Leitsatz (amtlich)
1. Das Übergehen des Beweisangebotes "Sachverständigengutachten" stellt jedenfalls dann einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, wenn dem Beweisangebot ein konkreter Tatsachenvortrag zugrunde liegt, das Beweisangebot damit nicht der Ausforschung von Tatsachen dient und die Partei ihre Behauptungen nicht "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufgestellt hat.
2. Ein solches Übergehen des Beweisangebotes "Sachverständigengutachten" rechtfertigt eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an die erste Instanz jedenfalls dann, wenn neben der Einholung des Sachverständigengutachtens ein Zeuge zu vernehmen ist und die Parteien anzuhören sind.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 12.04.2010; Aktenzeichen 44 O 153/09) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 12.4.2010 verkündete Urteil der Zivilkammer 44 des LG Berlin - 44 O 153/09 - einschließlich des zugrunde liegenden Verfahrens aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur weiteren Verhandlung und erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das LG zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Berufung des Klägers richtet sich gegen das am 12.4.2010 verkündete Urteil der Zivilkammer 44 des LG Berlin, mit der seine auf Zahlung von Schadensersatz gerichtete Klage abgewiesen worden ist.
Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 25.5.2009 in der Dudenstraße in Berlin ereignet hat. Am Unfalltag befand sich in Höhe der Hausnummer ... der Dudenstraße und damit kurz vor der Kreuzung Dudenstraße/Katzbachstraße eine Baustelle, weswegen der rechte Fahrstreifen dort für die Weiterfahrt gesperrt war. Der Kläger ist Halter eines Pkw's der Marke Mercedes mit dem amtlichen Kennzeichen ..., welches er am 25.5.2009 gegen 12.00 Uhr auf der Dudenstraße in Richtung Platz der Luftbrücke führte. Kurz vor der Kreuzung Dudenstraße/Katzbachstraße kam es zu einer Kollision mit dem in gleicher Richtung fahrenden und vom Beklagten zu 1) geführten Lkw mit dem amtlichen Kennzeichen ..., dessen Halter der Beklagte zu 2) ist und welches bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversichert ist. Die Parteien streiten über den genauen Hergang des Unfalls und die Haftung dem Grunde nach.
Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte zu 1) habe den Unfall allein verursacht. Der Kläger behauptet, er habe am 25.5.2009 mit seinem Pkw zunächst einen Fahrstreifenwechsel vom rechten auf den linken Fahrstreifen vorgenommen, weil sich auf seiner Fahrspur eine Baustelle befunden habe. Er habe diesen Fahrstreifenwechsel unter Beachtung der größten Sorgfalt vorgenommen und erfolgreich vollendet, wobei er auf dem linken Fahrstreifen vor dem vom Beklagten zu 1) geführten Lkw eingescheert sei. Sodann seien beide Fahrzeuge für einen kurzen Moment hintereinander in derselben Spur gefahren. In Höhe der sich nach Beginn der Baustelle eröffnenden Linksabbiegerspur habe der Beklagte zu 1) ihn dann bei einem vom Beklagten zu 1) beabsichtigten Fahrstreifenwechsel in die Linksabbiegerspur hinten links gerammt, weil dieser den Abstand falsch eingeschätzt habe. Wegen des vom Kläger im Einzelnen vorgetragenen Schadens (u.a. Kosten für eine Notreparatur, Reparaturkosten u. Auslagenpauschale) wird auf S. 3 u. 4 des angefochtenen Urteils verwiesen.
Demgegenüber sind die Beklagten der Auffassung, der Unfall sei allein durch den Kläger verursacht worden. Sie behaupten, der Unfall habe sich bereits ereignet, als der Kläger vor der Baustelle - ohne die hierfür notwendige Sorgfalt an den Tag zu legen - aus dem rechten Fahrstreifen auf den linken Fahrstreifen hinüber gewechselt sei und zwar für den Beklagten zu 1) im toten Winkel, so dass dieser mit seiner vorderen rechten Fahrzeugecke den hinteren seitlichen Bereich am Klägerfahrzeugs getroffen habe.
Das LG hat die Klage nach Beweisaufnahme (Vernehmung des Zeugen ... sowie persönliche Anhörung des Klägers und des Beklagten zu 1)) abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger stünden aus Anlass des Verkehrsunfalls am 25.5.2009 keine Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten zu. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich der streitgegenständliche Verkehrsunfall in einem engen und räumlichen Zusammenhang mit dem unstreitig vollzogenen Spurwechsel des Klägers i.S.d. § 7 Abs. 5 StVO ereignet habe. Die Angaben des Klägers und des Zeugen ... hätten dem Gericht nicht die Überzeugung zu vermitteln vermocht, dass die Unfalldarstellung des Klägers zutreffe. Demgegenüber seien die Angaben des Beklagten zu 1) zum Unfallablauf in sich schlüssig und frei von Widersprüchen gewesen. Es spreche der Beweis des ersten Anscheins für eine unfallursächliche Missachtung der durch § 7 Abs. 5 StVO vorgeschriebenen Sorgefaltspflichten seitens des Klägers. Ein Mitverschulden des Beklagten zu 1) an der Unfallentstehung habe der Kläger nicht nachzuweisen vermocht.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er primär die Zurückver...