Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur generellen Zulässigkeit der Teil-Kündigung einer Betriebsvereinbarung – wenn die Einzelregelungen der Betriebsvereinbarung in keinem inneren Zusammenhang miteinander stehen oder sich in der Wiedergabe von gesetzlichen/tariflichen Regelungen erschöpfen. Zu den Voraussetzungen der Zurückweisung verspäteten Vorbringens in der zweiten Instanz gemäß § 87 Abs. 3 Satz 4 ArbGG. Verspätetes Vorbringen. Beschwerdeverfahren. Zurückweisung neuen Vorbringens. Teilkündigung. Betriebsvereinbarung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Voraussetzungen für die Zurückweisung neuen Vorbringens nach § 87 Abs. 3 Satz 4 ArbGG sind gegeben, wenn der Beschwerdeführer zunächst erklärt, zu einem Gesichtspunkt keinen Vortrag halten zu können um dann nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist unmittelbar vor dem Termin zur Anhörung der Beteiligten gleichwohl umfassend zu diesem Gesichtspunkt vorträgt.

2. Eine Teilkündigung einer Betriebsvereinbarung ist zulässig, wenn die Einzelregelungen der Betriebsvereinbarung in keinem inneren Zusammenhang miteinander stehen oder sich in der Wiedergabe von gesetzlichen/tariflichen Regelungen erschöpfen.

 

Normenkette

InsO § 120 Abs. 1; ArbGG § 83 Abs. 1, § 87 Abs. 3 S. 4, § 90 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Mannheim (Beschluss vom 29.04.2004; Aktenzeichen 5 BV 4/04)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin/Antragsgegnerin wird derBeschluss des Arbeitsgerichtes Mannheim, Kammern Heidelberg, vom29.04.2004 – Az.: 5 BV 4/04 – teilweise abgeändert und zur Klarstellung neu gefasst.

II. Es wird festgestellt, dass die durch den Insolvenzverwalter am 11.02.2003 ausgesprochene außerordentliche Teilkündigung der Betriebsvereinbarung mit Datum vom 01.Januar 1997 bezüglich des Regelungsbereiches „Betriebliche Altersversorgung” unwirksam ist.

III. Die weitergehenden Anträge auf Feststellung der Unwirksamkeit der am 11.02.2003 vom Insolvenzverwalter ausgesprochenen ordentlichen Teilkündigung und der von der Arbeitgeberin/Antragsgegnerin am 15.03.2004 ausgesprochenen Teilkündigung werden zurückgewiesen.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die H. Verlagsanstalt und Druckerei GmbH (HVA) existierte zumindest seit dem Jahr 1948. Zum damaligen Zeitpunkt erließ die HVA eine Satzung über eine Unterstützungseinrichtung nebst dazugehöriger Richtlinien zugunsten ihrer Arbeitnehmer. Der Antragsteller/Beteiligter Ziffer 1 ist der im Betrieb der HVA gebildete Betriebsrat. Es existiert eine zwischen der HVA und dem Antragsteller abgeschlossene Betriebsvereinbarung in der Fassung vom 01.01.1997. Sie enthält allgemeine Bestimmungen über

  • die Aufnahme und Beendigung der Arbeitsverhältnisse,
  • die Arbeitszeit,
  • Mitteilungspflichten im Krankheitsfall,
  • Lohn- und Gehaltszahlungen (insbesondere Fälligkeit, Überweisungsart, Lohnabrechnung und Ausschlussfristen),
  • Arbeitsbefreiung unter Verweis auf einen Manteltarifvertrag,
  • Urlaubsgeld/zusätzlicher Urlaub gestaffelt nach Betriebszugehörigkeit,
  • Beschwerderecht,
  • Hinterbliebenenunterstützung,
  • Arbeitnehmerhaftung,
  • Arbeitssicherheit,
  • Mitteilung für Mitarbeiter,
  • Schlussbestimmungen (u. a. Regelung über die Kündbarkeit dieser Betriebsordnung mit einer Frist von drei Monaten zum Jahresende) und
  • Über „betriebliche Altersversorgung” mit folgendem Inhalt:

    „In der H. Verlagsanstalt und Druckerei GmbH besteht eine Unterstützungseinrichtung e. V. Nach 10-jähriger Betriebszugehörigkeit und Vollendung des 35. Lebensjahres erfolgt eine Aufnahme. Die Leistungen sind aus der Vereinssatzung und den Beihilferichtlinien der H. Verlagsanstalt und Druckerei GmbH Unterstützungseinrichtung e. V. zu entnehmen, die jedem Mitglied ausgehändigt werden.”

Über das Vermögen der HVA wurde am 01.11.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Der bestellte Insolvenzverwalter erklärte gegenüber dem Betriebsrat mit Schreiben vom 11.02.2003 „… die Kündigung der Betriebsvereinbarung bezüglich des Punktes der betrieblichen Altersvorsorge …” mit der Begründung, aufgrund der Insolvenz nicht mehr in der Lage zu sein, Beiträge zur Versorgungseinrichtung entrichten und weitere Anwartschaften beim Pensionssicherungsverein abzusichern; gemäß dem Maßstab des Bundesarbeitsgericht verhindere diese Kündigung ein weiteres Anwachsen von Rentenanwartschaften; bereits begründete Anwartschaften blieben von der Kündigung unberührt; die Kündigung erfolge ohne Einhaltung der dreimonatigen Kündigungsfrist außerordentlich aus wichtigem Grund.

Der Betriebsrat erwiderte mit Schreiben vom 05.03.2003, die fristlose Teilkündigung der Betriebsvereinbarung sei nicht rechtmäßig und verlangte Verhandlungen über ihre Weitergeltung.

Mit Wirkung vom 01.08.2003 ging der Betrieb der HVA auf die Antragsgegnerin/Beteiligte Ziffer 2 (im Folgenden: Arbeitgeberin) kraft Rechtsgeschäftes über.

Mit am 03.03.2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag hat der Betriebsrat die gerichtliche Feststellung begehrt, dass die Kündigung vom 11.02.2003 hinsichtlich des Punktes der betrieblichen Altersversorgung unwirksam sei. Die Arbeitgeberin hat daraufh...

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