

Normenkette

DVO § 3 Abs. 2; BVG § 30 Abs. 3-4; GG Art. 3 Abs. 2-3

 

Verfahrensgang

SG Kassel (Urteil vom 20.05.1974; Aktenzeichen S-7/V-49/72)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 20. Mai 1974 aufgehoben und der Bescheid des Beklagten vom 30. August 1971 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 1972 dahingehend abgeändert, daß der Klägerin ab 1. Januar 1964 Berufsschadensausgleich nach dem Durchschnittseinkommen eines Vollgesellen in „allen erfaßten Handwerkszweigen” (das ist aus den neun in der Tabelle 5 des Statistischen Bundesamtes, Fachserie M. Reihe 16, unter „männliche Arbeiter” erwähnten Handwerkszweigen) zu zahlen ist.

Der Beklagte hat der Klägerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, wie das rechtskräftige Urteil des Sozialgerichtes Kassel vom 26. April 1971 auszulegen ist. Mit diesem Urteil wurde der Beklagte verurteilt, der 1930 geborenen Klägerin vom 1. Januar 1964 ab Berufsschadensausgleich nach dem Durchschnittseinkommen eines Vollgesellen aller statistisch erfassten Handwerkszweige zu zahlen.

In der Begründung seines Urteiles war das Sozialgericht davon ausgegangen, daß die Klägerin ohne ihre Schädigung „wahrscheinlich der Gruppe der Friseurgehilfen angehört hätte”. Mit seinem Bescheid vom 30. August 1971 führte der Beklagte dieses Urteil vom 26. April 1971 aus. Hierbei ging er von dem nach seiner Auffassung maßgebenden durchschnittlichen Bruttomonatseinkommen der „weiblichen Vollgesellen Herren- und Damenschneiderei” aus. Dem Widerspruch half er mit Bescheid vom 8. Februar 1972 nicht ab, da für weibliche Vollgesellen im Handwerk durch das Statistische Bundesamt nur die Herren- und Damenschneiderei erfasst sei. Das von der Klägerin begehrte Durchschnittseinkommen eines männlichen Vollgesellen im Handwerk könne nicht berücksichtigt werden.

Auf die Klage holte das Sozialgericht Kassel eine Auskunft des Statistischen Bundesamtes vom 22. März 1973 ein. Hiernach werden bei der laufenden Verdiensterhebung im Handwerk weibliche Beschäftigte nur im Herren- und Damenschneiderhandwerk erfasst. In den übrigen Handwerkszweigen, in denen diese Statistik durchgeführt wird, spielen Frauen zahlenmäßig eine unbedeutende Rolle. Die Statistik werde nur in den 10 wichtigsten Handwerkszweigen durchgeführt, zu denen das Friseurhandwerk nicht zählt, wobei auch der Umstand eine Rolle gespielt haben dürfte, daß der Lohn nur einen Teil der Einkünfte aus dem Arbeitsverhältnis darstellt, während das Trinkgeld mit einer Erhebung nicht zu ermitteln ist. Das Statistische Bundesamt übersandte die zwischen dem 1. März und 31. Dezember 1972 gültigen Lohntafeln der Tarifverträge für das Friseurhandwerk und das Damenschneiderhandwerk in Hessen, deren Lohngruppen auf einem ähnlichen Ausbildungsstand nach dem Schreiben vom 22. März 1973 aufbauen. Nach diesen Lohntafeln erhalten Gesellinnen im Damenschneiderhandwerk ab 1. März 1972 nach dem 3. Jahr nach der Lehre monatlich 365,– DM, bei Herstellung von besonderen Bekleidungsarten 380,– DM, 425,– DM oder 435,– DM. Im Friseurhandwerk werden nach dem Lohntarifvertrag vom 31. Januar 1972 in der Lohngruppe I für erste Kräfte und Meister 1.024,76 DM und für zweite Kräfte ab dritten Gehilfenjahr 819,06 DM monatlich gezahlt. Eine Unterscheidung von männlichen und weiblichen Arbeitnehmern findet nach diesem Tarifvertrag nicht statt.

Die Klägerin vertrat die Auffassung, nach dem Tenor des rechtskräftigen Urteils vom 26. April 1971 müsse der Durchschnittsbruttomonatsverdienst eines männlichen Vollgesellen aller vom Statistischen Bundesamt erfassten Handwerkszweige zu Grunde gelegt werden. Hierfür spreche der Gleichbehandlungsgrundsatz von Männern und Frauen und die Tat...

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