Entscheidungsstichwort (Thema)
Bonus bei fehlender Zielvereinbarung. Initiativlast der Arbeitgeberin im Einzelfall
Leitsatz (amtlich)
„1. Zahlt der Arbeitgeber einen durch Betriebsvereinbarung zugesagten Bonus nicht oder nicht in voller Höhe, kann der Arbeitnehmer ohne vorherige Auskunftsklage eine Leistungsklage erheben, wenn er bestimmte Berechnungskriterien annimmt.
2. Auf der Grundlage des in der Betriebsvereinbarung enthaltenen Orientierungsrahmens in Verbindung mit dem Rechtsgedanken der Bedingungsvereitelung des § 162 Abs. 1 BGB steht dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf den (höheren) Bonus zu, wenn der Arbeitgeber es trotz einer bestehenden Pflicht unterlässt, eine die Rahmenregelung ausfüllende konkrete Zielvereinbarung oder Zielvorgabe zu initiieren.
3. Zur Berechnung der Anspruchshöhe kann auf die in den Vorjahren angewandten Kriterien zurückgegriffen und im Hinblick auf die einzelnen Parameter ein Durchschnitt aus den zurückliegenden Jahren gebildet werden, wenn es auch in den Vorjahren nicht zu einer ausfüllenden Zielvereinbarung oder Zielvorgabe kam. Eine solche Schätzung des Leistungsumfangs nach § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO setzt voraus, dass die Tätigkeit des Arbeitnehmers im Anspruchszeitraum vergleichbar blieb und keine Anhaltspunkte für einen der Durchschnittsbildung entgegenstehenden Willen der Betriebspartner bestehen.”
Normenkette
BGB § 162 Abs. 1, § 611
Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Urteil vom 20.04.2005; Aktenzeichen 15 Ca 3/04) |
Tenor
1. Aufgrund der übereinstimmenden Teilerledigungserklärung der Parteien ist das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 20.04.2005 – 15 Ca 3/04 – hinsichtlich der Verurteilung der Beklagten zu einem 18.700,75 Euro übersteigenden Betrag wirkungslos.
2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 20.04.2005 – 15 Ca 3/04 – wird – soweit die Klage in Höhe von 18.700,75 Euro noch rechtshängig ist – zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 7 % zu tragen, die Beklagte 93 %.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen höheren Bonus für das Geschäftsjahr 2003.
Der Kläger wird seit dem 01.10.1993 im Konzerngefüge der beklagten Bank an verschiedenen Orten und in unterschiedlichen Funktionen in den Bereichen Börsenhandel und Immobilien beschäftigt. Bis zum 31.03.1999 war seine Arbeitgeberin eine Tochtergesellschaft der Beklagten, die D. GmbH. Ein Zwischenzeugnis der früheren Arbeitgeberin des Klägers aus dem Jahr 1998 bestätigte ihm, er habe die ihm übertragenen Aufgaben stets zur vollsten Zufriedenheit seines damaligen Vorgesetzten gelöst (Anlage K 13 der Klageschrift vom 08.06.2004, Blatt 77 der Vorakten). Seit dem 01.04.1999 besteht zwischen dem Kläger und der Beklagten selbst ein Arbeitsverhältnis. Er wurde zunächst in Verantwortungsstufe 4 als Fachberater Immobilien im Bereich Vertriebsunterstützung mobil eingesetzt. Das durch den Kläger angenommene Vertragsangebot der Beklagten vom 11.03.1999 sieht u. a. Folgendes vor (Anlage K 1 der Klageschrift, Blatt 24 f. der Akten des ersten Rechtszugs):
„Darüber hinaus erhalten Sie auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung zum Bonussystem vom 23.10.1997 als freiwillige variable Vergütung einen auf das Geschäftsjahr bezogenen Bonus, der – pro rata temporis Ihrer Beschäftigung im jeweiligen Geschäftsjahr – im Frühjahr des Folgejahres zur Auszahlung kommt. Die Höhe der Bonuszahlung ist abhängig von einem – auf der Grundlage von Zielvereinbarungen – festgelegten Zielbonus, Ihrer Leistung und dem Geschäftsergebnis. …”
Im Jahr 2003 wechselte der Kläger in der Funktion eines Spezialberaters Investment in die Abteilung Spezialberatung Investment (SBI) nach M. Allerdings führten die Parteien zuvor – im Ergebnis erfolglose – Auflösungsverhandlungen (vgl. das durch den Kläger nicht angenommene Aufhebungsangebot der Beklagten vom 05.05.2003, Anlage K 5 der Klageschrift vom 08.06.2004, Blatt 45 ff. der Akten des Arbeitsgerichts). Das Arbeitsverhältnis der Parteien besteht fort.
Die Vergütung des Klägers setzt sich seit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten im Jahr 1999 aus einem Grundjahresgehalt – von ursprünglich 66.467,95 Euro brutto – und einem variablen Entgeltbestandteil zusammen. Schon in seinem früheren Arbeitsverhältnis mit der Konzerntochter der Beklagten hatte er in den Jahren 1997 und 1998 neben seinem Grundgehalt sog. Sonderboni erhalten (dazu näher S. 9 der Klageschrift vom 08.06.2004, Blatt 9 der Vorakten). Der von der Beklagten in seinem jetzigen Arbeitsverhältnis gewährte variable Bonus richtete sich jedenfalls zunächst nach einer zwischen ihr und ihrem Gesamtbetriebsrat geschlossenen „Betriebsvereinbarung über die Einführung eines Bonussystems für außertarifliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter” vom 23.10.1997 („BV 97”; Anlage K 2 der Klageschrift vom 08.06.2004, Blatt 27 ff. der Akten erster Instanz). Die BV 97 lautet auszugsweise wie folgt:
„I. Allgemeine Bestimmungen
…
I.2. Ziele und Grundsätze
a) Der Bonus ist eine jähr...