Entscheidungsstichwort (Thema)

Späte Beschwerdebegründung im lauterkeitsrechtlichen Eilverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Zu einer Selbstwiderlegung der aus § 12 Abs. 2 UWG folgenden Dringlichkeitsvermutung führt es, wenn ein im Beschlusswege unterlegener Eilantragsteller mit seiner am letzten Tag der Beschwerdefrist versendeten sofortigen Beschwerde ohne hinreichenden Anlass beantragt, die Frist zur Begründung der Beschwerde um 15 Tage zu verlängern, und die Beschwerdebegründung am letzten Tag dieser Frist bei Gericht eingeht.

 

Normenkette

UWG § 12 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 01.06.2016; Aktenzeichen 101 O 68/16)

 

Tenor

1. Der Antragstellerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Kammer für Handelssachen 101 des LG Berlin vom 1.6.2016 - 101 O 68/16 - gewährt.

2. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den vorgenannten Beschluss des LG Berlin vom 1.6.2016 wird zurückgewiesen.

3. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

4. Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 250.000 EUR.

 

Gründe

A. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und zulässig.

I. Die Antragstellerin hat zwar die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gemäß § 569 Abs. 1 ZPO versäumt.

Innerhalb dieser Frist von zwei Wochen - beginnend mit der Zustellung des angefochtenen Beschlusses vom 1.6.2016 am 6.6.2016 und endend am 20.6.2016 - kann der Eingang einer Beschwerdeschrift der Antragstellerin bei Gericht nicht festgestellt werden. Das Original der Beschwerdeschrift vom 20.6.2016 ist erst am 22.6.2016 beim LG eingegangen. Für den Eingang einer Faxabschrift des Beschwerdeschriftsatzes am 20.6.2016 hat die Antragstellerin keinen hinreichenden Beweis angetreten. Das von ihr vorgelegte Absendeprotokoll genügt hierfür nicht. Es bestätigt nur die Herstellung einer Verbindung, nicht die erfolgreiche Übermittlung bestimmter Erklärungen (vergleiche OLG Köln, NJW 1995, 1228; BGH, NJW 1995, 665; Zöller/Greger, ZPO, 31. Auflage, Vor § 230 Rn. 2).

II. Der Antragstellerin ist aber Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde zu gewähren, § 233 Satz 1, § 234, § 236 ZPO.

Die Antragstellerin war ohne ihr Verschulden verhindert, die Beschwerdefrist zu wahren. Mit dem vorgelegten - einen ordnungsmäßigen Faxversand bestätigenden - Absendeprotokoll, der Ablichtung aus dem Kanzleikalender vom 20.6.2016 sowie der eidesstattlichen Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten J.vom 26.7.2016 hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht, dass sie alles getan hat, um von einem ordnungsgemäßen Eingang der Beschwerdeschrift per Fax am 20.6.2016 ausgehen zu können (vergleiche BGH, MDR 2013, 1305 TZ 7; NJW 2014 TZ 8, 1390; Zöller/Greger, aaO, § 233 Rn. 23 "Telefax").

B. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist aber nicht begründet, §§ 935, 940 ZPO. Zu Recht hat das LG die Dringlichkeit verneint.

1. Wer in Kenntnis der maßgeblichen Umstände und der ihm fortlaufend drohenden Nachteile ohne überzeugenden Grund längere Zeit untätig geblieben ist und dadurch die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs verzögert, hat damit zu erkennen gegeben, dass die Sache für ihn nicht so eilig ist. Dann lässt sich die Dringlichkeit nicht mehr vermuten (Hess in: Ullmann, juris

BK-UWG, 4. Auflage, § 12 Rn. 122 mwN). Die aus § 12 Abs. 2 UWG folgende Dringlichkeitsvermutung kann dabei nicht nur durch zögerliche Verfahrenseinleitung, sondern auch dann widerlegt sein, wenn der Antragsteller (nach zunächst hinreichend zeitnaher) Verfahrenseinleitung durch ein späteres Verhalten zu erkennen gibt, dass die Sache für ihn nicht (mehr) eilig ist (Senat, KGR Berlin 2008, 551f; Hess, aaO, § 12 Rn. 121 ff mwN). Eines Verfügungsanspruchs kann sich etwa begeben, wer die beim Eingangsgericht eingelegte Beschwerde gegen die Ablehnung seines Eilantrags nicht begründet, sondern dort mitteilt, eine Beschwerdebegründung erst nach der erstinstanzlichen Nichtabhilfe beim Beschwerdegericht einreichen zu wollen (Senat, aaO; Hess, aaO, § 12 Rn. 134).

2. Vorliegend hat die Antragstellerin mit ihrer am letzten Tag der Beschwerdefrist versendeten sofortigen Beschwerde beantragt, die Frist zur Begründung der Beschwerde um 15 Tage zu verlängern. Die Beschwerdebegründung ist dann am letzten Tag dieser Frist bei Gericht eingegangen. Dieses Verhalten führt vorliegend zu einer Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung.

a) Nach § 571 Abs. 1 ZPO "soll" die Beschwerde begründet werden. Das erstinstanzliche Gericht ist gemäß § 572 Abs. 1 ZPO verpflichtet zu prüfen, ob es die Beschwerde für begründet erachtet und ob es ihr dementsprechend abhilft. Dies setzt in aller Regel - angesichts der vorangegangenen ablehnende Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts - eine Beschwerdebegründung voraus. Auch wenn es eine gesetzliche Frist zur Begründung der Beschwerde nicht gibt, führt ein Gesuch um ein Nach...

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