Alexander C. Blankenstein
3.28.1 Unbegründete Strafanzeige
Die außerordentliche fristlose Kündigung des Mietverhältnisses auch ohne vorherige Abmahnung ist stets dann gerechtfertigt, wenn der Mieter wissentlich oder leichtfertig eine grundlose Strafanzeige gegen den Vermieter erstattet.
Unbegründeter Betrugsvorwurf
Unterstellt der Mieter dem Vermieter, ohne Anhaltspunkte für ein vorsätzliches Verhalten zu haben, eine Betrugsabsicht wegen für unzutreffend gehaltener Angaben in einer Wirtschaftlichkeitsberechnung zur Bestimmung der Kostenmiete, und erstattet er insoweit Anzeige gegen den Vermieter, rechtfertigt dies die fristlose Kündigung des Mietvertrags.
In diesem Zusammenhang ist weiter zu beachten, dass ein unaufgeklärter Sachverhalt, etwa wegen Einstellung des Verfahrens seitens der Staatsanwaltschaft, nicht zulasten des angezeigten Vermieters, sondern zulasten des anzeigenden Mieters geht. Der Vermieter muss lediglich beweisen, dass der Mieter die Anzeige erstattet hat. Der Mieter muss hingegen darlegen und beweisen, dass und aus welchen Gründen er die Tatsache für wahr erachtet hat.
Mutmaßlicher Hausfriedensbruch durch Vermieter
Der Vermieter hatte bereits wiederholt versucht, sich Zugang zur Wohnung der berufstätigen und tagsüber abwesenden Mieterin über deren Tagesmutter zu verschaffen. Die Mieterin ließ dem Vermieter ein Schreiben zukommen, dass er ohne Terminabsprache nicht berechtigt sei, sich Zugang zur Wohnung zu verschaffen. Der Vermieter versuchte es erneut und schob sich an der Tagesmutter vorbei in die Wohnung. Die Mieterin erstattete Strafanzeige gegen den Vermieter. Daraufhin kündigte der Vermieter das Mietverhältnis außerordentlich fristlos.
Die Kündigung ist unrechtmäßig und somit unwirksam. Hierbei kommt es auf die Klärung der Frage, ob dem Vermieter tatsächlich der Vorwurf des Hausfriedensbruchs zu machen ist, gar nicht an. Jedenfalls aufgrund seines Verhaltens war die Mieterin berechtigt, die Angelegenheit staatsanwaltlich überprüfen zu lassen.
Grundsätzlich stellt die Strafanzeige des Mieters gegen den Vermieter noch keinen Verstoß gegen die mietvertragliche Treuepflicht dar, wenn der Mieter mit der Strafanzeige keine den Vermieter schädigende Absicht verfolgt, sondern ggf. lediglich eine unzutreffende rechtliche Würdigung des Sachverhalts vornimmt und eigene Interessen wahrnimmt, weil er sich als Opfer einer Straftat des Vermieters sieht. Auch eine unbegründete Strafanzeige gegen den Betreuer eines Vermieters rechtfertigt ohne vorherige Abmahnung die außerordentliche fristlose Kündigung des Mietverhältnisses.
3.28.2 Begründete Strafanzeige
Auch im Fall einer begründeten Strafanzeige gegen den Vermieter kann der Mieter den Bestand des Mietverhältnisses aufs Spiel setzen. Zwar gilt auch im Mietrecht der Grundsatz, dass es mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar ist, wenn die Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte im Rahmen eines Strafverfahrens zu zivilrechtlichen Nachteilen führt. Allerdings steht die Kündigung im Raum, wenn der Mieter eine begründete Strafanzeige allein aus dem Grund erstattet, dem Vermieter zu schaden.
Die Lüge in der Vermögensauskunft
Der Vermieter hatte im Rahmen der Zwangsvollstreckung eines seiner Gläubiger die Vermögensauskunft abgegeben (früher: Eidesstattliche Versicherung). Darin hatte er wahrheitswidrig angegeben, er sei arbeitslos. Dies hatte ein Mieter in Erfahrung gebracht und Strafanzeige gegen den Vermieter erstattet. Der Vermieter kündigte daraufhin das Mietverhältnis außerordentlich fristlos.
In einem derartigen Fall ist die Kündigung rechtmäßig. Zu berücksichtigen sind stets die konkreten Umstände des Einzelfalls. Neben dem Verhalten des angezeigten Vermieters prüft das Gericht, ob die Anzeige im Rahmen der Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte oder in Erfüllung staatsbürgerlicher Pflichten erfolgt ist oder zur Wahrung eigener Interessen.
Zu berücksichtigen war im konkret zu entscheidenden Fall, dass zwischen der Falschangabe und dem Mietverhältnis keinerlei Zusammenhang bestanden hatte. Die Strafanzeige beruhte weiter auf der gezielten Verwertung einer Information, auf die grundsätzlich nur ein Zwangsvollstreckungsgläubiger unter engen Voraussetzungen Zugriff hat. Der Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit lag im denunziatorischen Charakter der Anzeige.
Auch eine berechtigte Strafanzeige kann also dann zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigen, wenn die Strafanzeige
- keinerlei Bezug zum Mietverhältnis hat und
- lediglich erstattet wird, um dem Vermieter zu schaden.