Verfahrensgang
AG Berlin-Wedding (Aktenzeichen 64 VI 217/90) |
LG Berlin (Aktenzeichen 83 T 3/91) |
Tenor
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 1.500,– DM.
Gründe
Die Erblasserin ist am 19. Februar 1989 mit letztem Wohnsitz in den damaligen Ostsektoren B. verstorben, ohne eine letztwillige Verfügung errichtet zu haben. Am 7. März 1989 hat die Beteiligte zu 1., eine kinderlose Tochter der Erblasserin, die damals ebenfalls im Ostteil B. wohnte, zu Protokoll des Staatlichen Notariats … die Erbschaft ausgeschlagen. Anschließend – nach ihrem Vorbringen am 15. März 1989 – reiste sie mit Genehmigung der Behörden der ehemaligen DDR aus dem Gebiet der DDR aus. Mit einem Schreiben vom 16. März 1990 hat die Beteiligte zu 1. gegenüber dem Staatlichen Notariat … ihre Erbausschlagung mit der Begründung angefochten, sie sei dazu von den Behörden der ehemaligen DDR in der Weise genötigt worden, daß ihre Genehmigung zur Ausreise von der Erbausschlagung abhängig gemacht worden sei. Das Staatliche Notariat hat die Erbausschlagung dennoch für wirksam erachtet und den Beteiligten zu 2. bis 5., die ebenfalls Kinder der Erblasserin sind, unter dem 16. Mai 1990 nach gesetzlicher Erbfolge einen Erbschein erteilt, der sie als Erben zu je 1/4 ausweist. Zum Nachlaß gehört kein Immobiliarvermögen.
Die Beteiligte zu 1. hat daraufhin noch vor der Vereinigung Deutschlands gegenüber dem Staatlichen Notariat beantragt, den Erbschein „abzuändern” und sie ebenfalls als Miterbin aufzuführen. Das Staatliche Notariat hat ihr mitgeteilt, daß die Erbausschlagung weiterhin als wirksam erachtet werde und es daher bei dem erteilten Erbschein verbleibe. Im Zusammenhang mit der Vereinigung Deutschlands ist die Nachlaßsache vom Amtsgericht W., in B. als Nachlaßgericht übernommen worden. Die Beteiligte hat gegenüber dem Amtsgericht W. weiterhin die erwähnte „Ergänzung” des Erbscheins begehrt. Der Rechtspfleger des Amtsgerichts hat die Sache dem Richter des Amtsgerichts wegen rechtlicher Schwierigkeit vorgelegt. Auf einen entsprechenden Hinweis des Richters hat die Beteiligte zu 1. „Beschwerde” gegen die Erteilung des vom Staatlichen Notariat erteilten Erbscheins eingelegt und gleichzeitig beantragt, einen Erbschein zu erteilen, der auch sie als Miterbin ausweist. Der Richter des Amtsgerichts hat der „Beschwerde” nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht Berlin zur Entscheidung vorgelegt. Das Landgericht hat den Beschwerdeschriftsatz als Rechtspflegererinnerung angesehen, die nach Nichtabhilfe seitens des Richters als Beschwerde gilt. Es hat dieses Rechtsmittel als unbegründet zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Es könne dahingestellt bleiben, ob sich die Beteiligte in bezug auf ihre Ausschlagungserklärung auf einen Anfechtungsgrund der Drohung gemäß § 405 Abs. 1 in Verbindung mit § 70 ZGB-DDR mit Erfolg berufen könne; die Ausschlagung bleibe jedenfalls deswegen wirksam, weil die Beteiligte zu 1. die Anfechtungsfrist des § 405 Abs. 2 ZGB-DDR versäumt habe. Gegen diese landgerichtliche Beschwerdeentscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1.
Die nach § 27 Abs. 1 FGG statthafte und auch sonst zulässige weitere Beschwerde ist unbegründet. Im Ergebnis ohne Rechtsirrtum hat das Landgericht die Erstbeschwerde der Beteiligten zu 1. als erfolglos erachtet. Die landgerichtliche Entscheidung halt damit der im dritten Rechtszug allein vorzunehmenden rechtlichen Nachprüfung stand.
I.
Verfahrensrechtlich richtig ist das Landgericht davon ausgegangen, daß die Anordnung des Staatlichen Notariats, den Erbschein vom 16. Mai 1990 zu erteilen, mit der Rechtspflegererinnerung im Sinne des § 11 RpflG mit dem Ziel anfechtbar ist, den Erbschein als unrichtig einzuziehen. Gemäß Art. 8 des Einigungsvertrages in Verbindung mit Anlage I Kapitel III Sachgebiet A: Rechtspflege, Abschnitt III Nr. 28 Buchst. g und Abschnitt IV Nr. 3 Buchst. j, Nr. 4 werden im Grundsatz die am Tage des Wirksamwerdens des Beitritts anhängigen Verfahren in der Lage, in der sie sich befinden, nach den in Kraft gesetzten Vorschriften fortgesetzt. Das bedeutet, daß das vorliegende Nachlaßverfahren nach dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit einschließlich des Rechtspflegergesetzes fortzusetzen ist (Abschnitt III Nr. 3 und 13 a.a.O.). Dementsprechend ist die vorliegende Nachlaßsache an das damals örtlich zuständige Berliner Nachlaßgericht abgegeben worden (Abschnitt III Nr. 28 Buchst. k a.a.O.); das ist gemäß dem Berliner Gesetz vom 25. September 1990 (GVBl. S. 2076) hier, wo der Erblasser im früheren Ostberliner Bezirk Pr. wohnte, das Amtsgericht …. Die Zuständigkeit für Rechtsmittel und Rechtsbehelfe richtet sich nach neuem Recht (Abschnitt IV Nr. 3 Buchst. j Abs. 3 a.a.O.). Demgemäß ist zu fragen, wie die vom Staatlichen Notariat angeordnete Erteilung des Erbscheins vom 16. Mai 1990 anzufechten ist. Da nach § 3 Nr. 2 Buchst. c RpflG Nachlaßsachen dem Rechtspfleger übertragen sind, die Erteilung von ...