Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung. Unternehmerentscheidung. Umgestaltung einer Einzelhandels-Verkaufsfiliale
Leitsatz (redaktionell)
Die Umgestaltung einer Einzelhandelsfiliale in eine reine Abverkaufsfiliale stellt keine unternehmerische Entscheidung dar, die ein dringendes betriebliches Erfordernis für die Kündigung hierfür nicht mehr erforderlicher Arbeitnehmer darzustellen vermag.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Urteil vom 28.04.2004; Aktenzeichen 10 Ca 566/03) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Mannheim vom 28.04.2004 – Az.: 10 Ca 566/03 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beklagte ist ein Einzelhandelsunternehmen. Sie vertreibt im ganzen Bundesgebiet in ihren mehr als 90 Filialen Produkte der Unterhaltungselektronik, sogenannte Weiße Ware, Computer, Tele- und Bürokommunikationsmittel, Fotogeräte und sonstige Tonträger.
Der am 12.06.1960 geborene Kläger ist gegenüber seiner Ehefrau und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Seit dem 01.09.1984 steht er in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten, bzw. deren Rechtsvorgängerin in der Filiale H.-P.. Seit dem 01.10.1990 ist er Abteilungsleiter der Abteilung „Elektro”. Ausweislich von § 3 des Anstellungsvertrages vom 04.09.1990 ist die Geltung des maßgebenden Tarifvertrages des Einzelhandels für Baden-Württemberg vereinbart. Der Kläger ist eingruppiert in die Gehaltsgruppe G IIII 4. Bis zum 30.06.2003 betrug sein monatliches Grundgehalt EUR 2.488,00 brutto. Entgegen der Regelung im einschlägigen Manteltarifvertrag, wonach ein Anspruch auf eine Sonderzuwendung in Gestalt eines Urlaubsgeldes und einer Weihnachtsgeldzahlung besteht, pflegte die Beklagte ihren Arbeitnehmern diese Sonderzahlung in Höhe von jeweils 1/12 monatlich zusammen mit dem Gehalt auszuzahlen. Demgemäß belief sich das monatliche Grundgehalt des Klägers bis zum 30.06.2003 auf EUR 2.697,38. Mit Wirkung vom 01.07.2003 wurde es inklusive der Anteile an Weihnachts- und Urlaubsgeld aufgrund einer Erhöhung des Tarifentgeltes auf insgesamt EUR 2.743,02 angehoben. Die Beklagte zahlte jedoch die aus der Tariferhöhung resultierende Differenzsumme in Höhe von monatlich EUR 45,64 nicht aus.
Die Beklagte schloss am 13.02.2003 mit dem bei ihr gemäß § 3 BetrVG gebildeten Flächenbetriebsrat einen Interessenausgleich, welcher unter Anderem folgende Regelungen enthält:
- „Alle in der Anlage 1 aufgeführten Filialen werden zu reinen Abverkaufsstellen umgestaltet, und zwar voraussichtlich beginnend zu den dort jeweils genannten Zeitpunkten. Die Parteien sind sich dabei einig, dass eine Verschiebung der dort genannten Zeitpunkte von bis zu 4 (vier) Monaten keine wesentliche Abweichung darstellt. Angelieferte Ware wird zukünftig weitestgehend direkt vom LKW oder aus dem Lager unausgepackt auf Paletten in den Markt gefahren. Kunden müssen sich die Ware überwiegend direkt von der Palette/aus den Regalen entnehmen und zur Kasse befördern. Es findet nur noch eine eingeschränkte Kundenberatung/Serviceleistung in den einzelnen Filialen statt. Zur Durchführung dieser Maßnahme wird das bisherige Warensortiment an die neuen Verhältnisse angepasst.
- Aufgrund dieser Umgestaltung wird in einer durchschnittlichen Filiale nur noch ein Marktleiter sowie 9 Mitarbeiter beschäftigt. Allen diesen Mitarbeitern obliegt – je nach Bedarf – die Kassentätigkeit, die Pflege und das Nachfüllen der Waren, die Annahme von Kundengeräten im Rahmen der Gewährleistung bzw. der Kulanz sowie Lagertätigkeiten. Zusammen mit dem Marktleiter sind diese 9 Mitarbeiter notwendig, um das Funktionieren der Abverkaufsstelle innerhalb der täglichen Öffnungszeit zu gewährleisten. Diese Tätigkeit ist im Verhältnis zu den bisherigen im Betrieb bestehenden Arbeitsplätzen neu. Eine Versetzung im Rahmen des arbeitsvertraglichen Direktionsrechtes ist deshalb nicht möglich. Alle Arbeitnehmer – mit Ausnahme des Marktleiters – werden deshalb gekündigt. 9 Arbeitnehmer erhalten nach den nachstehenden Regelungen keine Beendigungskündigung, sondern eine Änderungskündigung.”
In der Folgezeit erklärte die Beklagte gegenüber nahezu allen in der Filiale H.-P. beschäftigten Arbeitnehmern betriebsbedingte Kündigungen, wobei sie – ausgehend von der im Interessenausgleich vereinbarten Auswahlrichtlinien – gegenüber zwölf Mitarbeitern, darunter dem Kläger, Änderungskündigungen erklärte. Die dem Kläger zugedachte Änderungskündigung vom 22.08.2003 zum 30.06.2004 ging am 31.08.2003 zu. Danach waren die Einzelheiten der geänderten Bedingungen den insgesamt 18 Paragraphen eines beigefügten Arbeitsvertragsangebots mit Datum vom 22.08.2003 zu entnehmen.
§ 3 Abs. I dieses Angebots regelt unter der Überschrift „Vergütung”:
„Herr Hafner erhält für die vertragliche Tätigkeit ein monatliches Bruttogehalt von insgesamt EUR 1.650,00.”
Im übrigen wird auf die Anlage K 6 der Vorakte – Abl. 69 bis 74 – ve...