Normenkette
BGB § 1960 Abs. 1 S. 2, § 1961
Verfahrensgang
AG Berlin-Charlottenburg (Beschluss vom 20.05.2021; Aktenzeichen 60 VI 839/19) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten wird der Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 20.5.2021 dahin abgeändert, dass eine Nachlasspflegschaft mit dem Wirkungskreis "Räumung und Abwicklung des Mietverhältnisses der Seniorenwohnung H ..." angeordnet wird.
Die Entscheidung über Auswahl und Bestellung des Nachlasspflegers wird dem Nachlassgericht übertragen.
Gründe
I. Der Erblasser verstarb am 16.9.2019 in seiner Mietwohnung, einer Seniorenwohnung am H ... . Vermieterin ist die W ... S ..., die Wohnung trägt die Wohnungsnummer ....
Der Erblasser stand unter Betreuung, Betreuer war Rechtsanwalt Dr. B ....
Der Erblasser hatte mehrere Verwandte. Aus der Nachlassakte ergeben sich folgende Feststellungen zu den möglichen Erben:
1. Der Bruder P ... B ... (geb. am xx.xx.1957) verstarb am xx.xx.2013 (Bl. 28). Er hatte eine Tochter, L ... S ... B ... (geb. am xx.xx.2006); deren leibliche Mutter ist Frau M ... B ... . (Bl. 29).
Am 27.10.2020 erklärte M ... B ... als allein sorgeberechtigte Mutter für ihre Tochter L ... S ... die Ausschlagung der Erbschaft (Bl. 70). Mit Beschluss vom 16.6.2021 wurde die Ausschlagung familiengerichtlich genehmigt (Bl. 111).
2. Die Eltern des Erblassers sind bereits verstorben (Bl. 28).
3. Der Bruder des Erblassers, G ... B ... (geboren am xx.xx.1964) hat zwei Kinder, N ... B ... und S ... B ... (Bl. 28). N ... B ... hat ihrerseits zwei Kinder (Bl. 32).
G ... B ... erklärte am 24.2.2020 beim Amtsgericht Neukölln die Erbausschlagung (Bl. 43).
S ... B ... erklärte am 5.3.2020 beim Amtsgericht Spandau die Erbausschlagung, dies zugleich für ihre beiden minderjährigen Kinder L ... J ... B ... und A ... A ... B ..., für die sie alleine sorgeberechtigt ist (Bl. 45).
N ... B ... erklärte am 24.11.2020 vor dem Amtsgericht Goslar die Anfechtung der Erbannahme und erklärte die Erbausschlagung für ihr Kind J ... M ... (geb. am xx.xx.2011)(Bl. 81). Der mitsorgeberechtigte Vater, D ... M ..., erklärte für seine Tochter J ... am 24.2.2021 Anfechtung der Erbannahme und Ausschlagung der Erbschaft (Bl. 95). Das Amtsgericht Charlottenburg wies ihn am 10.3.2021 darauf hin, dass diese Erklärung verfristet sein dürfte (Bl. 98), die Wirksamkeit der Ausschlagung/Anfechtung werde erst in einem Erbscheinsverfahren geprüft (Bl. 100).
Der Sohn von N ... B ..., S ... J ... B ... (geb. am xx.xx.2000), erklärte am 24.11.2020 vor dem Amtsgericht Goslar die Erbausschlagung (Bl. 83)
4. Der Neffe des Erblassers mütterlicherseits C ... R ... (geb. am xx.xx.1974) erklärte am 3.11.2020 die Ausschlagung der Erbschaft (Bl. 71). Zugleich erklärte er die Ausschlagung für sein Kind C ... S ... R ..., für das er mitsorgeberechtigt ist.
Die Beteiligte hat die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft zur Sicherung des Nachlasses in den Mieträumen sowie zur gerichtlichen Geltendmachung der Mietzinsansprüche/Kündigung/Räumung sowie die Bestellung eines Nachlasspflegers gemäß den §§ 1960, 1961 BGB beantragt. Es bestünden Mietrückstände von 4.889,93 EUR (Stand November 2020).
Mit Schreiben vom 10.9.2020 hat das Nachlassgericht "als Vertreter der unbekannten Erben" das Mietverhältnis gekündigt und anheim gestellt, vom Vermieterpfandrecht Gebrauch zu machen und die Wohnung selbst zu räumen gemäß § 562 BGB. Die Beteiligte hat darauf mit Schreiben vom 16.9.2020 erwidert, dass es für eine Kündigung durch das Nachlassgericht keine gesetzliche Grundlage gebe. Es lägen vielmehr die Voraussetzungen für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft vor.
Mit Beschluss vom 20.5.2021 hat das Amtsgericht den Antrag der Beteiligten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Voraussetzungen zur Einleitung einer Nachlasspflegschaft nicht vorlägen, da keine Erbenungewissheit bestünde. Zudem sei der Vermieter auf sein Vermieterpfandrecht hingewiesen worden nach Freigabe der Wohnung.
Der Beschluss ist der Beteiligten am 28.5.2021 zugestellt worden. Hiergegen richtet sich ihre Beschwerde vom 18.6.2021, die am 21.6.2021 bei Gericht eingegangen ist. Sie macht geltend, dass Erbenungewissheit bestehe. Dies sei schon dann gegeben, wenn die Annahme der Erbschaft durch Erben ungewiss sei. Zudem sei § 1960 Abs. 1 S. 2 BGB schon wegen der erklärten Ausschlagungen erfüllt.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 20.8.2021 nicht abgeholfen und die Sache dem Kammergericht vorgelegt, bei dem die Akte am 26.8.2021 eingegangen ist.
II. Die gemäß den §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft gemäß den §§ 1961, 1960 BGB sind erfüllt. Die Erben des Erblassers sind derzeit noch unbekannt, jedenfalls ist die Annahme der Erbschaft ungewiss. Ferner hat die Beteiligte als ehemalige Vermieterin Ansprüche gegen den Nachlass, für deren Durchsetzung sie der Nachlasspflegschaft bedarf.
1. Nach § 1960 Abs. 1 Satz 1 BGB hat das Nachlassgericht bis zur Annahme de...